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Der Einzelhandel: Eine Branche im Umbruch

Von Regina Henkel

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Der Einzelhandel ist der drittgrößte Wirtschaftszweig in Deutschland und er steht vor massiven Veränderungen. Der wachsende Online-Handel und Smartphones haben die Spielregeln im Handel radikal verändert und verlagern die Kundenbudgets immer weiter in Richtung Online. Der stationäre Handel muss reagieren, denn bereits jetzt zeigen sich die Folgen in Form von geschlossenen Geschäften und zunehmend unattraktiven Innenstädten.

Das Smartphone verändert den Einzelhandel

Erst wenige Ladenbesitzer setzen sich mit der sogenannten digitalen Disruption ausführlich auseinander und viele ignorieren das veränderte Kaufverhalten ihrer Kunden. Tatsache ist, dass die Deutschen immer öfters von Zuhause aus im Internet einkaufen – Tendenz steigend. Laut Deutschem Handelsverband HDE wird der E-Commerce in 2015 um zwölf Prozent wachsen, bis 2020 wird mit einem Anstieg des E-Commerce-Anteils am Gesamthandel auf etwa 30 Prozent gerechnet. Auch das Smartphone bestimmt zunehmend das Kaufverhalten der Konsumenten: Viele suchen damit regelmäßig nach lokalen Angeboten und die Hälfte der Nutzer stellt Suchanfragen zu Einzelhändlern bereits mit dem Smartphone. Laut dem aktuellen Online-Handels-Konjunkturindex e-KIX von HDE und ECC erfolgen mittlerweile 30 Prozent der Zugriffe auf Online-Shops von mobilen Geräten aus. Bei den Einkäufen entfallen demnach zwölf Prozent auf Tabletnutzer und zehn Prozent auf Smartphones. „Die Daten zeigen, wie wichtig es für die Händler ist, mobilfähige Online-Shops anzubieten“, so Tromp. Nur auf PCs oder Laptops ausgelegte Shop-Lösungen und Homepages verschenkten Potential und führten zu Kundenverärgerung.

Zudem nutzen es zahlreiche Kunden, um sich damit direkt im Geschäft über Produkt, Preis und Anbieter zu informieren. „Das Smartphone bringt das ganze Wissen aus dem Internet ins Ladengeschäft – inkl. Preistransparenz und Kundenbewertungen“, so Daniela Zimmer, E-Commerce Expertin und Programmleiterin des Internet World Kongresses in München. „Der Händler tut also gut daran, online eine aussagekräftige Visitenkarte - wenn nicht gar das gesamte Sortiment - bereitzustellen.“ Fast jeder Zehnte schließt diese mobile Recherche im Geschäft unmittelbar mit einem Kauf über das eigene Handy ab. Stephan Tromp, stellvertretender Hauptgeschäftsführer des HDE, erklärt: „Die Smartphone-Nutzung im Laden zeigt, wie wichtig es für den Handel ist, seinen Kunden vor Ort einen Internetzugang über WLAN anzubieten.“

Aber wie kann nun eine moderne Handelsstrategie aussehen? Weder nützt es, den E-Commerce zu verteufeln, noch macht ein lieblos installierter Webshop ohne durchdachte Online-Strategie Sinn. Erforderlich ist ein Umdenken, ein Multichannel-Konzept. Ein erster Schritt in Richtung digitale Zukunft kann für Einzelhändler ein lokaler Online-Marktplatz sein. Zweck einer solchen Plattform ist es, die lokalen Angebote im Internet zu bündeln und ihre Auffindbarkeit im Netz zu erhöhen. Kunden können sich so bereits im Internet einen Überblick über das vorhandene Sortiment verschaffen und leichter entscheiden, ob sich ein Besuch im Laden lohnt. Auch die zielgerichtete Nutzung von Kundendaten ist eine erfolgversprechende Strategie, um Kunden enger zu binden und damit dem Online-Handel Paroli zu bieten. So glaubt etwa Sven Haiges von hybris labs, einem Forschungsunternehmen von SAP: „dass der Laden der Zukunft mit Hilfe von Sensorik ähnliche Daten wie im Web sammeln wird. Dann wird der Ladenbesitzer wissen, wie viele Kunden wie lange vor einem Produkt stehen, welche Gänge im Shopping Center bevorzugt benutzt werden und wie viele Kunden wann oder überhaupt kommen.“ Diese Informationen sind wichtig für den Händler, denn er kann damit z.B. die Platzierung der Produkte im Regal optimieren. Als Schlüssel zum Erfolg sehen viele Experten auch die eigene Markenbildung. Potenzial wird auch in kleinen, hochspezialisierten Flächen in den Innenstädten gesehen, die als Showroom-Konzept mit wenig Platz auskommen.

Multichannel ist ein Mannschaftssport

Auch wenn das genaue Bild des Handels der Zukunft längst nicht klar ist, die bislang strikte Trennung von Unternehmen in E-Commerce und stationären Handel ist in Zukunft nicht mehr haltbar. Der Verbraucher kauft bei einer Marke oder einem Anbieter, nicht in dessen Kanal. Und er erwartet an allen Kontaktpunkten mit dem Händler eine adäquate Präsenz und ein positives Einkaufserlebnis. „Jedem im Handelsunternehmen muss klar sein, dass es nur noch darum geht, dass der Umsatz im eigenen Unternehmen stattfindet und nicht beim Mitbewerber. In welchem Kanal, ist komplett nebensächlich“, erklärt Unternehmensberater Thomas Lang „Multichannel sei ein Mannschaftssport, kein Einzelwettkampf der Vertriebskanäle!“

Doch zunächst stehen Handelsunternehmen, die sich dem digitalen Wandel stellen, vor der Herausforderung, ihre IT-Infrastruktur komplett umstellen zu müssen. Denn während es für die Zalandos dieser Welt ein Leichtes ist, sich einen Laden anzumieten und auch offline aktiv zu werden, fehlt dem stationären Handel die Technik, das Wissen und oft auch die entsprechenden Mittel, um „einfach mal Multichannel zu machen“. Und noch etwas erschwert den Schritt ins digitale Zeitalter: Die nötigen kulturellen Veränderungen innerhalb des Unternehmens. Sowohl Mitarbeiter als auch Prozesse müssen plötzlich digitalen Gesetzmäßigkeiten folgen – für viele Händler eine große Herausforderung.

Zukunft zum Anfassen

Doch wie lassen sich die Vorzüge des Online-Kaufens in die bestehenden Strukturen des stationären Handels integrieren? Antworten auf diese Frage versucht auch in diesem Jahr die Internet World Messe zu beantworten und bietet den Besuchern Technologien zum Anfassen – z.B. in einem eigens konzipierten „Internet World Shop“. Auf einer Fläche von 75 Quadratmetern zeigt die Messe Shopping-Technologien im Live-Einsatz – darunter eine Shopping App, die Kunden erlaubt ihre Lieblingsstücke vorab online auszuwählen und die den Kunden dann im Ladengeschäft gezielt zu den ausgewählten Teilen führt. Auch innovative POS-Kassenlösungen sowie ein mobiles Kassen- und Beratungssystem für den Verkauf auf der freien Fläche werden vorgestellt. Erstmals auf der Messe gezeigt wird ein Aufkleber, der das Zuhause mit dem stationären Handel vernetzen kann - und umgekehrt. Im sogenannten weShop, einer ganzheitlichen Shop-Lösung entwickelt von der Kommunikations-Agentur Serviceplan gemeinsam mit Vitrashop, Cancom, Cisco und NEC, zeigt die Messe anschaulich, wie der Laden der Zukunft aussehen könnte. Hier erleben Besucher u.a. die individualisierte Kundenansprache mittels Beacon-Technologie, Stilberatung per Videokonferenz, Warenerkennung mittels RFID-Technologie oder auch eine Inszenierung von Outfits im Spionspiegel in der Umkleidekabine.

Photo: MyZeil, Frankfurt / Main; Grafik: HDE

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