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Heicho: "Handarbeit ist voll im Trend"

Von FashionUnited

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INTERVIEW_ Auf der Suche nach ungewöhnlichen, innovativen Marken stieß FashionUnited diesmal auf ein Schweizer Unternehmen, das Individualität noch groß schreibt. Heicho (ausgesprochen mit hartem 'ch' wie in lachen) ist ein nicht ganz typisches Berner Unternehmen. Statt Massenware

werden hier bezahlbare Unikate angeboten, frei nach dem Motto 'jeder Mensch ist ein Unikat, der es auch verdient, Unikate zu tragen'. Zudem soll die Produktion von Modeartikeln und Accessoires in der Schweiz wieder belebt werden. 

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cycling und Mass-Jeans aus der Schweiz

Deshalb findet man Mass-Jeans und Handtaschen aus den verschiedensten Materialen (z.B. Fahrrad- oder Traktorschläuchen), Accessoires und Geschenkartikel im gemütlichen Berner Laden, einer typischen Kellerboutique, die auf Herz setzt – Heicho heißt 'nach Hause kommen' auf Schweizerdeutsch. "Unsere Kunden sollen sich wohlfühlen" erklärt Geschäftsführer Mike Carton im Gespräch mit FashionUnited. "Die meisten werden mit Namen angesprochen. Heicho ist kein Grossunternehmen, sondern ein kleines, hübsches Ladengeschäft mit einer Plattform für Schweizer Designer und mit herzigen Produkten."

Die Marke mit der grinsende Giraffe als Logo (die sich aus dem Schriftzug ergeben hat) ließ zunächst in Asien fertigen, stellte aber mangels Qualität und Quantität nach ein paar (frustrierenden) Jahren auf die heimische Produktion um. Im Dezember letzten Jahres bzw. Anfang dieses Jahres wurde eine Schneiderin gesucht und gefunden. Und jetzt ist alles 'gmacht z' Bärn' (also in Bern hergestellt).

"Die Arbeit macht der Christine, unserer Schneiderin, großen Spaß, weil sie direkt am Prozess beteiligt ist. Derzeit kommen wir noch mit einer Schneiderin aus, weil wir gesund wachsen wollen. Was bringt es schnell zu wachsen, wenn man dann in ein paar Jahren nicht mehr mithalten kann. Wir haben in 2015 andere Pläne zum Größerwerden," sagt Mike

Heicho fördert Schweizer Design und Produkte

Und die sehen so aus, noch mehr Produktivität in der Schweiz zu fördern. "Zu planen, wie man es umsetzen kann, da es nicht einfach ist, das in der Schweiz zu etablieren, die ganze Industrie wandert ab und wir schwimmen eigentlich gegen den Strom. Aber: die Produktion in der Schweiz ist sehr kreativ und wir wollen mit unserer Arbeit einen 'Butterfly Effekt' erreichen und somit den Produktionsstandort Schweiz stärken", findet Mike.

"Und unsere Produkte müssen immer handgemacht sein. Da haben wir gedacht, warum weiten wir das nicht regional aus und haben Schweizer Designer angeschrieben. 90% haben gesagt: super, super, super und brachten uns ihre Waren. Wir berechnen ihnen auch nichts, ihre Ware auszustellen; die Verkaufsfläche ist gratis und wir nehmen dann bei Verkauf eine Provision. Pascale vom Team Heicho hatte kürzlich eine weitere Idee. Vor zwei Wochen haben wir einen Kreativpreis ausgeschrieben und jetzt bekommen wir fast jeden Tag ein oder zwei Päckchen mit spannenden Kreationen darin."

Also wie ein frühes Weihnachten? "Genau," lacht Mike. "Und da ist alles dabei - vom Kleinstprodukt bis zur Antiquität, die einfach ein zweites Leben bekommen hat. Und auch hier gehen wir gegen den Trend, der ja leider oft heißt: lieber wegschmeißen als reparieren."

Das sieht man ja leider auch in der Modebranche, wenn Verbraucher lieber neue Kleidungsstücke kaufen, die nach dem ersten Tragen auseinanderfallen, dies aber zugunsten von mehr Auswahl in Kauf nehmen.

Der Trend geht zur Produktion in Europa

"Es gibt ja Trends, die Produktion zurück nach Europa zu bringen, das ist ja schon einmal ein Anfang. Für mich hat das zwei Seiten: die Produktion und die Endkunden. Die Produktion wird immer billiger, weil die Kunden ständig Rabatte erwarten, auf der anderen Seite leidet die Qualität und die Kunden bezahlen eigentlich mehr, da sie ständig Neues kaufen müssen. Das heißt, sie werden eigentlich für dumm verkauft, ohne es zu merken. Außer vielleicht durch die Presse, die etwas aufdeckt."

Zur Jeansproduktion führt Mike aus: "Wir benutzen Bio-Denim, der zertifiziert sein muss. Dafür gibt es Stellen, die das prüfen. Wir haben einen hohen Standard, und den möchten wir auch beibehalten. Unsere Baumwolle kommt aus der Türkei, aus Indien und China, da Baumwolle bekanntlich (noch) nicht in der Schweiz wächst. Wir haben uns bewusst für mehrere Quellen entschieden, da wir nicht von einem Lieferanten abhängig sein wollen."

Die Fertigung erfolgt dann zu 100% Made in der Marktgasse, also alles in Bern. Christine schneidert nach einem Treffen mit dem Kunden oder der Kundin die Jeans nach Vorlage. Zukünftig darf man sich auch auf Experimente mit verschiedenen Stoffen freuen.

"Es gibt auch andere Richtlinien, bei denen man auf Hanf oder Leinen umstellen kann, das machen zum Beispiel die Gebrüder Freitag aus Zürich, die haben wir jetzt angeschrieben. Bis jetzt haben wir aber erst eine Hanfhose verkauft, denn die Leute wollen Jeans mit 'richtigem' Jeansstoff. Aber das heißt ja nichts; beim Umdenken muss eben einer anfangen."

Umdenken und Kreativität sind wichtig

Und durch das Umdenken kam auch Heicho zustande: Die ursprüngliche Idee war, ein Kellergeschäft mit Mode, Licht und Kunst anzubieten. "Damals haben wir mit einfachen Jeans und selbst kreierten Lampen angefangen. Dass der Jeansmarkt so gross war bzw. ist, wussten wir anfangs nicht, aber dann haben wir uns auf Jeans, Mode, Accessoires und Taschen konzentriert", sagt Mike.

Und es sollten nicht irgendwelche Jeans sein, sondern Jeans, die passen. So entstand die Idee mit den Mass-Jeans, und Heicho ließ von zwei Firmen Jeans auf Mass in Asien produzieren. Mike war aber mit der Qualität zum Preis von 149 Franken (rund 124 Euro) nicht zufrieden und entschied sich nach einiger Recherche für die jetzige Lösung. Die derzeitige Mass-Jeans kostet 250 Franken (rund 208 Euro), wird aber individuell angepasst und mit liebevollen Details versehen. "Wir wollten neue Sachen ausprobieren, die man auch zu fairen Preisen weiterverkaufen kann," so Mike.

Kümmert es die Endverbraucher, wo ihre Kleidung herkommt? "In der Schweiz kümmert es die Verbraucher im Moment nur bei Jeans und Nahrungsmitteln, wo diese herkommen. Da sagt der Schweizer: 'Ich kaufe lieber regional'. Besonders Fleisch, Obst, und Gemüse und gibt dafür auch mehr Geld aus. Ein Umdenken hat schon stattgefunden, aber zunächst nur in ganz kleinem Ausmass."

Mike verweist hier auf den Ursprung des derzeitigen Dilemmas, das Kunden ständig nach Rabatten und Ausverkäufen Ausschau halten lässt. Seit der Liberalisierung des Ausverkaufs 1995 war dies nämlich nicht so. Laut Gesetz durfte es einen Ausverkauf nur zwei Mal im Jahr für 14 Tage geben, jeweils zum Saisonwechsel, um alte Bestände loszuwerden. Dieses Gesetz wurde aber aufgehoben und seitdem gibt's den Abwärtstrend, wie Mike ihn nennt. "Die Kunden erwarten Discounts und die Händler machen alles gleich teurer, um dann Rabatte anbieten zu können", erklärt er eine beliebte Vorgehensweise.

Was ist seine Antwort, wenn Kunden in den Laden kommen und sagen 'viel zu teuer'? "Ich verweise auf den Mindestlohn der Schneiderin und damit sind erstmal die ersten Fragen beantwortet," sagt Mike. "Dann gebe ich zu bedenken, dass die Kunden ja selbst mehr verdienen als den Mindestlohn. Das heißt, sie könnten sich die Produkte leisten, sind aber nicht bereit, mehr auszugeben."

Die Kunden akzeptieren, dass bei Heicho Artikel auch schon einmal vergriffen sein können. Sie wissen, dass es Unikate sind, die es vielleicht wieder gibt, einige vielleicht nie wieder, da sie aus alten Büchern, wiederverwertetem Leder oder alten Planen gemacht werden.

Die persönliche Note ist wichtig bei Heicho, das merkt man an den Videos auf der Website, auf der sich die Mitarbeiter vorstellen und bewusst Schweizerdeutsch reden. "Das Feedback ist super. Wir wollen Emotionen wecken und die Kunden mögen das", erklärt Mike.

Und wie beim Fast Fashion-Konzept schauen auch hier die Kunden alle zwei Wochen herein, um zu sehen, was neu ist. Nur mit dem Unterschied, dass hier alles in Handarbeit gefertigt wurde und oft wiederverwertete Materialien benutzt wurden. „Handarbeit ist heute nicht mehr altbacken, sondern voll im Trend!“ bestätigt Mike. Zudem bestimmen die Designer das Programm, während Heicho auf eine gesunde Mischung achtet. Und das ist doch mal ein innovatives Konzept.

Fotos: Mass-Jeans von Heicho, Heicho-Laden, Kreativarbeit (mit freundlicher Genehmigung von Hansueli Schärer Fotografie)

heicho
hergestellt in der schweiz
Made in Europe
mass-jeans