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Niedrigstlöhne – das schmutzige Geschäft mit “Made in Europe”

Von FashionUnited

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In ihrem jüngsten Bericht “Stitched Up – Poverty wages for garment workers in Eastern Europe and Turkey" hat die Clean Clothes Campaign (CCC) mit einem weiteren Märchen der Modewelt aufgeräumt, nämlich dass Kleidung, die das Label “Made in Europe” trägt und oft teurer ist, automatisch faire

Löhne und gute Arbeitsbedingungen bedeutet.

Nichts könnte weiter von der Wahrheit entfernt sein. Nach ausgiebigen Untersuchungen, die Befragungen von mehr als 300 Bekleidungsarbeitern und -arbeiterinnen in zehn osteuropäischen Ländern (nämlich Bosnien- Herzegowina,

Bulgarien, Kroatien, Georgien, Mazedonien, Moldawien, Rumänien, Slovakei, Ukraine)und der Türkei einschlossen, fand der Bericht, dass “fast alle [Arbeiter], die Bekleidung für große europäische Einzelhändler wie Hugo Boss, Adidas, Zara, H&M und Benetton herstellen, unter dem Existenzminimum bezahlt werden, und viele sich auf die Landwirtschaft verlassen müssen, um zu überleben”.

Rund die Hälfte aller in die 27 Mitgliedsstaaten der EU importierten Kleidungsstücke werden innerhalb der geographischen Grenzen Europas produziert, wobei die untersuchte Region ein wichtiges Produktionszentrum ist.

Mindestlohn ist kein Existenzlohn

Besonders schockierend ist die Tatsache, dass in vielen der untersuchten Ländern der gesetzliche Mindestlohn nur einen Bruchteil des niedrigsten Existenzlohns ausmacht – von 14 Prozent in Bulgarien, der Ukraine und Mazedonien bis zu 36 Prozent in Kroatien. Eine Situation, die schlimmer oder mit der in bekleidungsproduzierenden asiatischen Ländern wie Bangladesch, Pakistan und anderen vergleichbar ist, auf die die europäische Modebranche gerne mal mit dem Finger zeigt.

"Diese Untersuchung zeigt, dass europäische Bekleidungsarbeiter direkt vor unserer Haustür viele Stunden für Löhne schuften, die noch nicht einmal ihre Grundbedürfnisse decken können. Komplexe und undurchsichtige Lieferketten sind keine Entschuldigung dafür, diesen Menschen ihr Grundrecht auf einen Existenzlohn zu versagen. Während Marken wie Zara und H&M auch in Krisenzeiten steigende Gewinne verzeichneten, zeigte sich, dass sich die Arbeitsbedingungen in den herstellenden Ländern besonders seit 2008/9 verschlechtert haben,” stellte Christa Luginbühl fest, Mitautorin des Berichts.

Die Situation wird durch die Tatsache verschlimmert, dass die Arbeiter noch nicht einmal Gewerkschaften gründen beziehungsweise bestehende noch nicht einmal die wichtigsten Grundrechte durchsetzen können: “Gewerkschaften haben nicht die Möglichkeit, für höhere Löhne zu kämpfen, da sie ständig illegale Praktiven wie langfristig unbezahlte Überstunden oder unbezahlte Sozialleistungen oder Löhne verhandeln müssen,” sagte ein kroatischer Gewerkschaftler laut Bericht.

Statt aber schnell mit Fingern auf neue Länder und Regionen zu zeigen, sollte die gesamte Bekleidungsindustrie lieber in sich gehen und verstehen, warum gerade die Modebranche einen Hang zu unfairen und illegalen Praktiken hat, die meistens auf Kosten der Arbeiter ausgetragen werden.

“Wir haben uns daran gewöhnt, dass Bekleidungsarbeiter in Asien mit Niedriglöhnen und schlechten Arbeitsbedingungen ausgebeutet werden, aber dieser Bericht zeigt, dass es keine Guten gibt,” sagte Bettina Musiolek, eine weitere Verfasserin des Berichts.

Es sieht so aus, als ob ein weiteres Abkommen wie das für Bangladesch geschlossene mit Schwerpunkt auf fairen und Existenzlöhnen für Bekleidung, die das Label “Made in (Eastern) Europe” trägt, vonnöten ist. Die Clean Clothes Campaign fordert Marken und Einzelhändler auf, ihre Unterstützung für faire Löhne entlang der gesamten Lieferkette zu zeigen, und verlangt einen Nettolohn, der mindestens 60 Prozent des Mindestlohns ausmacht. Verbraucher können über eine Anfang der Woche vom CCC eingeführte App per Mobiltelefon selbst das Engagement von mehr als 100 Marken in diesem Bereich überprüfen.

Fotos: Stitched Up
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