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Berliner Modemessen: erfolgreiche Woche, unsichere Zukunft

Von FashionUnited

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Wie es mit Berlin als Modestadt weitergehen wird, ist seit dem vergangenen Dienstag unsicherer denn je. Da hatte Karl-Heinz Müller, der Chef der Messe Bread & Butter, angekündigt, mit seiner Veranstaltung im kommenden Winter nicht mehr in die Hallen des ehemaligen Flughafens Tempelhof

zurückzukehren. Die weltweit renommierteste Messe für Denim und Urbanwear wird dann wieder auf dem Messegelände von Barcelona Station machen, dort also, wo sie schon vor ihrer Rückkehr nach Berlin im Sommer 2009 einige Jahre lang stattgefunden hatte. Zudem kündigte Müller an, im Herbst 2015 erstmals auch in der südkoreanischen Hauptstadt Seoul eine Bread & Butter zu veranstalten. Nach Berlin, so ließ er wissen, werde die Messe dann im kommenden Sommer zurückkehren. Aber die Zeiten, als Berlin und die Bread & Butter eine unverbrüchliche Einheit zu bilden schienen, sind seit einigen Tagen vorbei.

Dass Müller mit dem Standort Berlin nicht mehr ganz so glücklich war, hatte er bereits mehrfach angedeutet: Zu viele Veranstaltungen, die die Aufmerksamkeit der Einkäufer unnötig strapazierten, gebe es während der Modewoche inzwischen. Besonders die Panorama, die von der Messegesellschaft des Landes Berlin geförderte Plattform für das volumenstarke Mittelsegment, die im Januar 2013 ihre Premiere feierte, war Müller ein Dorn im Auge. Insofern kam seine Entscheidung nicht überraschend – zumal die Bread & Butter zuletzt aus unterschiedlichen Gründen wichtige Aussteller verloren hatte und auch nicht mehr so viele Besucher anzog, wie bei den ersten Veranstaltungen nach der Rückkehr in die deutsche Hauptstadt.

Was Müller an der Situation in Berlin kritisierte – die Tatsache, dass der Standort inzwischen mindestens für den umsatzträchtigen deutschen Markt so wichtig ist, dass immer mehr Messeveranstalter versuchen, einen Teil vom Kuchen abzubekommen –, zeigt aber auch, dass die Stadt ohne die Bread & Butter, die in ihren besten Zeiten allein fast 100.000 Fachbesucher in die Stadt zog, als Modemetropole nicht vor dem Abgrund steht. Sie wird wohl nur mit geringeren Besucherzahlen auskommen müssen und ein anderes Profil bekommen.

Dank der Erfolge von Premium und Panorama ist der Messestandort Berlin deutlich stärker aufgestellt als 2009

Denn da ist ja zum Beispiel die Premium. Die Macher der bestsortierten Modemesse Deutschlands ließen sich nicht davon beeindrucken, als die Bread & Butter vor Jahren zum ersten Mal nach Barcelona abwanderte, sie entwickelten ihre Veranstaltung weiter, und die wuchs zuletzt von Jahr zu Jahr und brach einen Besucherrekord nach dem anderen. Und da ist die von Müller gescholtene Panorama. Als sie vor anderthalb Jahren erstmals im abgelegenen Expo Center an der Baustelle des immer noch unvollendeten Großflughafens in Schönefeld an den Start ging, galt sie vielen als Fremdkörper – mit ihren soliden, großen Marken schien sie so gar nicht ins vermeintlich so coole Berlin zu passen. Aber in zwei Saisons an der Peripherie konnte sie sich unter nicht einfachen Bedingungen als feste Größe etablieren, und mit dem Umzug auf das zentralere Messegelände unter dem Funkturm in diesem Sommer machte sie einen weiteren Sprung. Um diese beiden Schwergewichte herum haben sich zahlreiche Spezialmessen und Showrooms angesiedelt, die deren Angebot geschickt ergänzen – nicht zuletzt im wachsenden Ökomode-Segment, das mit dem Green Showroom und der Ethical Fashion Show in Berlin außerordentlich stark vertreten ist.

Und während die Bread & Butter bei ihrer Rückkehr wie ein – äußerst erfolgreiches – Ufo in Berlin wirkte, da sie viele internationale Marken und Besucher in die Stadt zog, aber mit den heimischen Modeunternehmen praktisch keine Schnittmengen aufwies, sind Premium und Panorama in der Stadt verwurzelt. Sie wurden dort gegründet, sind nie weggegangen, und bei ihnen stellen die Marken aus, die auch auf der Mercedes-Benz Fashion Week den Laufsteg bevölkern.

Sicher werden ohne die Bread & Butter die internationalen Besucherzahlen in Berlin sinken, dafür erscheint die gesamte Modewoche homogener – zumal die verbliebenen Veranstalter umgehend ankündigten, künftig noch enger zusammenarbeiten zu wollen. Größere Effizienz könnte dem tatsächlich teilweise etwas chaotischen Treiben während der Fashion Week jedenfalls nicht schaden. Zudem ist der Modestandort Berlin mit dem Wachstum der Premium und dem Aufstieg der Panorama inzwischen stärker als 2009. Und so waren die Reaktionen zahlreicher Aussteller und Einkäufer auf die Entscheidung Karl-Heinz Müllers vielsagend: Viele wollen nun erst einmal überlegen, ob sie der Bread & Butter nach Barcelona folgen werden – oder ob es inzwischen nicht doch wichtiger ist, auch ohne die Megamesse weiter in Berlin Präsenz zu zeigen. Wie sie sich entscheiden, wird den Ausschlag geben, ob der Modestandort Berlin oder die Bread & Butter stärker unter Müllers Entscheidung leiden wird. Denn dass einer von beiden von der neuen Konstellation unmittelbar profitieren wird, ist eher unwahrscheinlich.

Foto: ©breadandbutter.com (Toni Kretschmer)
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