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Von Comics bis Cyberspace – das sind die Helden der Pariser Männermodewoche

Von Ole Spötter

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Mode

Lustig, unterhaltend und modern: diese Labels nutzen die Gunst der Stunde der virtuellen Pariser Männermodewoche für die Saison SS21. Statt ihre digitale Präsentation hinten ins DVD-Regal zu räumen, erzählen Modelabels neue und spannende Geschichten, bei denen die Kleidung beinahe in den Hintergrund rückt.

Eine digitale Fashion Show bietet dank der heutigen Technik, fast endlose Möglichkeiten die eigene Kollektion visuell zu präsentieren. Gerade klassische Modehäuser, wie Dior oder Loewe entscheiden sich dabei oft für einen hochqualitativen Modefilm, der in Form einer Dokumentation, eines Werbeclips oder einer Laufsteg-Show umgesetzt wird. Dabei treffen eine traumhafte Paradieslandschaft, mit Wasserfall und Palmen, auf eine Retrospektive des Modehauses oder eine kulturelle Darbietung, wie eine Tanzaufführung, auf einander. Teilweise wirkt es so, als hätten die Marken ihr physisches Showkonzept mit Models und Laufsteg einfach nur gefilmt und die vielleicht einmalige Chance verpasst etwas anderes und nur virtuell Mögliches auszuprobieren.

Allerdings gibt es auch Marken wie Mihara Yasuhiro und Louis Vuitton, die sich auf das Abenteuer eingelassen haben und aus dem virtuellen Grabbeltisch, der fast 70 Shows der Pariser Männermodewoche, herausstechen. Warum eine Brand gerade mehr von einer Heldengeschichte hat, als von einer detaillierten Kollektionspräsentation, zeigen Kidsuper, Walter van Beirendonck und Cool ™.

Die Pariser Puppenkiste

Egal ob früher im Fernsehen oder heute auf Streaming-Plattformen: Zeichentrickfilme und Puppen, wie die Muppets, sind beliebt bei Klein und Groß. Das scheint auch für Designer zu gelten und so präsentierten Marken von Klein bis Groß ihre Animationen – Vorhang auf für die Pariser Puppenkiste.

Das Maison Mihara Yasuhiro ließ wortwörtlich die ‘Puppen tanzen’ und begleitete einen plüschigen Influencer am Tag der Modenschau des japanischen Labels: Aufwachen, Frühstück fotografieren, durch die Straßen von Paris bis zur Schlange vor dem Veranstaltungsort laufen und dann ab zur Show. Während des Videos trift der Zuschauer auf verschiedenste Charaktere, die üblicherweise auf einer Modenschau anzutreffen sind: Die PR-Beauftragte, die den Namen auf der Gästeliste überprüft, die Prominenten, mit denen alle Fotos machen wollen, die Show-Koordinatorin, die echte Models mit unkenntlichen Gesichtern auf den Laufsteg schickt oder die Modejournalistin, die sich Notizen in ihrem Block macht. Als letztes tritt der Designer, unter tobendem Applaus, auf die Bühne – natürlich auch an den Strippen die die Marionettenwelt bewegen.

Ein ähnliches Bild zeichnet sich bei Kidsuper ab, nur das die Puppen durch plastische Actionfiguren ersetzt wurden. Wie bei der amerikanischen Stopmotion-Sketch-Comedy-Sendung Robot Chicken treten hier Spielzeugfiguren in ein Rampenlicht, in dem sie normalerweise nicht unbedingt stehen. So schritten Sportler, wie der ehemalige Fußballspieler Pelé, Künstler, wie Freddie Mercury oder die Sängerin Jennifer Lopez über den Laufsteg. Auch unter den Gästen waren zahlreiche bekannte Gesichter, wie die Obamas und Anna Wintour anwesend. Am Ende kommt, wie bei Yasuhiro, Kidsupers kreativer Leiter Colm Dillane auf den Runway und hält eine kurze Rede: „Leute sagen, dass die Modewelt mit falschen und plastischen Menschen gefüllt ist, doch wir haben ihnen das Gegenteil bewiesen. Es ist unser erstes Mal im offiziellen [Fashion Week] Kalender und wir haben es auf unsere Art gemacht.” Mit diesen Worten rundet das Label das ironisch-komödiantische Konzept der Show ab. Das Schlusswort hat allerdings Frau Wintour, die Kidsuper als Trendmarke labelt.

Walter van Beirendonck nimmt diesen modernen Ansatz der Actionfigur, um seine historische Inspiration umzusetzen: Der belgische Designer ließ sich, wie Diors Couture Präsentation, vom Théâtre de la Mode inspirieren. Dabei handelt es sich um eine Wanderausstellung nach dem Zweiten Weltkrieg, die mit gestylten Puppen durch die Gegend zog. Statt einem zauberhaften Märchen gibt es eine 360-Grad-Sicht der Mannequins, die die detailreiche Kollektion präsentieren. Die einzelnen Looks sind mit einem Superhelden-Namen versehen und wie die Spielzeug-Vorbilder mit Gadgets ausgestattet: ‘The Magician’ ist in einen großen Regenmantel gehüllt, der ihm einen mysteriösen Touch gibt und der ‘Mirror Man’ trägt eine blaue Jacke mit integrierten Spiegeln.

Modecartoon statt llustrationen

Louis Vuitton nutzt die Präsentation, um seine Pläne hin zu einem saisonlosen Modekalender zu skizzieren. Dafür gehen Fabelwesen auf eine Schiffsreise, die das neue Wandermodell der Laufstegshow wiederspiegeln soll.

Das japanische Label Doublet bedient sich an Cartoon-Sounds und gezeichneten Effekten, die dem Film einen humorvollen Touch geben. In der Hauptrolle befindet sich ein bunt gemusterter Teddybär, der gerne Weihnachten und Geburtstag feiert. Er ist ein so großer Fan der Feiertage, dass er den ‘Nicht-Geburtstag’ einführt und die Menschen beschenkt. Diese dürfen sich, in einer Art 80er Werbung für Weihnachten, mit strahlenden Gesichtern über die neue Kollektion freuen. Außerdem rettet er als Ringträger eine Hochzeit, in dem er dem Paar eine Jacke mit integriertem Ring übergibt, die dann zum Teil der Ringzeremonie wird. Der Abspann zeigt neben den Mitwirkenden das Lookbook, welches wie nach einer Komödie die lustigsten Szenen zeigt.

Digitale Chancen nutzen

Neben den verspielten und humorvollen Kurzfilmen gab es auch Modelabels, die die moderne Technologie der Visualisierung genutzt haben, wie es viele von einer digitalen Modewoche erwartet haben.Das Pariser Label Cool ™ folgte, wie unter anderem auch Rick Owens, dem Backstage-Trend, den Gucci, noch in physischer Form für Herbst/Winter 2020/21 startete. Dafür nutzt die Marke VR-Technik, die auch ohne eine spezielle Brille funktioniert. Gezeigt wurde ein Einblick in die Filmarbeiten für die Kampagne der aktuellen Kollektion. Zuerst ist der Zuschauer in einem Kinosaal, zwischen zwei Popcorn essenden Models, bis er ans Set gebeamt wird und in verschiedene Shooting-Szenen integriert wird. Die Kollektion für SS21 hat, aber im Gegensatz zur Technik, eine wilde Mischung aus 70er und 90er Elementen.

Das Streetwear-Label Andrea Crews steht für einen innovativen Upcycling-Couture Gedanken, der auch in eigenen Workshops vertieft wird. Die aktuelle Präsentation ist ein simpel animiertes Video mit dem Titel Digital Catwalk. Dabei laufen die ‘Models’ mit unpropoziall animierten Körpern über den Laufsteg. Die Kollektionsvielfalt hält sich dabei auch in Grenzen: Es werden mehrere Spruch-T-shirts mit Drucken, wie “Green is the new punk” oder “We are our choices”, präsentiert. Am Ende des 54-Sekunden-Videos ist die Aufforderung zu lesen, den Filter herunter zu laden und sich selbst zum Catwalk hinzuzufügen. Wo das allerdings möglich ist, sagt das Video nicht.

Bei einer traditionellen, physischen Modenschau wird Kleidung zusammen mit einem Konzept präsentiert – der Zuschauer soll nicht nur die neue Kollektion begutachten, sondern auch die Message des Labels hautnah und emotional erleben. Auch wenn die hochqualitativen Werbefilme dieser Pariser Modewoche nicht erkennen ließen, aus welchem Material das Kleidungsstück ist oder seine tatsächliche Farbe – mit Superhelden und Zeichentrickfilmen haben es einige Brands dennoch geschafft dem Zuschauer ein gewisses Fashion-Week-Abenteuer zurückbringen und keine alte Kassette abzuspielen.

Foto: Maison Mihara Yasuhiro

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