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Made in Holland: Luxus-Jeans

Von FashionUnited

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Gemüse aus Südafrika hat seinen Anreiz verloren; Verbraucher wollen wieder Tomaten aus der Umgebung. Kinder müssen wieder lernen, dass Milch von Kühen kommt und nicht aus dem Supermarkt. Der langsame Trend zu Gemüse und zu gesunden Nahrungsmitteln

ist gleichbedeutend mit einheimischen Produkten und kurzen Wegen geworden. Jetzt ist es höchste Zeit, dass sich auch die Modebranche anschließt. Aber haben wir noch das nötige Wissen und technische Know-how? Können wir Jeans in Europa herstellen und Taschen, Handtaschen und Strickjacken produzieren? Und wo? In dieser neuen Serie untersucht FashionUnited die Bekleidungsproduktion in sechs europäischen Ländern: Spanien, Großbritannien, den Niederlanden, Deutschland, Italien und Frankreich – um Aufschluss über die Herstellungsbedingungen im eigenen Land zu geben.

Es

begann mit einer einzigen Nähmaschine, einer alten Pfaff. Das war der Grundstein für eine Sammlung altmodischer Industrienähmaschinen. Jetzt steckt Jesper Remmerswaal jede freie Minute in sein Label mit exklusiven Jeans: Tulp Jeans. Tagsüber arbeitet er bei einer Polsterei; abends und am Wochenende sitzt er in seinem Atelier, das Teil seiner Wohnung und voller antiker Nähmaschinen ist: Er arbeitet unter anderem an einer Union Spe

cial 35800 und einer Union Special 6900 Belt Loop, Union Special 39200 Overlock und Reece 101 Keyhole Maschine. Obwohl die Textilindustrie im Osten der Niederlande früher florierte, ist Tulp Jeans momentan eine der wenigen Marken mit einem “Made in the Netherlands”-Label.

Die Niederlande sind ein typisches Jeansland. Niederländer haben durchschnittlich 5,4 Paar Jeans in ihrem Kleiderschrank; mehr als Verbraucher in anderen westlichen Ländern. Amsterdam profiliert sich in der Welt als Denim-Metropole, denn viele ausländische Jeansmarken haben ihren Hauptsitz in der niederländischen Hauptstadt: Pepe Jeans, Levi's Vintage, G-star, Scotch & Soda, Hilfiger Denim und Blue Blood. Der Jahresumsatz im Bereich Jeans und jeansbezogener Mode in der Region wird auf 3 Milliarden Euro geschätzt. Amsterdam verfügt zudem mit der Jean School über die einzige Jeans-Hochschule der Welt. In einer dreijährigen Ausbildung lernen die Studierenden alle Kniffe der Denim-Industrie. Mit einem Diplom in der Tasche dürfen sie sich dann später selbst “Denim Developer” nennen. Laut Remmerswaal ist das alles dem trüben, holländischen Wetter zu verdanken. "Es ist hier eigentlich nie zu warm für Jeans."

Tulp Jeans ist eine typisch holländische Jeans-Marke

Warum hat sich Remmerswaal entschieden, seine Jeans in den Niederlanden herstellen zu lassen? "Weil ich es toll finde, alles selber zu machen. Meine Marke ist im kleinen Maßstab aufgezogen, also wirklich etwas für Liebhaber. Ich habe zwar schon einmal daran gedacht, die Produktion ins Ausland zu verlagern, aber dann verliert mein Label seine Exklusivität!“ Der von Remmerswaal verwendete Jeansstoff stammt aus Japan; das übrige Material für Tulp Jeans ist niederländisch. Die Nieten werden von einem niederländischen Unternehmen herstellt und das Leder für den Lederflicken, die fünfte Tasche und die Gesäßtasche wird in den Niederlanden gegerbt. Und die Kunden können sogar einen Knopf aus dem zweiten Weltkrieg auswählen, wenn sie möchten.

Tulp Jeans

ist noch klein und Remmerswaal erhält ungefähr fünf Bestellungen pro Monat. Er kann noch nicht davon leben, daher arbeitet er in einer Polsterei. "Ich hoffe jedoch, innerhalb eines Jahres oder anderthalb Jahren in ein größeres Atelier umziehen zu können, denn jetzt sieht es manchmal so aus, als ob eine Bombe in meiner Wohnung explodiert wäre“, lacht der Unternehmer. Er hat bereits zweimal auf der Amsterdamer Modemesse “Modefabriek” nach neuen Kunden Ausschau gehalten und war beim letzten Mal erfolgreich, denn er erhielt viel positives Feedback von Journalisten und konnte Kunden gewinnen.

Laut Remmerswaal ist es möglich, in den Niederlanden zu produzieren, gerade weil sein Betrieb noch so klein ist. Für große Jeansmarken ist die Verlagerung der Produktion in die Niederlande seiner Ansicht nach nicht machbar. "Der Stundenlohn ist zu hoch, das kann sich nie rentieren."

Vorteile der Jeans-Produktion in den Niederlanden: Know-how und niedrige Transportkosten

Jelle de Jong, Produktionskoordinator bei Scotch & Soda, kam vor vier Jahren zu dem Schluss, dass es durchaus möglich sei, Jeans in den Niederlanden produzieren zu lassen. Für seine Diplomarbeit “Handcrafted in Amsterdam” verglich er fünf Produktionsländer miteinander, nämlich die Türkei, Italien, Tunesien, die Vereinigten Staaten und die Niederlande. Die überraschende Schlussfolgerung lautete: Die Produktion von sechs Jeansmodellen in fünf Größen wäre in den Niederlanden am günstigsten, falls die Jeans für den niederländischen Markt bestimmt sind. Die Niederlande erzielen einen großen Kostenvorteil mit ihren niedrigen Transportkosten. Das Vorhandensein vieler Jeansmarken, Experten und Handelsbeziehungen ist ein Vorteil für die Niederlande. Außerdem kam De Jong einem Trend auf die Spur: Verbraucher sind immer öfter auf der Suche nach handwerklichem Können und Qualität und finden es auch wichtig zu wissen, wo ein Produkt hergestellt wurde.

Dennoch ist De Jong skeptisch. Als wir ihn vier Jahre nach seiner Diplomarbeit fragen, ob es möglich ist Jeans in den Niederlanden produzieren zu lassen, antwortet er: “Ich habe mich in den letzten Jahren nicht mehr mit diesem Thema befasst, aber ich bin der Meinung, dass sich der Markt verändert hat, vor allem das Gefühl der Verbraucher in Bezug auf 'im eigenen Land hergestellte Jeans'.”

Wie denkt James Veenhoff darüber? In den Niederlanden ist er als Jeans-Guru bekannt und ist der Gründer der Jean School in Amsterdam. In diesem Sommer wird er ein neues Projekt starten: eine Werkstatt, in der getragene Jeans sortiert, ausgebessert und wiederverwertet werden. Es soll auch ein Denim-Archiv eingerichtet werden. Vor einigen Jahren hatte Veenhoff die Idee, eine nachhaltig arbeitende Weberei zu gründen, da es ihm 'cool' erschien, Jeans selbst zu produzieren. Leider wurde der Plan nie umgesetzt. “Webmaschinen erfordern eine Menge Kapital und hohe Umsätze, da die Gewinnspannen niedrig sind, ” erklärt Veenhoff. “Das meiste Denim kommt aus riesigen Fabriken, die sich z.B. in der Türkei befinden. Dort wird Denim in riesigen Längen hergestellt. Es besteht fast keine Nachfrage nach Denim im oberen Preisbereich, falls es sich nicht um außergewöhnlich hochwertige handwerkliche Fertigung handelt.”

Leider ist auch Veenhoff der Meinung, dass es für große Jeansmarken nicht möglich ist, Jeans in den Niederlanden produzieren zu lassen. “G-Star hat ein Atelier, das seine gesamten 'Couture'-Modelle fertigt, ansonsten gibt es einige Näherinnen, die das machen könnten. Aber wir haben weder erfahrene Fachleute, die das können, noch einen Produktionsbetrieb, der die Aufträge annimmt.”

Fotos: Tulp Jeans
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