Bangladeschs Textilindustrie im Umbruch: Neue Regierung, neue Forderungen
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Organisationen, Gewerkschaften und Aktivist:innen in Bangladesch haben der von Friedensnobelpreisträger Muhammad Yunus geführten Übergangsregierung eine neue Liste mit Forderungen vorgelegt. Dies berichtet Ecotextile News. Der Schritt folgt auf den Sturz der Regierung unter der ehemaligen Premierministerin Sheikh Hasina.
Am 5. August verließ Hasina das Land nach heftigen Protesten von Studierenden, bei denen über 400 Menschen, darunter auch Kinder, ums Leben kamen. Eine Übergangsregierung hat ihre Position eingenommen. Nun fordert eine Gruppe von Führungspersönlichkeiten der Textilindustrie Bangladeschs die neue Regierung zu grundlegenden Veränderungen in der Branche auf. Die Textilindustrie macht über 80 Prozent der Exporteinnahmen des Landes aus und bietet Millionen von Menschen, insbesondere Frauen, Arbeitsplätze. Sie ist jedoch auch für niedrige Löhne und gefährliche Arbeitsbedingungen bekannt.
Sie fordern unter anderem Gerechtigkeit und Entschädigung für diejenigen, die bei den jüngsten gewalttätigen Protesten ums Leben kamen oder verletzt wurden.
Taslima Akhter, Vorsitzende der Organisation Sramik Samhati, fordert die Übergangsregierung auf, in der Textilindustrie die Einführung von Lebensmittelrationen für Mitarbeitende, Kindertagesstätten, eine Verlängerung des bezahlten Mutterschaftsurlaubs auf sechs Monate und Beschwerdeausschüsse für sexuelle Belästigung in Fabriken zu prüfen.
Die Gewerkschaften fordern außerdem ein Ende der Praxis, Textilarbeiter:innen, die sich gegen die Arbeitsbedingungen wehren, auf eine schwarze Liste zu setzen. Diese Praktik werde seit Jahren zur Unterdrückung eingesetzt.
Der Mindestlohn für Textilarbeiter:innen, der im November letzten Jahres um 56 Prozent auf 12.500 Taka (97 Euro pro Monat) angehoben wurde, reicht nach Ansicht der Aktivist:innen nicht zum Leben. Sie fordern eine Erhöhung auf 25.000 Taka (195 Euro pro Monat).
Wiederherstellung des Quotensystems sorgte für Unruhe
Gewerkschaften und Organisationen in Bangladesch erwarten, dass die neue Regierung die Forderungen nach besseren Löhnen, Arbeitsbedingungen, einem sichereren Arbeitsumfeld und einem Ende von Ausbeutung und Einschüchterung aufgreift. Der neue Staatschef Yunus ist aufgrund seines Engagements in der Armutsbekämpfung als "Bankier der Armen" bekannt.
Mostafiz Uddin, CEO der Bangladesh Apparel Exchange, ordnet den Sturz der Regierung und die Flucht der ehemaligen Premierministerin Hasina im Gespräch mit FashionUnited ein. Er erklärte, dass die gewaltsamen Proteste begannen, nachdem der Oberste Gerichtshof am 5. Juni die Wiedereinführung eines Quotensystems angeordnet hatte, das Nachkommen von Veteranen des Unabhängigkeitskrieges gegen Pakistan im Jahr 1971 30 Prozent der Arbeitsplätze im öffentlichen Dienst reserviert.
„Das Quotensystem, das seit 1972 in Kraft war, wurde 2018 von Hasina aufgrund von Studentenprotesten abgeschafft. Im Juni wurde es jedoch vom Gericht wieder eingeführt. Studenten argumentieren, dass die reservierten Stellen vor allem Personen zugutekommen, die der Awami League angehören, die die Unabhängigkeitsbewegung anführte", so Uddin. „Da die Arbeitslosigkeit in Bangladesch hoch ist und 40 Prozent der Jugendlichen weder arbeiten noch studieren, wird die Forderung nach Reformen von vielen als dringend angesehen", fügt er hinzu.
Appell an internationale Buyer
Angesichts der politischen Unruhen im Land nach dem Rücktritt von Premierministerin Hasina appelliert Uddin an internationale Einkäufer:innen, ihr Vertrauen in Bangladesch zu bewahren. In einem Interview mit FashionUnited betont er, dass die Bekleidungsindustrie funktionsfähig und entscheidend für die Wirtschaft Bangladeschs sei. Uddin unterstreicht, dass das Land entschlossen sei, die Stabilität wiederherzustellen, und dass internationale Unterstützung und Partnerschaft für die Stärkung des Sektors unerlässlich seien.
Neben Uddin haben auch Organisationen wie das International Accord for Health and Safety in the Textile and Garment Industry, die globale Gewerkschaft IndustriALL, die Ethical Trading Initiative und die Clean Clothes Campaign dazu aufgerufen, die Bekleidungsarbeiter:innen während der Krise nicht im Stich zu lassen.
Dieser übersetzte Beitrag erschien zuvor auf FashionUnited.nl.