• Home
  • V1
  • Leads
  • Interview: Wie man den indischen Luxusmarkt erobert

Interview: Wie man den indischen Luxusmarkt erobert

Leads
Von FashionUnited

Wird geladen...

Scroll down to read more

E

in gerade veröffentliches Buch, “The Luxury Market in India: Maharajas to Masses” (Palgrave Macmillan), will den Weg für internationale Luxusmarken in Indien ebnen und die Fragen beantworten, die entscheidend sind, um das Potential

des indischen Luxusmarkts zu erschließen.

Ob
wohl das Buch bislang nur auf Englisch vorliegt, hatte FashionUnited die Gelegenheit, den beiden Herausgebern Glyn Atwal und Soumya Jain ein paar Fragen zu stellen, die auch für den deutschen Markt sehr interessant sind. Hier ist das ungekürzte Interview:

FashionUnited: Was ist Ihrer Meinung nach so besonders am indischen Luxusmarkt?

Soumya Jain, Chefredakteurin und CEO von LuxuryFacts, dem ersten Online-Magazin für Luxus in Indien: Der indische Luxusmarkt ist einzigartig, charakteristisch, riesig, und wie wir sagen würden, etwas verwirrend für internationale Marken. Die Vielfalt des indischen Markts ist es schließlich, die viele Luxusmarken hierher lockt, sie aber letztendlich auch wieder vertreibt.

Die indische Kundschaft des Luxussegments variiert in ihrer Denkweise, ihren Ansprüchen und der Art, einzukaufen, je nach Ort, Altersgruppe, Erfahrung mit dem Konsum von Luxusartikeln, Bildung und natürlich Einkommen. Es mangelt nicht am Geld, aber es ist nicht einfach, alle Luxuskäufer mit einer Strategie zu gewinnen. Indische Kunden sind klug und recht anspruchsvoll in dem, was sie von einer Marke oder einem Produkt verlangen, wenn sie solch einen Preis dafür bezahlen.

FashionUnited: Und was hat sich in den letzten 10 bis 15 Jahren verändert?

Soumya Jain: Die Inder haben sich nach der Liberalisierung der neunziger Jahre dem Konsum geöffnet. Und wir reden hier nicht über die Maharadschas, sondern über die Bevölkerung im Großen und Ganzen. Für die große Mehrheit der indischen Bevölkerung steht Sparen an erster Stelle und nach Indiens Unabhängigkeit im Jahr 1947 haben viele ihre persönlichen Luxusansprüche geopfert, um eine gesicherte Zukunft aufzubauen.

Die jüngere Generation jedoch, die erst in den letzten 10 bis 15 Jahren heranwuchs, hat in ihrem Leben noch keinen Mangel erlebt und hat dank ihrer verantwortungsbewussten Eltern angenehme Arbeitsplätze und Karrieren. Diese Generation ist viel mehr auf Konsum eingestellt und darauf, ihr Leben in vollen Zügen zu genießen. Anderseits ist die ältere Generation, die hart daran gearbeitet hat, all ihre Pflichten zu erfüllen, jetzt bereit, sich etwas zu gönnen.

Hinzu kommt, dass indische Kunden durch ihre vielen Reisen ins Ausland jetzt auch bessere Marken und Produkte in ihrem eigenen Land verlangen. Sie sind in einer Experimentierphase, in der sie noch herausfinden, welcher Marke sie treu sein werden. Deshalb müssen die Marken jetzt in dieser Phase des Bewusstseins und des Experimentierens nach Indien kommen.

FashionUnited: Indien bietet Luxusmarken zur Zeit unvergleichliche Wachstumsmöglichkeiten an. Was glauben Sie, wie lange diese günstigen Bedingungen noch andauern werden? Soumya Jain: Wir sind zuversichtlich, dass das Wachstum innerhalb des Luxussektors bis in die absehbare Zukunft andauern wird. Dies ist erst der Anfang. Wirtschaftliche Reformen und die Freigabe von Auslandsdirektinvestitionen werden zukünftig einen wesentlichen Unterschied machen.

Es gibt natürlich wirtschaftliche Bedenken in Indien, aber die Konjunkturaussichten bleiben robust. Ich glaube, dies wird noch sehr lange anhalten. Angesichts der Konjunkturschwäche in den bereits entwickelten Märkten bedeuten die asiatischen Märkte einen Hoffnungsschimmer für Luxusmarken, die Geschäfte machen wollen.

Der indische Luxusmarkt ist immer noch ein Nischenmarkt und es wird noch eine Weile dauern, ihn in einen gesättigten Markt zu verwandeln. Wenn Luxusmarken bereit sind, langfristig zu investieren, ihre Karten geschickt auszuspielen und innovativ zu denken, dann bedeutet der indische Markt nur Wachstum.

FashionUnited: Wenn überhaupt, wann könnten Sie sich Indien als nächstes China vorstellen?

Soumya Jain: Es hat einen großen Medienrummel darum gegeben, dass Indien bereit ist, das nächste China zu werden. Es gibt sicherlich Gemeinsamkeiten, zum Beispiel den überwältigenden Optimismus, der die Nachfrage nach hochwertigen Luxusmarken treibt. Ich glaube, es ist jedoch ein bisschen unfair, die beiden Märkte zu vergleichen, da sie beide so einzigartig und verschieden voneinander sind. Außerdem brauchen beide Märkte verschiedene Erfolgsrezepte. Indien im Hinblick auf Absatzvolumen auf Chinas Stand zu bringen wird allerdings eine lange Zeit brauchen.

FashionUnited: Welche Bereiche des indischen Luxusmarkts traten während Ihrer Recherche als besonders vielversprechend oder profitabel hervor?

Glyn Atwal, Dozent an der Burgundy School of Business in Frankreich: Es hat ein beeindruckendes Wachstum in traditionellen Kategorien wie Schmuckwaren gegeben, aber auch in neuen, status-orientierten wie Automobile. Eine interessante und vielleicht überraschende Beobachtung ist jedoch, dass der indische Luxuskonsument in zunehmendem Maße nach Luxuserlebnissen in der Hotelbranche und Gastronomie sucht, die für einen entstehenden Markt in dieser frühen Phase der Entwicklung nicht typisch ist.

FashionUnited: Welche Möglichkeiten sehen Sie für ausländische Modemarken, die in Indien Fuß fassen wollen?

Glyn Atwal: Es gibt enorme Gelegenheiten für internationale Modemarken, die aufstrebende Mittelklasse zu erreichen, ob in Megastädten wie Mumbai oder Delhi oder in kleineren Städten wie Ludhiana und Ahmedabad. Um dies in die richtige Perspektive zu rücken: Das McKinsey Global Institute sagte voraus, dass die indische Mittelklasse bis 2025 41 Prozent der Bevölkerung ausmachen wird. Wichtig sind hier jedoch nicht nur die steigenden Gehaltsebenen, sondern auch eine Veränderung in der Einstellung.

Hier ist eine Generation indischer Käufer, die optimistisch, selbstbewusst und aufstrebend und sich zunehmen bewusst ist, welches Image sie der Außenwelt präsentieren will. Mode ist zur Sprache der Selbstdarstellung geworden. Dies wird besonders im Damenmodebereich deutlich, der einen Aufschwung erlebt. Es muss jedoch gesagt werden, dass internationale Modemarken noch großen Herausforderungen gegenüberstehen – sei es durch Einschränkungen für Auslandsdirektinvestitionen oder eine nicht ausgebildete Einzelhandelsinfrastruktur.

FashionUnited: Was sollten Firmen tun, bevor sie in den indischen Markt eindringen? Sollten bestimmte Schritte unternommen werden?

Glyn Atwal: Internationale Akteure sollten eine interne und externe Betriebsprüfung durchführen, damit sie eine konkurrenzfähige Strategie aufstellen können. Mein Rat wäre, langfristig zu planen. Zu viele Firmen nehmen eine kurzfristige Sicht ein und das kann störend sein. Ich würde den Betriebsleitern und Strategen auch dringend raten, Indien zu erfahren – das richtige Indien. Was ich damit meine ist, dass sie in den indischen Markt eintauchen und die Denkweise der indischen Käufer verstehen müssen.

Ich kann hier eine Anekdote anfügen, wie der Geschäftsführer einer internationalen Modefirma und ich einen Nachmittag damit verbracht haben, Kunden in einem der Geschäfte des Unternehmens in Mumbai zu beobachten. Wir haben herausgefunden, dass Inder gerne mit ihren Familien einkaufen gehen und sich ganz anders umsehen als zum Beispiel Kunden in Europa oder den USA. Die Erkenntnis für den Geschäftsführer war, ein Geschäftserlebnis speziell für indische Kunden entwickeln zu müssen. Ich bin mir nicht sicher, dass wir dies herausgefunden hätten, hätten wir uns nur auf Marketingberichte verlassen.

FashionUnited: Zu guter Letzt, was würden Sie Modeunternehmen und Modemarken raten, die versuchen, auf den indischen Markt zu drängen?

Glyn Atwal: Um auf dem indischen Markt erfolgreich zu sein, muss die Vorgehensweise auf Indien ausgerichtet und vom Land angetrieben sein. Eine Reihe durchschnittlicher Modeunternehmen haben sich vom indischen Markt verabschiedet, da sie nicht begriffen haben, dass Indien nicht nur anders sondern in vieler Hinsicht auch einzigartig ist.

Indische Kunden sind sicherlich an Labels und Marken interessiert, aber mit örtlicher Relevanz. Im Luxussegment haben wir gesehen, wie dieses Indisch-Sein in das Warenangebot integriert werden kann, sei es durch Saris von Hermès oder den Bandhgala-Stil von Canali. Diese Strategie des “Made for India” muss eine konsistente Maßnahme aller relevanten Berührungspunkte sein.

Um Ihnen einige Beispiele zu geben: Internationale Luxus-Modemarken müssen erkennbar sein, um ihre Glaubwürdigkeit aufzubauen und ihre soziale Akzeptanz sicherzustellen. Hier wirken sich Kooperationen mit Bollywood-Prominenten günstig und positiv aus. Als nächstes ist das Markenwissen entscheidend, um die Geschichte der Marke zu vermitteln. Dies ist ein Markt, auf dem internationale Modemarken mit etablierten einheimischen Marken konkurrieren, die bereits ein positives Ansehen genießen.

Zudem müssenMarken Zugangskanäle aufbauen. Hermès hat zum Beispiel ein eigenständiges Geschäft an einer indischen Haupteinkaufsstraße eröffnet, das die Marke den Kunden näherbringt. Gleichzeitig wird eine große Bandbreite von Hermès-Produkten auf verschiedenen Preisniveaus verkauft. Schließlich müssen die Marken daran arbeiten, eine starke, dauernde Beziehung zu entwickeln. Paul&Shark startete zum Beispiel kürzlich das “AtHome”-Konzept in Indien, mit dem Kunden Paul&Shark-Produkte bequem von zu Hause aus bestellen können. Es geht genau darum, welche Hebel man in Bewegung setzen muss, um eine starke Basis in Indien zu schaffen.

Wir danken Glyn Atwal und Soumya Jain für das interessante Gespräch und die ausführliche Beantwortung unserer Fragen.

Foto: Palgrave Macmillan
Indien
Luxusmarkt