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Ist verantwortliche Produktion in Bangladesch möglich?

Von FashionUnited

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In den letzten Monaten wurde viel über Textil- und Bekleidungsfabriken in Beschaffungsländern wie Bangladesch, Pakistan, Kambodscha, Indonesien und anderen geschrieben, wobei eine Horrorgeschichte die

andere jagte: Von Arbeitern wurde berichtet, die in Fabrikfeuern verbrannten, weil sie vor verschlossenen Notausgängen und vergitterten Fenstern standen oder von einstürzenden Gebäuden begragen wurden. Selbst Arbeiter ohne lebensbedrohende Arbeitsbedingungen kippten reihenweise vor Erschöpfung oder wegen unzureichender Belüftung um.

Auch
wenn es viele solcher Unglücksfabriken gibt, zeigen sie jedoch nicht das gesamte Bild. Für diejenigen, die danach suchen, gibt es Alternativen – saubere Fabriken in sicheren Gebäuden mit Besitzern, die ihre Arbeiter gut behandeln und gut bezahlen. Für den jüngsten Artikel in unserer Beschaffungsreihe sprach FashionUnited mit einem Vertreter einer solchen Bekleidungsfabrik in Bangladesch.

Drei Mahlzeiten am Tag, faire Löhne, medizinische Versorgung und Kinderbetreuung

TEB Fashion International ist eine unabhängige Produktionseinheit in Dhaka, deren Name eine Abkürzung für die Firmenwerte sind: türkisches Know-how, europäische Mentalität und bengalischer Wettbewerb. Die 400 Arbeiter erhalten hier drei warme Mahlzeiten am Tag, kostenlos versteht sich, zusätzlich zu Löhnen, die etwa 50 Prozent höher sind als der gesetzliche Mindestlohn. Außerdem hat die Fabrik ihre eigene medizinische Versorgung, Betreuung für die Kinder der Angestellten und regelmäßige Brandschutzübungen. Wie kann TEB sich dies leisten und wie bleibt der Betrieb wettbewerbsfähig?

“Wir möchten ein Beispiel für andere Unternehmen sein”, sagt Huseyin Guller,Vertriebs- und Designchef bei TEB im Gespräch mit FashionUnited. Die Angestellten spielen bei TEB eine wichtige Rolle. “Ich möchte keine Sklaven”, sagt Guller und betont, dass er ohne seine Arbeiter gar nichts tun könnte. Gegenseitiges Vertrauen und Respekt ist ein weiterer Anreiz bei TEB, aber es hat Zeit gebraucht, dieses aufzubauen.

“Bengalische Arbeiter neigen dazu, Angst vor den Auftraggebern zu haben … und müssen lernen, an sich selbst zu glauben. Dies kann durch Training erreicht werden, außerdem arbeiten sie sehr hart. Sie glauben aber eher an Aufträge mit kurzen Laufzeiten, statt langfristig zu planen. Das Vertrauen in die Auftraggeber reicht nicht aus, sie müssen auch ihrem Arbeitgeber vertrauen”, hat Guller festgestellt

Erfahrungen
in Usbekistan zahlen sich aus

Obwohl TEB erst 2008 mit einem Büro in Bangladesch anfing, kann Guller auf mehr als 20 Jahre Erfahrung im Produktionsbereich zurückblicken. Als Mitarbeiter von Dinana Fashion Int B.V., einer holländischen Design- und Produktionsfirma für Herren-, Damen- und Kinderkleidung, die 1993 als Verkaufsraum anfing und jetzt für private Label wie The Sting, Score und V&D produziert, arbeitete Guller zunächst mit einer Produktionseinheit in Istanbul und baute dann eine weitere in Usbekistan mit 600 Mitarbeitern auf.

“TEB-Dinana Fashion Int. B.V wird unter türkischer Leitung und der Einstellung geführt , dass nur wer sich um seine Angestellten kümmert, auch die beste Qualität erzielt. Wir können uns nicht vorstellen, dass Qualität in dunklen Fabriken ohne Notausgänge und unter allgemein schlechten Bedingungen hergestellt wird. Natürlich ist es möglich, sehr billige T-Shirts in Fabriken wie im Rana Plaza-Gebäude herzustellen, aber ohne jegliche Verantwortung. Wir arbeiten mit einem verantwortungsbewussten Management und verfolgen das Geschehen in der Fabrik in Echtzeit mit Kameras aus den Niederlanden”, bestätigt Roland Smit von Dinana.

Die Produktionseinheit in Usbekistan florierte, bis Vorwürfe der Kinderarbeit über Usbekistan bekannt wurden und auch ethisch produzierede Fabriken zwang zu schließen, weil kein Auftraggeber mit dem Land in Verbindung gebracht werden wollte. Seitdem sind die Vorwürfe nicht verschwunden – erst letzten Freitag stufte die US-Regierung das Land in seinem Global Trafficking Persons Report auf die schlimmste Stufe (Stufe III) zurück, da es immer noch Zwangs- und Kinderarbeit zur Baumwollernte einsetzt.

Herausforderungen in Bangladesch

Kein Wunder, dass Guller eine Art Déjà-vu-Erlebnis hatte, wenn die ersten Berichte über die Bedingungen in Textil- und Bekleidungsfabriken in Bangladesch hereinkamen. Aber die Situation ist eine andere – “es gibt sehr gute Betriebe in Bangladesch”, sagt Guller. Außerdem haben große Modeunternehmen wie H&M und Fast Retailing bereits ihre Unterstützung für Bangladesch zugesagt; ein Rückzug in großem Stil ist also nicht sehr wahrscheinlich. Und auch nicht möglich, denn als Exportchampion nach China würde es schwer werden, eine Alternative zu den Tausenden von Bekleidungsfabriken und Millionen fähiger Arbeiter zu finden, wie sie in Bangladesch bereitstehen.

Auf
die Frage nach den Schwierigkeiten, eine Produktionseinheit in Bangladesch aufzubauen, fiel Guller zunächst die Bürokratie ein und Verträge, die ausschließlich in der Landessprache Bangla gehalten waren und übersetzt werden mussten. TEB verlangte auch viele Extras, was die Gebäudesicherheit betraf, und musste den Vermieter von deren Notwendigkeit überzeugen. Letztendlich ließen sich aber alle Probleme beseitigen und TEB, Partner der Business Social Compliance Initiative (BSCI) erreichte eine Einstufung von 9,2. “Jetzt streben wir eine 10 an”, bekennt Guller stolz.

Natürlich hat Qualität ihren Preis und Guller gibt zu, dass TEB für heimische Einkäufer in Bangladesch keine Alternative ist, da sie die Produktion zu teuer finden. Die europäische Verbindung durch Dinana zahlt sich hier aus, denn europäische Auftraggeber sind bereit, etwas mehr zu zahlen, wenn sie Anreize wie günstige Zahlungs- und Lieferbedingungen in Anspruch nehmen können. Außerdem ist die Produktion mit zwei Millionen Artikeln im Jahr überschaubar. “Einige Unternehmen produzieren das in einem Monat”, sagt Guller. Zudem spezialisiert TEB sich auf arbeitsintensivere Kleidungsstücke wie Pullover, Hemden und Hosen mit Verzierungen für Unternehmen im mittleren Bereich; Artikel mit Dumpingpreisen wie T-Shirts zum Beispiel sind nicht möglich.

Was können internationale Auftraggeber tun?

Auf die Frage, was internationale Auftraggeber und Marken tun können, um die Situation in Bangladesch zu verbessern, antwortet Guller mit der Hoffnung, dass sich ihre Einstellung ändern werde. Statt nach den billigsten Produktionsstätten Ausschau zu halten sollten sie auch mit der Regierung ihres Landes sprechen und Unterstützung und bessere Kontrolsysteme verlangen. In sogenannten ‘Risikoländern’ sollten sie zudem außer ihren eigenen Betriebskontrollen auch offizielle Überprüfungen verlangen.

Wichtig ist auch, die wirtschaftliche Unabhängigkeit für die Betriebe vor Ort anzustreben. TEB plant zum Beispiel, seine fünf Betriebsingenieure aus der Türkei, die seit dem Beginn der Produktionseinheit in Dhaka gelebt haben, bald wieder abzuziehen und mit Einheimischen zu ersetzen. “Ortsansässige Arbeiter sind besser fürs Betriebsklima und außerdem werden langfristig die Löhne der türkischen Arbeiter zu teuer”, bestätigt Guller. Unser nächster Artikel am Dienstag beschäftigt sich mit der Arbeiterperspektive. Schicken Sie bis dahin bitte Fragen, Kommentare und Anregungen an news@fashionunited.com..

Simone Preuss


Fotos: TEB-Fabrik in Dhaka / Dinana
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