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Bei Karstadt regiert jetzt der Rotstift

Von DPA

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Bei Karstadt ist der Weihnachtsfrieden vorbei. Sechs Monate, nachdem der Österreicher René Benko die angeschlagene Warenhauskette für nur einen Euro übernommen hat, wird immer deutlicher, wie der Immobilieninvestor das krisengeschüttelte Unternehmen wieder auf Kurs bringen will: mit Stellenabbau, schlechteren Arbeitsbedingungen, besseren Einkaufskonditionen und weniger Rabatten.

Zusätzlich zur angekündigten Schließung von sechs Standorten will die neue Führung unter Karstadt-Chef Stephan Fanderl rund 2000 Vollzeitstellen streichen. Das ist eigentlich schon seit Monaten bekannt. Doch wird erst jetzt klar, was dies konkret bedeuten dürfte. Gut jede zehnte Stelle in den Filialen und jede vierte in der Zentrale sollen nach Angaben des Betriebsrats in kommenden Monaten dem Rotstift zum Opfer fallen.

Allein in den derzeit noch 83 Warenhäusern soll die Zahl der Stellen um 1271 auf 8170 reduziert werden, wie die «Süddeutsche Zeitung» und der «Nordbayerische Kurier» übereinstimmend berichteten. Die Personalkosten sollen so um 64 Millionen auf 308 Millionen sinken. Mehrere hundert weitere Stellen sind nach Gewerkschaftsangaben in der Essener Zentrale bedroht.

Doch selbst wer seine Stelle behält, soll nach dem Willen der Karstadt-Führung finanzielle Opfer bringen. Fanderl will etwa Einsparungen beim Weihnachts- und Urlaubsgeld durchsetzen. Außerdem plant die Karstadt-Führung Verdi zufolge, 1100 Mitarbeiter von Verkaufsberatern zur Regaleinräumern zu degradieren. Die Betroffenen sollten pro Monat 300 Euro weniger verdienen als bisher, berichtete die Gewerkschaft. Karstadt-Sprecher Stefan Hartwig war für eine Stellungnahme zunächst nicht zu erreichen.

Für die Gewerkschaft Verdi ist der geplante Personalabbau ein Irrweg: «Für ein erfolgreiches Warenhaus, das diesen Namen noch verdient, braucht man ausreichend Personal auf der Fläche. Daran darf nicht gesägt werden», sagte eine Verdi-Sprecherin am Montag.

Der Handelsexperte Thomas Roeb von der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg urteilt dagegen: «Der Abbau von Stellen im Unternehmen ist sicher ein notwendiger Schritt bei der Sanierung, entscheidend wird jedoch sein, ob Karstadt dabei die richtige Balance zwischen Kostenoptimierung und Bewahrung eines angemessenen Beratungsangebots gelingt.»

Doch die Personalkosten sind nicht die einzige Schraube, an der Karstadt derzeit dreht. So fordern Fanderl und sein Einkaufschef nach einem Bericht des Fachblattes «Textilwirtschaft» von den Lieferanten zusätzliche Rabatte. Nach Auffassung der neuen Firmenspitze hat Karstadt bei den Einkaufskonditionen Nachholbedarf.

Allerdings sind die Preise nur ein Problem im Beschaffungswesen, glaubt Handelsexperte Roeb: «Karstadt muss im Einkauf künftig genauer den Kundengeschmack treffen, um nicht mehr soviel Ware mit Preisnachlässen in den Markt drücken zu müssen.» Nach Angaben von Finanzvorstand Miguel Müllenbach verzichtete Karstadt bereits im Weihnachtsgeschäft 2014 bewusst auf «ungesunde Umsätze» durch Rabatte und konnte so die Gewinnmarge um mehr als 2 Prozentpunkte anheben.

Auch bei der Kundenansprache hat der Konzern viel vor. Der neue Karstadt-Marketing-Chef Manfred Mandel hat als Ziel gesetzt, «die über sieben Millionen Kunden zurückzuholen, die Karstadt seit 2009 verloren hat». Fragt sich nur, ob ein kräftiger Stellenabbau in den Filialen dazu die richtige Methode ist.

Gesamtbetriebsratschef Hellmut Patzelt glaubt das eher nicht. «Das wichtigste Thema ist die Kundschaft. Da dürfen wir nicht Sparen», meint er. Für den Gewerkschafter sind Benkos Umbaupläne bereits die vierte große Sanierungsrunde, die er bei Karstadt erlebt. Und er lässt keinen Zweifel daran, dass er nicht bereit ist, die von der Konzernführung geplanten Einschnitte so einfach hinzunehmen: «Wir werden hart verhandeln.» (DPA)

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