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Hertie ist endgültig Geschichte

Von FashionUnited

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Verwaiste Gänge, leere Regale und spärliche Restbeleuchtung – wer am vergangenen Samstag in eine der noch verbliebenen Hertie-Filialen schaute, bekam den Blues einer der spektakulärsten Firmenpleiten der vergangenen Monate hautnah zu

spüren. Am Samstagabend schlossen sich die Türen der ehemals beliebtesten deutschen Kaufhauskette dann zum letzten Mal, das Traditionsunternehmen ist seitdem Geschichte.

Vorangegangen war eine lange Leidensgeschichte. Bereits Anfang 2008 funktionierte das angestammte Verkaufskonzept nicht mehr, Warensortiment und Präsentation lockten nur noch wenige Stammkunden in die 73 Hertie-Häuser. Gleichzeitig geriet der britische Haupteigentümer Dawnay Day in arge finanzielle Bedrängnis. Die Folge: Hertie musste am 31. August 2008 Insolvenz anmelden. Von Konzernseite hieß es damals, man wolle nun die Rentabilität einzelner Filialen überprüfen. Hertie-Insolvenzverwalter Biner Bähr erklärte jedoch schon vor einem Jahr, dass die Schließung der kompletten Warenhauskette unvermeidbar sei, wenn sich Dawnay Day, der neben seiner Rolle als Hertie-Gesellschafter auch Eigentümer der meisten Warenhäuser war, nicht zu drastischen Mietsenkungen bereit erkläre. Ganze 20 Prozent des Umsatzes musste Hertie an Dawnay Day abführen, was etwa dem vierfache des marktüblichen Satzes von fünf Prozent entsprach.

Aber die Briten bestanden auf die Fortführung der bisherigen Zahlungen, sehr zum Ärger des Insolvenzverwalters Bähr, der Dawnay Day als „Heuschrecke“ bezeichnete, die über die Mieten Geld aus dem Unternehmen ziehe, ohne zu investieren. Das Land Nordrhein-Westfalen wollte sogar mit einem Kredit einspringen, um Hertie zu retten. Bedingung hierfür waren jedoch ebenfalls finanzielle Zugeständnisse seitens des Investors. Der wollte die City-Immobilien jedoch weiter gewinnbringend vermieten und sich so aus seiner eigenen finanziellen Misere befreien. Die Folge: Es wurde kein Investor gefunden, der in die angeschlagene Kaufhauskette investieren wollte.

Nun ist also Schluss, am 16. August 2009 gingen in den noch verbliebenen Hertie-Häusern bundesweit endgültig die Lichter aus und über 2.600 Mitarbeiter verloren auf einen Schlag ihren Job, nachdem in den letzten Monaten bereits 800 von ihnen gehen mussten. Damit endet eine über 100-jährige Erfolgsgeschichte, die am 1. März 1882 mit dem ersten Kaufhaus des Firmengründers Oscar Tietz begonnen hatte.

Gescheitert ist damit jedoch nicht nur Hertie selbst, sondern das gesamte Warenhaus-Konzept. Ehemalige Innenstadt-Flaggschiffe wie Woolworth oder SinnLeffers sind bereits von der Bildfläche verschwunden, und auch der langjährige Branchenprimus Karstadt musste bereits Insolvenz anmelden. Wehmeyer wurde zwar durch einen indischen Investor vorläufig vor dem Aus bewahrt, musste sein Filialnetz jedoch um ein Drittel verkleinern.

Hält diese Entwicklung weiter an, werden die klassischen Kaufhäuser schon bald ganz aus deutschen Fußgängerzonen verschwunden sein. Ihren Platz nehmen nun vermehrt moderne Shopping-Center ein, die dem Wunsch der Kunden nach zeitgemäßer Waren- und Markenvielfalt eher zu entsprechen scheinen. Eine Tendenz, die bereits vor Jahren mit dem Entstehen großer Outlet-Center auf der grünen Wiese begann und die sich nun auf die City-Regionen der Großstädte ausbreitet.

Nur die ehemaligen Mitarbeiter der Warenhäuser profitieren davon bislang nur wenig. Ihr Know-How ist in den neuen Einkaufstempeln meist nicht mehr gefragt, da auch sie den Anforderungen der jungen Kundschaft oft nicht mehr entsprechen. Eine Verödung der Innenstädte, wie von etlichen Politikern befürchtet, wird es jedoch trotz des Kaufhaussterbens nicht geben. Die Immobilien sind weiterhin gefragt, und es entstehen neue Geschäfte, Markenstores und Boutiquen. Das Leben geht also weiter, auch ohne Hertie und Co.

Foto: Hertie

Hertie