Christian Wijnants: „In den nächsten zwei bis drei Jahren wollen wir noch ein oder zwei weitere Läden eröffnen"
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Kürzlich eröffnete auf der Potsdamer Straße in Berlin der erste Store von Designer Christian Wijnants außerhalb seiner Heimat in Antwerpen. FashionUnited sprach per Videocall mit ihm über den Standort, die letzten beiden Jahre und seine Pläne für die Zukunft. Wir erreichen ihn in Antwerpen in seinem Zuhause.
Mit Einkaufsstädten wie Köln oder Düsseldorf in unmittelbarer Nähe, wieso fiel ihre Wahl für Ihren ersten Store außerhalb Belgiens gerade auf Berlin?
Ich wollte nicht die typische Wahl treffen, nicht das tun, was alle erwarten. Berlin war aber in der Tat nicht unsere allererste Idee. Wir dachten zuerst an Düsseldorf oder München, weil beide Städte ein hohes Potenzial haben. Aber andererseits war Berlin schon immer eine inspirierende Stadt für mich, und es ist eine sehr coole Stadt, in der ich gerne bin. Ich liebe die Stadt und ihre Atmosphäre. Dazu kam, dass unsere Agentin in Berlin sitzt und deshalb fiel unsere Wahl auf Berlin. Und auch aus Perspektive des Brandbuilding: Als Marke sehe ich mich in coolen Städten wie Berlin.
Aber der deutsche Markt war Ihre erste Wahl?
Deutschland ist seit mehr als zehn Jahren ein sehr starker Markt für uns und es ist auch ein Markt, den ich sehr mag. Der Austausch in dieser Region hier zwischen Belgien, den Niederlanden und Deutschland ist sehr stark. Es gibt auch viele Deutsche in Antwerpen und in unserem Team. Die deutschen Kund:innen kennen unsere Marke bereits, wir sind auf dem deutschen Markt bekannt und haben 20 bis 30 Geschäfte, eher mehr sogar. Dieser Markt machte also Sinn für uns.
Das Klischee besagt, dass die Deutschen keine farbenfrohen Designs und bunte Mode kaufen. Haben Sie eine andere Erfahrung gemacht?
[Lacht] Ich glaube, diese Klischees sind nicht mehr ganz zutreffend. Letztendlich haben wir in Deutschland ganz einzigartige Kund:innen, genau wie in Belgien oder Italien. Keines der Geschäfte in Deutschland bietet die gleichen Waren an – sie haben alle ihre eigene authentische DNA und eine eigenständige Auswahl und ihren eigenen Stil. Ich glaube also nicht, dass es eine ‘typisch deutsche Art‘ gibt, die Kollektion zu ordern oder einen deutschen Stil. Alle Geschäfte, mit denen wir zusammenarbeiten, sind unterschiedlich, sei es in Italien, den USA, Japan oder Deutschland.
Zurück nach Berlin: Wer hat das Ladendesign entworfen und was wollten Sie damit transportieren?
Wir haben bei der Gestaltung des Ladens mit den Architekten von Gonzalez Haase zusammengearbeitet. Ich mochte ihre aufgeschlossene Denkweise und ihre unkonventionellen Ideen sehr. Sie wollten die Regeln brechen und über den traditionellen Ladenbau hinausgehen. Ich wollte den Vibe des Ladens bewahren und bereits bestehende Elemente des Ladens beibehalten. Zum einen ging es mir damit um Nachhaltigkeit, man muss nicht immer alles wegwerfen und rausreißen, und andererseits um den Respekt vor dem Raum. Wir haben vorhandene Elemente wie die Theke der Bar, die sich früher im Raum befand, beibehalten, aber wir haben sie renoviert. Wir haben viel mit Licht und Reflexionen gearbeitet, mit Aluminium und Deckenbeleuchtung, um eine erfrischende und belebende Energie im Laden zu erzeugen. Im hinteren Teil des Ladens findet sich ein Farbakzent mit einem pistazienfarbenen Teppich und Wänden im selben Farbton, dort wo sich die Umkleidekabinen befinden. Ich mag vor allem die menschliche Seite der Architektur, deshalb sind die Kleiderstangen nicht geradlinig, sondern wie von Hand gezeichnet, also etwas uneben.
Warum fiel Ihre Wahl auf die Potsdamer Straße?
Wir hatten großes Glück mit dem Standort des Ladens, es ist ein wunderschönes Viertel, na ja, vielleicht ist ‚schön‘ nicht das richtige Wort [er lacht]. ‘Interessant‘ ist wahrscheinlich das bessere Wort. Für mich repräsentiert die Potsdamer Straße Berlin wirklich gut, denn sie hat diese raue Seite. Die Umgebung ist ein sehr lebendiges Viertel mit vielen verschiedenen Bars und Restaurants, Sexshops und Dönerläden und daneben gibt es Kunstgalerien und Modegeschäfte. Wenn ich an das Marais in Paris oder das Stadtzentrum von Antwerpen denke, dann sind das alles getrennte Viertel. Hier ist alles miteinander vermischt und das gefällt mir sehr.
Bei der Eröffnung des Ladens waren Sie noch auf der Suche nach Personal für den Laden, haben Sie alle Stellen mittlerweile besetzt?
Leider noch nicht. Wir sind immer noch auf der Suche nach einer:m Store Manager:in in Berlin
Pandemie, Lockdowns und der Ukrainekrieg – wie haben sich die letzten zwei Jahre auf Ihre Marke ausgewirkt?
Es war ein sehr wichtiger Moment der Selbstreflexion für uns. Wir haben uns auf das besonnen, was in unseren Kollektionen und in unserem Leben wirklich wichtig ist, und uns von all den Dingen getrennt, die nicht sein sollten. Wir haben die Märkte und die Gemeinschaft, die wir bereits hatten, gestärkt, anstatt uns auf Wachstum zu konzentrieren. Ich denke auch, dass es in gewisser Weiss ein sehr schöner Moment war, denn wir haben uns gegenseitig sehr unterstützt. Die Menschen wurden menschlicher. Ich glaube, dass diejenigen, die diese Krisen geschäftlich überlebt haben, stärker daraus hervorgegangen sind. Wir haben beschlossen, einige unserer Kategorien, wie Schuhe und Herrenmode, zu pausieren und uns auf die Kernkollektion zu konzentrieren.
Die nächsten Herausforderungen sind natürlich der Krieg, die Energiekrise und die steigenden Preise. Wir arbeiten weiter hart und versuchen, Lösungen für diese Herausforderungen zu finden. Aktuell geht es uns gut, ich hoffe, dass es so bleibt.
Sie haben kürzlich Ihre Frühjahr/Sommer-Kollektion in Paris gezeigt, was war die Inspiration?
Die neue Kollektion ist eine ziemlich positive Kollektion. Es war unsere erste Show in Paris nach zwei Jahren Abwesenheit und ich wollte etwas sehr Frisches und Optimistisches zeigen, das voller Farbe ist. Die Kollektion zeigt eine bunte Palette, die den Sommer und das Reisen feiert.
Ist es in diesen dunklen Zeiten schwer für Sie, fröhliche Drucke zu entwerfen?
Nein, ganz und gar nicht. Selbst in den schwierigsten Zeiten bleibe ich positiv. Ich bin ein recht fröhlicher Mensch, also nein, es war nicht schwer.
Was sind Ihre Pläne für die Zukunft?
Die Eröffnung des Berliner Ladens hat uns wirklich viel Inspiration und Ideen gegeben. Wir haben den Prozess sehr genossen, da es erst unser zweites Geschäft ist. In den nächsten zwei bis drei Jahren wollen wir auf jeden Fall noch ein oder zwei weitere Läden eröffnen. Aber mir gefällt die Tatsache, dass Berlin für alle eine kleine Überraschung und nicht die offensichtliche Wahl war. Es muss natürlich Sinn ergeben, aber ich denke, ich möchte das beibehalten und den Erwartungen trotzen.
Die drei großen Märkte für uns sind die USA, Mitteleuropa und Asien. Aber es gibt eine Menge Märkte, die wir noch erkunden können. Wir haben jetzt auch wieder viele Anfragen für Herrenmode, also werden wir sie wieder aufnehmen und vielleicht eine kleine Herrenmode-Kapsel entwickeln. Was ich für beide Kollektionen wirklich gerne mache, ist Strickmode. Herrenpullover können leicht von Frauen getragen werden und sind in diesem Sinne geschlechtsneutral.