Auktionstrends: Wie wichtig sind Mode und Accessoires? Exklusives Interview mit Alice Léger von Artcurial
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Da Mode und Accessoires in der Welt der Auktionen immer beliebter geworden sind, sind viele Menschen daran interessiert, ihren wachsenden Einfluss zu verstehen. Um die Bedeutung und Funktionsweise dieser Märkte zu ergründen, sprach FashionUnited mit Alice Léger, der Leiterin der Abteilung Mode und Accessoires bei Artcurial, dem drittgrößten Auktionshaus der Welt, nach Christie's und Sotheby's.
Artcurial war eines der ersten Unternehmen, das Mode und Accessoires in Auktionen einführte. Wie hat sich dieses Segment in den letzten Jahren entwickelt?
Alice Léger: Wir waren in der Tat Pioniere bei der Organisation von Auktionen für Hermès-Taschen und haben sogar eine eigene Abteilung dafür eingerichtet. Obwohl unsere Abteilungen für Handtaschen (Hermès und Chanel) und Mode im Jahr 2016 zusammengelegt wurden, sind diese beiden Märkte von Natur aus unterschiedlich.Auf dem Handtaschenmarkt sind die Preise nicht mehr das, was sie einmal waren; sie sind erheblich gestiegen. Die Öffentlichkeit hat vor etwa einem Jahrzehnt begonnen, in Hermès-Taschen zu investieren, und die Investitionen haben seitdem zugenommen. Am Anfang konnte man eine Constance-Tasche noch für 300 bis 500 Euro kaufen; jetzt muss man noch eine Null dranhängen. Das Gleiche gilt für die Birkin, die den Boutique-Preisen folgt. Der Preisanstieg ist in der Tat auf Investitionen zurückzuführen, aber auch auf den erheblichen Anstieg der Boutique-Preise.
„Die Investitionen haben zugenommen. Am Anfang konnte man eine Constance-Tasche noch für 300 bis 500 Euro kaufen; jetzt muss man noch eine Null dranhängen.“
Der Modemarkt ist ein Multimarkenmarkt, auf dem man sowohl Kleidung als auch Taschen von beispielsweise Louis Vuitton findet. Der Bereich Mode ist zugänglicher geworden — wo es früher nur Institutionen, Sammler:innen und regelmäßige Auktionsbesucher:innen gab, haben wir heute eine viel jüngere Kundschaft, die sich vor allem für Second-Hand-Stücke interessiert. Das Aufkommen von Plattformen für den Verkauf von Second-Hand-Stücken und die Entwicklung von Second-Hand-Abteilungen innerhalb von Luxushäusern haben sich stark auf die Auktionen ausgewirkt. Wir erreichen einen viel größeren Kund:innenenkreis, sowohl bei den Verkäufer:innen als auch den Käufer:innen.
Sie erwähnten, dass sich der Boom beim Onlineverkauf von Mode positiv auf Ihre Live-Verkaufsangebote ausgewirkt. Können Sie erklären, warum? Dominieren die Online-Auktionen jetzt gegenüber den Auktionen in Ihren eigenen Räumen?
Alice Léger: Wir haben uns schon vor der Einführung von Covid voll auf den digitalen Bereich konzentriert, aber die Pandemie hat diesen Kanal erheblich gestärkt, indem sie ein noch größeres Publikum angezogen hat. Wir sehen, dass die Menschen jetzt weniger Schwierigkeiten haben, online einzukaufen. Sie fühlen sich beim Onlinekauf wohler und haben mehr Vertrauen in diese Art des Einkaufens gewonnen.Dank unserer monatlichen Auktionsfrequenz ist es uns gelungen, diese neue Kundschaft zu halten. Wir stellen jedoch fest, dass Auktionen in den physischen Räumen besonders gut abschneiden. Die Leute nehmen persönlich an diesen Auktionen teil, und ihre physische Anwesenheit hat einen erheblichen Einfluss auf die Ergebnisse. Dies mag auf eine Kombination von Faktoren zurückzuführen sein, wie zum Beispiel die Anwesenheit unserer Kundschaft in Monaco und die Möglichkeit für die Käufer:innen, ihren Schmuck und ihre Taschen im Fürstentum sicher zu tragen.
„Das Aufkommen von Second-Hand-Plattformen hat sich erheblich auf die Auktionen ausgewirkt. Wir haben eine jüngere Kundschaft gewonnen.“
Wie hoch ist das durchschnittliche Budget Ihrer Kund:innen, und wie sieht ihr Profil aus?
Alice Léger: Die Einführung des Segments Mode und Accessoires hat eine neue Klientel mit sich gebracht, die bisher weniger präsent war - die weibliche Klientel. Die meisten Auktionsabteilungen werden nämlich traditionell von einem männlichen Publikum frequentiert. Wir freuen uns, dass die Diversifizierung unseres Angebots eine neue Dynamik und ein Gefühl der Fairness mit sich gebracht hat.Die Ausgaben variieren erheblich von einem Segment zum anderen. Bei den Hermès-Auktionen in Monaco verzeichnen wir beispielsweise Ausgaben von rund 10.000 Euro pro Person; bei den Hermès-Vintage-Verkäufen sind es zwischen 4.000 und 5.000 Euro. Im Vintage-Segment von Chanel, das wir gerade entwickeln, liegen die Ausgaben pro Kund:in bei etwa 3.000 Euro, während sie auf dem Modemarkt im Durchschnitt zwischen 500 und 1.000 Euro liegen.
Unterscheidet sich das Volumen der Modeverkäufe von dem der Accessoireverkäufe? Wie viele Stücke werden etwa in jedem Segment verkauft?
Alice Léger: Wir begrenzen das Volumen unserer Mode- und Accessoires-Verkäufe pro Veranstaltung absichtlich. Bei Modeartikeln überschreiten wir in der Regel 300 Artikel nicht, während wir bei Prestige-Verkäufen in Monaco die Anzahl der Artikel auf 80 bis 100 beschränken. Wir erhalten eine große Anzahl von Angeboten, aber wir treffen eine strenge Auswahl, ohne dass sich dies auf unsere Jahresergebnisse auswirkt, da die Preise gleichzeitig gestiegen sind.
„Käufer:innen ziehen es manchmal vor, bei Auktionen das Sechsfache zu zahlen, um ihre Birkin direkt zu bekommen, anstatt jahrelang zu warten, um sie in einer Boutique zu kaufen.“
Welche Logik bestimmt die Auktionspreise?
Alice Léger: Wenn es um die Preisbildung bei Auktionen für Hermès-Modelle wie die Kelly, Birkin oder Constance geht, beeinflussen mehrere Faktoren ihren Wert. Generell gilt: Je neuer eine Tasche ist, desto teurer ist sie, vor allem wenn sie in aktuellen Modefarben gehalten ist. Auch das Material und der Zustand des Stücks spielen eine wichtige Rolle bei der Bestimmung des Auktionspreises. Die Seltenheit der Hermès-Taschen und die Schwierigkeit, sie in den Boutiquen aufgrund langer Wartelisten zu bekommen, führen zu erheblichen Spekulationen. Käufer:innen ziehen es manchmal vor, bei Auktionen das Fünf- bis Sechsfache zu zahlen, um ihre Hermès-Tasche direkt zu bekommen, anstatt jahrelang zu warten, um sie in einer Boutique zu kaufen.Bei limitierten Auflagen wie der Birkin Picnic kann der Preis in der Boutique bei 15.000 bis 20.000 Euro liegen, bei einer Auktion jedoch 50.000 Euro erzielen. Was die Chanel-Preise betrifft, so analysieren wir derzeit, ob sich die Marke langfristig etablieren wird oder ob die Preise durch einen Modeeffekt im Zusammenhang mit Karl Lagerfeld beeinflusst werden. Die Chanel-Preise sind deutlich gestiegen; die Verkäufer:innen verlangen inzwischen fast so hohe Preise wie bei Hermès. Bislang scheint das zu funktionieren, und wir beobachten, wie die Käufer:innen langfristig reagieren werden.
Der Multimarkenmarkt unterliegt Trends. Einige Marken erleben ein Comeback, wie zum Beispiel Courrèges, die auf Auktionen besonders erfolgreich ist. Auch aktuelle Kollektionen von Marken wie Prada, Bottega Veneta oder Vintage-Stücke von Saint Laurent aus den 1970er Jahren stoßen auf großes Interesse.
Welche Gegenstände brechen auf Auktionen Preisrekorde?
Alice Léger: Hermès-Taschen. In der Tat haben wir eine Hermès-Tasche für 115.000 Euro in Monaco verkauft. Was die Mode betrifft, so sind es oft Stücke, die Rekorde brechen, weil sie einen hohen Wert für die Archive von Modehäusern oder Museen haben, wie zum Beispiel eine Jacke von Saint Laurent, die wir kürzlich für 35.000 Euro verkauft haben, oder ein Kleid von Dior aus den 1950er Jahren, das 20.000 Euro erzielte.
„Modeauktionen spiegeln die Bewusstseinsentwicklung und den Wunsch wider, bewusster zu konsumieren.“
Warum verkaufen sich Taschen so gut?
Alice Léger: Dieses Phänomen lässt sich zum Teil auf das Aufkommen der „It-Bags“ zurückführen. Taschen sind für Frauen zu einem unverzichtbaren Accessoire geworden, mit dem sie ihren sozialen Status zeigen können. Sie spielen eine wesentliche Rolle in der weiblichen Kommunikation, manchmal sogar eine wichtigere als die Kleidung selbst. Berühmte Persönlichkeiten zögern nicht, ein erschwingliches Kleid mit einer Luxustasche zu kombinieren, was die Bedeutung von Taschen als sozialem Marker unterstreicht.Was bewegt Menschen dazu, einen Gegenstand zu ersteigern oder zu verkaufen? Ist es wirklich das Umweltbewusstsein?
Alice Léger: Wir stellen fest, dass die Motivation der Verkäufer:innen immer mehr in dem Wunsch besteht, ihren Stücken ein neues Leben zu geben. Sie ziehen es vor, sich an uns zu wenden, anstatt sie wegzuwerfen; ein Zeichen für die wachsende Sorge um die Umwelt. Auf Käufer:innenseite ist die Motivation für den Kauf auf Auktionen der Erwerb eines einzigartigen, schwer zu findenden Stücks, das den Test der Zeit bestehen wird. Dieser Wandel spiegelt die Bewusstseinsentwicklung und den Wunsch wider, bewusster zu konsumieren.Dieser Artikel erschien ursprünglich auf FashionUnited.FR. Aus dem Englischen übersetzt und bearbeitet von Simone Preuss .