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Indien: tödlicher Brand zeigt, dass Fabriken immer noch nicht sicher sind

Von Simone Preuss

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Bei einem tödlichen Brand in einer Fabrik in der Gegend von Anaj Mandi in Nord-Delhi kamen am Sonntag in den frühen Morgenstunden 43 Menschen ums Leben; 16 bis 20 Menschen wurden verletzt. Die Geschichte klingt nur allzu vertraut: Das Gebäude in einem Wohngebiet von Delhi wurde illegal als Fabrik betrieben, die verschiedene Produkte herstellte, darunter auch Bekleidung. Etwa 70 Fabrikarbeiter - hauptsächlich Migranten und einige Minderjährige - schliefen in der Fabrik, als das Feuer ausbrach. Während Zuständige vor Ort versuchten, die Verletzten in nahegelegene Krankenhäuser zu bringen, starben viele an Rauchvergiftungen.

Obwohl Entschädigungszusagen der Behörden schnell gemacht wurden, verdeutlicht die schlimmste Brandkatastrophe seit 20 Jahren und die schlimmste in der indischen Hauptstadt die Notwendigkeit strenger Vorschriften zu Brandschutz und Gebäudesicherheit und deren strenge Durchsetzung. „Die offensichtlich unsichere Fabrik unterstreicht die dringende Notwendigkeit der Durchsetzung von Brand- und Gebäudesicherheitsvorschriften und einer glaubwürdigen Sicherheitsüberwachung in Indien“, kommentierte die Clean Clothes Campaign am Montag in einer Erklärung.

Standort und ‘Sicherheitsmaßnahmen’ vor Ort behindern Rettungsaktionen

Die Lage des Gebäudes, in dem sich verschiedene Fabriken befanden, im Azad Market in der Altstadt Delhis mit engen Gassen, erschwerte die Rettungsmaßnahmen erheblich. Laut BBC mussten „Rettungsleute die Opfer einzeln auf den Schultern tragen, während die Feuerwehrleute Fenstergitter durchtrennten, um Zugang zum Gebäude zu erhalten“. Es ist in Indien üblich, starke Metallgitter an allen Fenstern anzubringen, um Diebstahl und unzulässigen Zutritt zu verhindern. Im Brandfall werden Gebäude jedoch so zu Todesfallen, die nur einen oder keinen Ausweg lassen. Im Anaj Mandi-Gebäude war eines der beiden Treppenhäuser zudem durch Ware blockiert und der einzige Ausgang war verschlossen.

Nach Angaben der Behörden besaß die Fabrik keine Sicherheitszulassung, und verschiedene Quellen geben an, dass die Fabrik illegal betrieben wurde. „Diese unnötigen Todesfälle und andere tragische Gebäudeeinstürze in jüngster Zeit zeigen, dass eine transparente und glaubwürdige Durchsetzung der Brandschutz- und Gebäudesicherheitsvorschriften im gesamten indischen Industriesektor dringend erforderlich ist. Bestehende Inspektionssysteme, darunter die von multinationalen Konzernen zur Kontrolle ihrer Zulieferfabriken eingesetzten Corporate Social Audits, haben es bisher nicht geschafft, die Sicherheit der Fabriken im ganzen Land strukturell zu verbessern“, fasst die Clean Clothes Campaign die Lage in Indien zusammen.

Regierung verspricht Entschädigung für Opfer

Obwohl die Regierung in Delhi schnell Entschädigungszusagen gemacht hat (1 Million indische Rupien oder etwa 12.700 Euro an die Familien der Verstorbenen und 100.000 Indien-Rupien oder 1.270 Euro für die Verletzten sowie die Übernahme der Behandlungskosten) und die indische Regierung den Familien der Verstorbenen und Verletzten 200.000 indische Rupien oder 2.540 Euro und 50.000 Rupien oder 635 Euro versprochen hat, handelt es sich lediglich um Ad-hoc-Maßnahmen, die den Bedürfnissen der Arbeiter auf lange Sicht nicht gerecht werden.

„Ausgleichsmaßnahmen, die zumindest den Verlust von Einkommen und die Behandlungskosten decken, sollten angemessen berechnet werden, um die Bedürfnisse von Familien, die ihre Unterhaltspflichtigen verloren haben, langfristig zu decken, und zwar auf der Grundlage etablierter Normen, wie sie in der ILO-Konvention 121 über Leistungen bei Arbeitsunfällen festgelegt sind. Darüber hinaus sollten bei den Entschädigungsregelungen die Schmerzen und Leiden der Arbeiter berücksichtigt werden“, rät die Kampagne für Saubere Kleidung.

Wie können Fabriken immer noch zu Todesfallen werden?

Darüber hinaus müssen die Umstände des Brandes - die keineswegs außergewöhnlich oder isoliert, sondern eher die Norm sind - untersucht werden: „Diese Todesfälle werfen zudem die Frage auf, warum es überhaupt möglich ist, dass Arbeiter an einem Wochenende bei einem Fabrikbrand gefangen sind, während die Fabrik nicht in Betrieb war. Wenn Arbeiter in der Fabrik schlafen, weil sie sich keine Wohnung oder Transportkosten leisten können, dann wirft diese Tragödie ein Licht auf die Armutslöhne, die im gesamten Industriesektor, insbesondere bei gefährdeten Gruppen wie Migranten und Minderjährigen, vorherrschen“, betont die Kampagne für Saubere Kleidung.

Wie die Medien vor Ort berichteten, wurde der Fabrikbesitzer verhaftet, und die Regierung von Delhi hat eine Untersuchung auf Magistratsebene angeordnet und Anklage erhoben. Einen Sündenbock zu finden und zu bestrafen geht das Problem jedoch nicht an der Wurzel an und macht Fabriken auf lange Sicht nicht sicherer.

„Es bleibt unklar, ob die Fabrik für den Export oder den wachsenden indischen Verbrauchermarkt produzierte. Unabhängig davon, wer die Bestellungen bei der Fabrik aufgegeben hat, sollten sie ihre Verantwortung für die Entschädigung der Arbeiter übernehmen, die bei der Herstellung ihrer Produkte zu Schaden kamen,“ verlangt die Clean Clothes Campaign.

Wiederholte Fabrikbrände - insbesondere in Herstellungsländern außer Bangladesch - zeigen, dass die Branche noch einen langen Weg vor sich hat, wenn es darum geht, Maßnahmen für Brandschutz und Gebäudesicherheit festzulegen, Arbeitnehmer fair zu bezahlen und Fabrikbesitzer durch höhere Preis- und Zeitmargen unter weniger Druck zu setzen. Schließlich ist keines der hergestellten Produkte lebensnotwendig - im Gegenteil, sie tragen zum Überkonsum bei und werden oft getragen und dann weggeschmissen - und das ist eigentliche die wahre Tragödie.

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