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Von multidisziplinären Künstler:innen bis zu kreativen Kollaborationen: Die neue Denim-Generation

Von Sylvana Lijbaart

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Mode |Interview

(V.l.n.r.) Trinity Williams, Jan de Vries, Bowie Klaassen und Anna-Mae van Gorkum. Bild: House of Denim

Die neue Denim-Generation zeichnet sich durch klare Strukturen aus. Unterstützt von der niederländischen Initiative House of Denim, einem Projekt, das sich der handwerklichen Kunst und Innovation rund um das Thema Denim widmet, setzt sich der Nachwuchs vielfältige Ziele.

Anna-Mae van Gorkum, Trinity Williams, Jan de Vries und Bowie Klaassen – aufstrebende Talente, die mit dem Jeansstoff arbeiten – sind das beste Beispiel dafür. Einige von ihnen wollen nicht nur die Denim-Industrie erobern, sondern auch nach Möglichkeiten in der Kunstwelt suchen. Andere setzen auf lehrreiche Zusammenarbeiten, um Erfahrungen zu sammeln. Sicher ist, dass es eine neue Generation von Denim-Designer:innen gibt, die zeigen möchte, was sie zu bieten hat. Doch was macht das Entwerfen mit Jeansstoff so interessant? FashionUnited hat bei den vier Jungdesigner:innen nachgefragt.

Der Text wird unter dem Bild fortgesetzt.

Anna-Mae van Gorkum. Bild: House of Denim

Anna-Mae van Gorkum (18), multidisziplinäre Künstlerin

Anna-Mae van Gorkum bezeichnet sich selbst als multidisziplinäre Künstlerin. „Ein schwieriger Begriff, oder?“, lachte sie. Für Menschen, die Kunst, Mode und Fotografie zusammenbringen wollen, scheint es jedoch die richtige Beschreibung zu sein. Van Gorkum träumt davon, ihre eigene Ausstellung für ein Museum in Paris zu gestalten. „Es scheint mir cool, meine Taschen, Fotos meiner Kreationen und Gemälde in einem Projekt zu vereinen. Das Gesamtbild zählt für mich.“

Van Gorkum brachte im Oktober 2023 ihr eigenes Label Maetrix auf den Markt – eine Modemarke mit einer außergewöhnlichen Vision, inspiriert von Fehlern und der Suche nach sich selbst.

Erzählen Sie uns mehr über Maetrix.

Van Gorkum: Maetrix ist aus Fehlern entstanden. Am Anfang hatte ich eine Idee: Ich wollte, dass meine Taschen nicht in sich zusammenfallen, wenn ich sie abstelle. Sie sollten aufrecht stehen bleiben. Also habe ich mit Stoffen und Materialien experimentiert, die den Jeansstoff steifer werden lassen. Dabei habe ich einige Fehler gemacht, wie das Schmieren von Substanzen auf den Jeansstoff, wodurch Risse entstanden. Anfangs gefiel mir das überhaupt nicht, aber es hat mich schließlich zu dem heutigen Design geführt.

Welches Material verwenden Sie für Ihre Entwürfe?

Das ist ein Geheimnis. (lacht)

Eine eigene Marke in so jungen Jahren zu gründen – wie ist das?

Super und undenkbar, aber nicht unmöglich. Ich kam im April letzten Jahres als Studentin ohne unmittelbares Ziel zu House of Denim. Ich hatte einen Traum, aber ich wusste nicht, wie ich ihn verwirklichen sollte. House of Denim hat mir dabei sehr geholfen, beginnend beim Design bis hin zum Aufbau meines Labels. Wenn ich dann sehe, wie sich mein Traum innerhalb eines kurzen Jahres erfüllt hat, hätte ich das nie erwartet.

Wie würden Sie sich als Denim-Designerin beschreiben?

Ich sehe mich als jemand, der in Sachen Denim etwas verändern will. Ich denke so kreativ wie möglich. Was ich entwerfe, sieht kaum noch wie Denim aus, sondern eher wie Leder. Designer:innen können vielleicht mit bloßem Auge leicht erkennen, dass es sich um Denim handelt, aber Leute, die nicht aus der Modewelt kommen, stellen diese Assoziation meiner Erfahrung nach eher selten her.

Der US-amerikanische Designer Rick Owens ist mein großes Vorbild. Ich mag vor allem die Formen, die er in seine Entwürfe einfließen lässt. Noch konkreter: Ich bin sehr inspiriert von seiner Zusammenarbeit mit dem Label Paradoxe Paris. Die ausgefransten Flicken haben einen sehr coolen Effekt. Das sieht man nicht so oft, also ist das genau mein Ding.

Was würden Sie zukünftigen Denim-Designer:innen mit auf den Weg geben?

Bleibe so motiviert wie möglich und versuche, so viele Kontakte wie möglich zu knüpfen.

Außerdem sollte man so viele Fehler wie möglich machen. (lacht) Es klingt verrückt, aber wenn man viele Fehler macht, lernt man viel. Ich bin genau deshalb hier – weil ich Fehler gemacht habe. Aus meinen Fehlern konnte ich sozusagen eine Tasche entwerfen.

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Trinity Williams. Bild: House of Denim

Trinity Williams (19), Denim-Designerin

Für die Designerin Trinity Williams ist Denim der Stoff, mit dem man am leichtesten arbeiten kann. „Denim gibt es in so vielen verschiedenen Formen; man kann ihn manipulieren, um ihn zu seinem eigenen zu machen, aber er ist auch auf seine eigene Art schön. Denim verändert sich auch mit dem Alter, er bleibt nie gleich.“ Und das bedeutet für Williams eine Menge kreativer Freiheit, denn Denim ist einfach „hart“.

Was war Ihr Einstieg in die Welt der Jeans?

Williams: Ich kam über House of Denim dazu. Im zweiten Jahr meines Modedesignstudiums musste ich ein Praktikum absolvieren. Das war vor etwa drei Jahren, danach bin ich hier geblieben. Hier habe ich alles über Denim gelernt. Außerdem wurde ich durch House of Denim in die Branche eingeführt. Es ist im Grunde ein außer Kontrolle geratenes Wohnheim, in dem alle Disziplin lernen und einen Schub in die richtige Richtung bekommen, den wir sonst nicht hätten. (lacht)

Welche Art Denim-Designerin sind Sie?

Ich spiele gerne mit Materialien und manipuliere sie. Es macht mir Spaß, Stoffe in etwas zu verwandeln, was sie vorher nicht waren. Dabei experimentiere ich viel mit Formen und Silhouetten, wobei der Körper eine große Rolle spielt. Ich habe auch angefangen, Anatomie und Physiologie zu studieren, weil ich den menschlichen Körper verstehen möchte, um wirklich schöne Kleidung für jeden Körpertyp zu entwerfen. Ich möchte Kleidung kreieren, die auf eine Art und Weise fällt, an die die Leute noch nie gedacht haben.

Außerdem möchte ich, dass die Leute, wenn sie meine Entwürfe betrachten, immer wieder neue Dinge sehen. Je länger man hinschaut, desto mehr sieht man. Wer meine Kleidungsstücke trägt, soll sich einfach wie ein Superheld fühlen.

Auf welchen Entwurf sind Sie besonders stolz?

Ehrlich gesagt bin ich stolz auf alles, was ich gemacht habe und noch tun werde. Meine erste Hose war ein großer Anfang für mich. Sie hat mir gezeigt, dass alles möglich ist. Man kann wirklich alles machen, was man will.

Wenn ich mich für ein Teil entscheiden müsste, wäre ich am stolzesten auf die 'Twenty Pocket Jeans'. Die Idee zu dieser Hose kam mir zu Beginn meines Praktikums bei House of Denim. Ich sollte ein Design entwerfen und hatte nur eines im Kopf: die Hose, die ich als Kind haben wollte. Damals wusste ich nicht, wie ich an ein solches Modell kommen sollte, und später dachte ich, dass ich es mir nie leisten könnte. Damals dachte ich: Wie kann ich diese Hose selbst machen, aber in einer besseren Version? Als ich dann hier [bei House of Denim, Anm. d. Red.] eine Jeans entwerfen sollte, wusste ich sofort: Ich kreiere diese Hose von damals, in diesen Farben, und ich appliziere Taschen darauf. Im Endeffekt gefällt mir diese 'Twenty Pocket Jeans' viel besser als die Hosen, die ich als Kind haben wollte. Der Schauspieler im niederländischen Krimi 'Hardcore Never Dies', Joes Brauers, trug diese Hose auch. Das ist wirklich cool.

Was ist Ihr größter Denim-Traum?

Letztendlich möchte ich alles über Denim wissen und alles damit machen können. Außerdem möchte ich den Modekalender, die Saisons und bestimmte Fristen außer Acht lassen. Kurz gesagt, ich will die Regeln der Modeindustrie loslassen. Ich will kreieren und veröffentlichen können, was und wann immer ich will. Ich möchte mir die Zeit geben, etwas wirklich Schönes zu machen, in das viel Zeit gesteckt wird, ohne dass ich dabei zerfetzt werde.

Ich sehe jetzt, dass sich alle gegenseitig imitieren – alle stecken in ihrer Komfortzone fest. Niemand traut sich, über den Tellerrand hinauszuschauen und macht das Gleiche, aber auf ‘originelle’ Weise. Die Botschaft, die ich später weitergeben möchte, lautet: Investiert Zeit in das, was ihr tut, bis ihr es ganz verstanden habt, und geht erst dann mit euren Projekten an den Start, wenn ihr zu 100 Prozent dahinter steht.

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Jan de Vries. Bild: House of Denim

Jan de Vries (19), Denim-Designer

Jan de Vries konnte sich im regulären Schulsystem nicht zurechtfinden. Er entsprach nicht den Ansichten der Lehrenden und das Niveau war nicht das, was er sich erhofft hatte. „Ich habe schon als Kind angefangen, Kleidung zu nähen, und hatte daher schon einige Erfahrung. Als ein zehnwöchiger Kurs von House of Denim angeboten wurde, ermutigten mich meine Mentor:innen, daran teilzunehmen.“ Seitdem hat De Vries House of Denim nicht mehr losgelassen und arbeitet nun für große Namen der niederländischen Modebranche wie Ronald van der Kemp und unterrichtet den Kurs ‘Make Your Own Jeans’ bei House of Denim.

Was hat Sie dazu bewogen, Denim-Designer zu werden?

De Vries: Ich habe seit meiner Kindheit mit Denim zu tun. Angefangen hat es mit dem Zuschneiden von Jeanshosen. Dann habe ich mich in Denim verliebt, weil ich gesehen habe, was man damit tun kann, obwohl der Stoff erst so simpel erscheint. Ich liebe es, mit ihm zu arbeiten.

Wie beschreiben Sie Ihren Designstil?

Ich fange immer mit etwas Kleinem an, meistens mit einem Reißverschluss. Darauf baue ich das Design auf. Mein Herstellungsprozess geht wirklich in alle Richtungen, und was ich zuerst im Kopf habe, sieht dann ganz anders aus.

Woher kommt Ihre Faszination für Reißverschlüsse?

Ich finde, dass ein Reißverschluss einem Kleidungsstück Charakter verleiht. Er ist etwas, das Aufmerksamkeit auf sich zieht. Oft verwende ich silberne Versionen, damit sie wirklich auffallen. Sie lassen das Kleidungsstück rauer aussehen, ein bisschen härter.

Wer ist Ihre Inspirationsquelle?

Rick Owen – er arbeitet nicht unbedingt mit Denim, aber dafür mit Reißverschlüssen. Ich mag auch die Arbeit des belgischen Modehauses Ann Demeulemeester. Die Silhouetten dieses Labels sind einfach wunderschön, und es wird darauf geachtet, wie Nähte zusammenlaufen. Daran arbeite ich selbst viel.

Du arbeitest mit Ronald van der Kemp zusammen. Wie kam es dazu?

Das war ganz natürlich. (flüstert) Diese Zusammenarbeit verdanke ich wirklich House of Denim. So eine Verbindung kommt nicht einfach so zustande. House of Denim hat mir viele Möglichkeiten gegeben, Ronald zu unterstützen.

Ronald fragte mich, ob ich bei der Stoffverarbeitung für eine Ausstellung in Paris helfen könnte. Zusammen mit ein paar Interessent:innen machte ich mit. Am letzten Tag, als wir fast alles fertig hatten, ging ich zu ihm, um alles abzuliefern. Dort sah ich, dass etwas nicht stimmte, und fragte ihn, ob ich noch etwas für ihn tun könne. Er meinte, dass die Jacke, an der ich gerade arbeitete und für die ich nur den Stoff bearbeitet hatte, am nächsten Tag nach Paris gebracht werden sollte. Ich bin abends mit dem Fahrrad in mein Atelier zurückgefahren, um daraus die verlangte Jacke zu fertigen. Ich habe bis spät in die Nacht daran gearbeitet und bin dann zu Ronald geradelt. Er bemerkte dann: ‘Ich finde es toll, wie du das mit Leidenschaft machst und bis spät in die Nacht für mich daran gearbeitet hast. Du wirst wieder von mir hören.’ Und so kam es dann auch: Wir haben die letzte Show des US-amerikanischen Labels Steve Madden bei der Amsterdam Fashion Week zusammen organisiert.

Was sind Ihre Ziele für die Karriere als (Denim-) Designer?

Ich habe mein eigenes Label, Mabi Jeans, und ein Atelier, in das ich meine Kund:innen einlade. Dort messe ich sie ab, trinke einen Kaffee und schaue, was ihnen gefällt. Ich fertige ein Kleidungsstück nach einer Zeichnung oder einem Entwurf der Kund:innen. Das würde ich am liebsten immer so machen und nie eine ganze Kollektion produzieren lassen. Dabei möchte ich alles selbst in der Hand haben und mit meinen Kund:innen interagieren.

Was möchten Sie in die Denim-Welt einbringen?

Entwickelt die perfekten Jeansteile und hört auf, Fast Fashion in großen Mengen zu produzieren. Ich möchte, dass alle ein bestimmtes Kleidungsstück lieben, weil es so schön ist. Ja, man bezahlt dafür, aber dann hat man ein Teil für die Ewigkeit. Es hält ein Leben lang und landet nicht auf der Mülldeponie.

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Bowie Klaassen. Bild: House of Denim

Bowie Klaassen (22), Denim-Designer

Bowie Klaassen ist ein Mauerblümchen und, wie er selbst sagt, ein Chaot. Als er in die Welt der Jeans eintrat, begann er auch, sich selbst zu erforschen. Nicht umsonst ist seine Arbeit von seinem eigenen Lebensweg inspiriert. Das zeigt sich unter anderem in seinen Kreationen aus Gürteln und Stoffresten.

Wie sah Ihr erster Denim-Entwurf aus?

Klaassen: Ich fing an, mit Patchwork zu arbeiten, wofür ich eine Menge Stoffreste verwendete. Am Anfang sammelte ich all diese kleinen Flicken vom Boden oder neben der Nähmaschine auf. Daraus habe ich meine allererste Hose genäht.

Ihre Designs sind von Ihrer persönlichen Reise inspiriert. Haben Sie deshalb angefangen, mit Denim zu arbeiten?

Das ist wahr. Meine Entwürfe entstehen immer aus dem, was in meinem Leben passiert. Je öfter man Denim trägt, desto mehr verändert er sich. Das liebe ich daran.

Stell dir vor, du besitzt eine Patchwork-Hose. Je öfter du sie trägst und wäschst, desto mehr franst sie aus und die Farben verändern sich. Schließlich hast du alle möglichen Stoffarten in der Hose, die ganze Struktur der Hose verändert sich. Das ist großartig.

Wie entwerfen Sie ein Kleidungsstück?

Ich sehe mir viele alte Filme und ziehe Inspiration aus Dingen, die ich erlebe. Neulich habe ich den Film ‘Edward Scissorhands’ gesehen. Dies passte perfekt, da ich selbst hypermobil bin, denn meine Hände sind oft krumm. Ich habe dann einen Entwurf ausgearbeitet.

Ich habe auch einen Anzug mit Trägern für die niederländische Ausstellung ‘Bluest Monday’ gemacht. Das bezieht sich auf mich selbst, denn ich bin ein Mauerblümchen – oft ist man sehr verschlossen. Daher trägt mein Label auch die englische Bezeichnung 'Wallflower'.

Wie sieht das perfekte Denim-Design für Sie aus?

Etwas mit möglichst vielen Resten und mit vielen Ausfransungen. Es muss chaotisch sein und eine raue Kante haben. Dann bin ich rundum zufrieden.

Wonach streben Sie als Denim-Designer?

Ich möchte vor allem etwas vermitteln: Nicht alles und alle müssen in eine Schublade gesteckt werden. Heutzutage etikettiert man alles, wie von welcher Marke ein Kleidungsstück ist. Das ist überhaupt nicht nötig. Man sollte man selbst sein können und etwas Schönes finden, das man gerne trägt. Mode ist Identität.

Dieser Artikel erschien ursprünglich auf FashionUnited.nl. Übersetzt und bearbeitet von Heide Halama.

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