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Wie türkische Marken Europa erobern wollen

Von Ole Spötter

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Business|Hintergrund
Foto: FashionUnited

Die türkische Modebranche will mit ihren eigenen Marken groß rauskommen und nicht mehr nur als Bekleidungsproduzent im Hintergrund agieren. Dabei soll die Messe Istanbul Fashion Connection (IFCO) helfen, die vom 24. bis zum 26. August zum zweiten Mal stattfand.

Bislang waren türkische Modemarken eher in Märkten wie Russland, Nordafrika und im arabischen Raum gefragt. Nun soll aber auch der Westen mit Europa und Nordamerika erschlossen werden, wo türkische Modeunternehmen bisher zwar mit eigenen Designs und als Produzenten aktiv waren – allerdings mehr mit dem Branding einer anderen Marke.

Einer der treibenden Kräfte, um dieses Ziel zu erreichen, ist der Verband Istanbul Textile and Apparel Exporter Associations, der hinter der neuen Messe, aber auch anderen Projekten wie einer Modeschule und neuen Brands steckt. Der Textilverband hat laut seiner Website aktuell 20.134 Mitglieder. Die Mitgliedschaft ist eine Voraussetzung für lokale Marken und Produzenten, um ihre Produkte zu exportieren.

Die aktuelle Ausgabe der Messe zählte laut IFCO 15.493 Besucher:innen aus mehr als 100 Ländern – darunter aus EU-Ländern, Großbritannien, den USA und dem Nahen Osten. Davon waren 2500 bis 3000 Buyer.

„Türkische Marken ändern ihr Image”

Aktuell richten sich die türkischen Marken eher an Märkte wie Russland, den heimischen Markt und den Nahen Osten. Ins Visier wird nun aber der europäische Markt genommen, der 70 Prozent der türkischen Textilexporte ausmacht, so Cem Altan, Präsident des Verbands International Apparel Federation (IAF). „Türkische Marken ändern ihr Image, weil die Mode wieder auflebt. Sie versuchen, mehr europäische Designs als östliche oder russische zu machen – jünger, moderner, anders.”

Stücke bei der IFCO. Foto: FashionUnited

Bei der zweiten Ausgabe der IFCO war diese Neuausrichtung allerdings noch nicht wirklich zu bemerken. Nur wenige der 300 Ausstellenden stachen hervor – die Ausnahmen kamen aus der Outerwear und Anlassmode – die einen Platz auf dem europäischen Markt finden könnten. Diese waren allerdings umzingelt von klassischen Gewändern, viel Echtpelz und überladenem Kitsch. Namen wie Color Colucci und Narsace, die Ähnlichkeiten mit bereits etablierten Marken haben, könnten für Verwirrung sorgen.

Echtpelz ist auf der IFCO gefragt. Foto: FashionUnited
'Narsace'-Stand auf der IFCO. Foto: FashionUnited

Eine der Marken, die mit ihren Produkten in Europa erfolgreich sein könnte, ist Ar-ma, eine Casual-Brand für Herren. Die türkische Marke hat allerdings Probleme, den europäischen Markt zu erreichen und zu verstehen. Ar-ma sieht besonders West- und Nordeuropa als “schwierigsten Markt”, sagte Brand Manager Berkay Melek. Für das Unternehmen ist der europäische Nordwesten besonders wettbewerbsintensiv. Es ist besonders in Nordafrika, in den Balkan-Ländern und im Nahen Osten als Marke aktiv. 90 Prozent der Kapazitäten werden für die eigene Marke genutzt, die restlichen 10 Prozent der Produktion für andere Labels in Frankreich und Deutschland. Außerdem sei das Verhalten der europäischen Kundschaft anders als in den Märkten, in denen das Unternehmen mit seiner eigenen Marke erfolgreich ist. Trotzdem will Ar-ma diesen neuen Markt für sich erschließen und erforscht das Konsumverhalten.

Ar-ma auf der IFCO. Foto: FashionUnited

2,2 Milliarden US-Dollar Bekleidungsexporte nach Deutschland

Die türkische Bekleidungsindustrie hat in den ersten sechs Monaten des Jahres ein Volumen im Wert von 12,4 Milliarden US-Dollar weltweit exportiert, zeigen Zahlen des Istanbuler Verbands für Bekleidungsgexporte. Alleine Waren im Wert von 7,7 Milliarden US-Dollar gingen in die EU. Im Vorjahresvergleich betrug das Wachstum je 11,6 Prozent beziehungsweise 14,7 Prozent. In diesem Jahr erwartet der Verband ein Exportvolumen in Höhe von 23 Milliarden US-Dollar. Das Ziel ist es, diese Exporte zu verdoppeln.

„Als IHKIB haben wir unser Ziel nach der Pandemie erhöht. Wir wollen unsere Konfektionsexporte mittelfristig auf 40 Milliarden US-Dollar steigern”, sagte Mustafa Paşahan, der stellvertretende Vorsitzende des IHKIB-Verwaltungsrats. Besonders die Messe werde dabei helfen, das Ziel zu erreichen, so Paşahan.

Um die Exporte zu fördern, bietet die Istanbul Fashion Connection auch Seminare und Vorträge an, die sich mit Nachhaltigkeit, Trends sowie exportrelevanten Themen wie dem Eintritt in den internationalen Modemarkt beschäftigen.

Deutschland liegt bei den Exporten der türkischen Bekleidungsindustrie an erster Stelle, vor Spanien, dem Vereinigten Königreich, den Niederlanden, Frankreich und den USA. 2020 wurde Bekleidung im Wert von 3,1 Milliarden US-Dollar aus der Türkei nach Deutschland exportiert. Im Folgejahr waren es 3,5 Milliarden US-Dollar – eine Steigerung um 13 Prozent. In den ersten sechs Monaten des laufenden Jahres liegen die Exporte bereits bei 2,2 Milliarden US-Dollar.

Fünf Marken für Europa und die Next Gen

Der türkische Modeverband will aber nicht nur mit bestehenden Marken in westlichen Ländern stärker vertreten sein, sondern auch neue etablieren. Das offizielle Ziel ist es, fünf neue Marken aufzubauen, die zu den internationalen Shootingstars der türkischen Bekleidungsindustrie werden.

Um die eigenen Marken bereits in den Kinderschuhen zu fördern, gibt es seit 2007 die Istanbul Moda Akademisi (IMA). Die Modeschule wurde vom Verband mit Hilfe des “Instrument for Pre-Accession Funds I” gegründet, einem Förderprojekt der EU für EU-Kandidatenländer.

Stücke von IMA-Studierenden. Foto: FashionUnited

Studierende können an der Akademie neben Modedesign, auch die Studiengänge Modemanagement, Mode-Technologie und Product Development sowie Fashion Communication und Media belegen. Außerdem werden auch einige zusätzliche Kurse wie Styling, Modeln und Modejournalismus angeboten. Etwa drei von 20 Absolventin:innen des Design-Kurses der IMA gründen ihr eigenes Label, der Rest bewirbt sich auf eine Stelle in der Modeindustrie.

Besonders herausragende Talente werden anschließend vom Verband gefördert und nach London geschickt, um am London College of Fashion zu studieren. Als Teil des New-Gen-Programms kehren die Designer:innen dann nach Istanbul zurück und zeigen ihre Kollektionen bei der ‘New Gen by IMA’-Show während der Istanbul Fashion Week.

Video: IMA via YouTube

Um die Branche mit den Nachwuchsdesigner:innen bekannt zu machen und mit der Modeschule zusammenzuführen, ist die IMA auch mit einem eigenen Stand auf der IFCO vertreten. Neben Informationen über die Ausbildung gibt es auf der Messe auch eine Trendzone, die von der IMA kuratiert wird. Dieses Mal wurde der Bereich nach den vier Themen „Filter Reality“, „Unity“, „Belle Epoque“ und „Metaheuristic” unterteilt. Die inspirierenden Farben, Formen und Materialien begeisterten nicht nur die Besuchende, sondern lockten auch die Aussteller:innen von ihren Ständen.

Trendzone der IMA auf der IFCO. Fotos: FashionUnited
Trendzone der IMA auf der IFCO. Fotos: FashionUnited

Die Pläne der IFCO für Februar 2023

Für die nächste IFCO im Februar 2023 erwarten die Veranstalter wie bei der ersten Ausgabe mehr als 600 Ausstellende. Die Februar-Ausgabe fällt wegen der saisonalen Schwankung – durch Produkte wie Jacken, die mehr Umsatz bringen – größer aus, als die aktuelle Sommerausgabe, mit der Hälfte der Aussteller und einer deutlich kleineren Präsentationsfläche.

Außerdem werden im Februar auch Lingerie sowie Braut- und Abendmode gezeigt, die sich in einer eigenen Halle präsentieren. Der Bereich wird in der Türkei saisonal nur einmal im Jahr präsentiert. Eine zusätzliche Halle wird es ab Februar 2023 auch für den Bereich Sourcing geben.

FashionUnited wurde von den Veranstalter:innen zur IFCO eingeladen.

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