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EU Green Week: Welche Chancen bieten Reparatur und Wiederverwenden im Textilbereich?

Die diesjährige EU Green Week fand unter dem Motto „Kreislauflösungen für ein wettbewerbsfähiges Europa“ statt. Die Veranstaltung untersuchte, wie Kreislaufwirtschaft zu einer neuen wirtschaftlichen Realität werden kann, indem sie nachhaltige Wettbewerbsfähigkeit fördert, Abfall reduziert und Innovation innerhalb der EU vorantreibt.

Das Ziel der EU Green Week, die vergangene Woche in Brüssel stattfand, ist es, ein saubereres, widerstandsfähigeres und wettbewerbsfähigeres Europa zu schaffen. Die Schwerpunktthemen der Expert:innen – darunter Branchenführer:innen, Vertreter:innen von Gemeinden und andere Interessengruppen – waren Kreislaufwirtschaft, Nachhaltigkeit, Innovation, Ressourceneffizienz und Abfallreduzierung. Die Sitzung „Maximierung der Widerstandsfähigkeit durch Reparatur und Wiederverwenden – Lösungen aus dem Textil- und Elektronikbereich“ war besonders relevant für die Textil- und Bekleidungsindustrie und erforschte praktische Lösungen zur Optimierung der Ressourcennutzung durch Wiederverwendung und Reparatur.

Erfahrungen und Problembereiche

„Wir sind ein Netzwerk von Repair-Café-Gruppen, also Freiwilligengruppen, die in Flandern [Anm.d.Red.: Flämische Region Belgiens] Reparaturen durchführen, aber wir versuchen auch, die professionellen Reparaturbetriebe zu unterstützen, indem wir ihnen den Zugang erleichtern“, erklärte Rosalie Heens, Koordinatorin bei Repair&Share. Für sie ist das derzeitige System das Problem: „Reparaturen können genauso viel oder sogar mehr kosten als ein Neukauf, was es für Reparaturbetriebe schwierig macht, ein funktionierendes Geschäftsmodell zu haben“, sagte sie und verwies auf Frankreich, wo Reparaturprämien an (lokale) Reparaturbetriebe vergeben und von den Herstellenden finanziert werden. Es gibt auch weitere finanzielle Anreize.

Hanna Mattila, Seniorberaterin für Kreislaufwirtschaft, teilte Einblicke des Regionalrats Helsinki-Uusimaa, der 26 Gemeinden oder ein Drittel der finnischen Bevölkerung vertritt. Der zirkuläre Hub konzentriert sich auf Textilien und Elektronik und hat ein Netzwerk mit verschiedenen Interessengruppen aufgebaut. Obwohl Secondhand in Finnland recht beliebt ist, besteht ein Problem darin, dass die Leute Secondhand-Artikel kaufen und sie dann recht schnell wegwerfen. Obwohl es Secondhand-Läden in Einkaufszentren gibt, gibt es noch keine Reparaturwerkstätten für Textilien, aber einige für Elektronik, insbesondere für Mobiltelefone. Als weltweit erster seiner Art verfügt der Flughafen von Helsinki sogar über einen Secondhand-Laden. „Leicht zugängliche Orte, an denen die Leute wirklich vorbei müssen, wie etwa U-Bahn-Stationen, sind ein paar Beispiele für Lösungen,“ so Mattila.

Herwin, ein Kollektiv von Kreislaufwirtschaftsunternehmen in Flandern, sammelt jährlich rund 80.000 Tonnen Waren, von denen 40.000 verkauft werden, wobei der größte Teil Elektronik und Textilien sind. „In Belgien sind sich die Verbraucher:innen zunehmend der Kreislaufwirtschaftsoptionen bewusst, tatsächlich ist es ihnen in Fleisch und Blut übergegangen, in Secondhand-Läden zu gehen. Aber obwohl wir viel mehr Spenden erhalten und auch mehr Spenden verkaufen, gibt es eine Diskrepanz, weil wir nicht im gleichen Umfang mehr verkaufen; die Kluft zwischen dem, was gesammelt und dem, was verkauft wird, wächst. Das liegt an der schlechten Qualität; die Kleidung ist zerrissen, nicht mehr gut oder die Leute wollen sie einfach nicht. Es besteht also immer noch ein großer Bedarf, die Botschaft an die Menschen zu verstärken, dass sie nicht alles neu kaufen müssen“, sagte Maarten Landuyt, Referent für Kreislaufwirtschaft und Wiederverwendung bei Herwin. „Wir müssen uns auch die Herstellenden ansehen, denn sie überschwemmen den Markt mit all diesen Dingen und sie geben Milliarden für Werbung aus, damit die Leute billige Waren kaufen.“

Barbara Deman sprach über ihre Erfahrungen als Koordinatorin von Reparatur- und Sharing-Initiativen in der belgischen Stadt Kortrijk, wo eine ‘Deelfabriek’ (Ndl.: Teilfabrik) eingerichtet wurde, ein Einkaufszentrum zum Tauschen von Gegenständen wie Büchern und Kleidung. Wie Landyut sieht auch sie eine echte Herausforderung in ihrer Arbeit darin, dass Fast-Fashion-Kleidung nicht zum Tauschen oder Weiterverkaufen geeignet ist; „Fast-Fashion-Kleidung erreicht wirklich schnell das Ende ihres Lebenszyklus“, erklärte sie. Auch der Preis für Reparaturen ist für viele ein großes Hindernis: „Der Preis ist eine sehr wichtige Sache. Wenn es billiger ist, neu zu kaufen, warum sollte man dann etwas wiederverwenden? Viele Leute denken so, wo der Preis das Hauptziel ist.“

Moderator Cillian Lohan von der Europäischen Plattform der Interessenträger der Kreislaufwirtschaft (ECESP) stimmte zu: „Man kann den Leuten nicht vorwerfen, dass sie sich für Produkte entscheiden, die sie sich leisten können; ich hätte eine ganz andere Auswahl an Dingen in meinem Leben, wenn Geld keine Rolle spielen würde. Es ist eine Realität, dass die Kosten der Dinge bei fast jedem Kauf, den wir tätigen, eine Rolle spielen. Reparatur und Wiederverwendung sind eine große Chance, Industrien, Arbeitsplätze und Aktivitäten innerhalb von Gemeinden neu zu schaffen, daher ist es wirklich wichtig, hier hervorzuheben, was funktioniert und was nicht.“

Aufbau von Widerstandsfähigkeit, Wert und Preisen als Lösungen

Heens' Meinung zufolge „müssen die Preise für neue Produkte steigen“. Ein weiteres Problem ist, dass Reparaturfähigkeiten aussterben, da der Beruf des Reparaturbetriebs einen niedrigen Status einnimmt und immer weniger Menschen ihn ausüben wollen. „Wir müssen darüber nachdenken und auch hier Anreize schaffen“, mahnt sie.

Eine weitere große Herausforderung besteht darin, dass die Verbraucher:innen nicht wissen, wo sie Dinge reparieren lassen können, da Reparaturbetriebe nicht über das gleiche Budget für Werbung verfügen wie beispielsweise Einzelhändler:innen. Deshalb bietet Repair&Share eine Reparaturkarte mit professionellen und ehrenamtlichen Reparaturbetrieben in Belgien sowie eine Vermittlungsplattform an.

„In unserem europäischen E6-Projekt versuchen wir auch, an sechs verschiedenen Standorten physische Orte zu schaffen, an denen Reparatur- und Wiederverwendungsoptionen neben Recyclingoptionen angeboten werden, so dass die Menschen alle verschiedenen Optionen am selben Ort haben“, fügt sie hinzu. Ein großes Hindernis für Reparaturen ist auch, dass der Preis für Ersatzteile bei Elektronik höher sein kann als der eines neuen Produkts. Repair&Share berücksichtigt dies in seinem „Repairability Index“.

„Widerstandsfähigkeit bedeutet für mich Unabhängigkeit; die Widerstandsfähigkeit Europas bedeutet, uns stärker und unabhängiger von außen zu machen in Bezug auf alle Materialien, die wir benötigen, soweit wir sie wiederverwenden können. Natürlich haben wir geringere Auswirkungen aus wirtschaftlicher und ökologischer Sicht, aber auf der anderen Seite wird die Fähigkeit, einige Elemente, einige grundlegende Rohstoffe, zurückzugewinnen, uns wahrscheinlich etwas stärker machen“, meint Landuyt.

Für Francesca Nanni, Professorin für Materialwissenschaft und -technologie an der Universität Rom, besteht wahre Widerstandsfähigkeit darin, die Kleidung, die wir bereits haben, zu genießen. „Wie können wir lernen, diese Kleidung zu genießen?“, fragt sie und fügt hinzu, dass „neue Kleidung zu billig ist. Wir befinden uns mitten in einer Klima- und Biodiversitätskrise, die sich jedoch nicht in den Preisen widerspiegelt.“ Für sie sollten Recycling und Secondhand nicht nur der Umwelt zuliebe, sondern auch aus der Notwendigkeit heraus fest etabliert werden.

EU Green Week 2025. Bild: Europäische Kommission

Die Aufzeichnung dieses und anderer Beiträge der EU Green Week finden sich auf der offiziellen Website, green-week.event.europa.eu.


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