Drei Jahre Forschung zum Textilrecycling: SCIRT feiert seinen Abschluss
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Das Projekt SCIRT (System Circularity and Innovative Recycling in Textiles) feierte auf der Veranstaltung Good Fashion 2024 in Biarritz den Abschluss eines dreijährigen europäischen Forschungsprojekts, das den Übergang zu einer kreislauforientierten Modeindustrie beschleunigen soll. Im Rahmen dieses Projekts arbeiteten 18 europäische Partner:innen unter der Leitung des Flämischen Instituts für Technologische Forschung (VITO) zusammen. Die gesamte Textilwertschöpfungskette war involviert, und sowohl die Industrie als auch die Forschungsinstitute arbeiteten zusammen, um innovative Lösungen zu entwickeln, die sowohl den ökologischen Fußabdruck der Mode verringern als auch die Bedürfnisse von Marken und Verbraucher:innen erfüllen.
SCIRT: Auf dem Weg zu einem kreislauforientierten Modesektor
Im Mittelpunkt von SCIRT stand ein bedarfsorientierter Ansatz und eine Frage: Was müssen Modemarken und Einzelhändler:innen wirklich ändern? In Zusammenarbeit mit Marken und anderen Akteur:innen der Branche wurde eine Reihe von Pilotprojekten konzipiert, bei denen das Recycling von Textil zu Textil eine wichtige Rolle spielte.
Dieser Ansatz führte zur Entwicklung konkreter Produkte und Technologien, die nicht nur die Herausforderungen und Möglichkeiten im Hinblick auf die technische Machbarkeit des Recyclings, sondern auch sein kommerzielles Potenzial aufzeigten.
Was haben die beteiligten Marken entwickelt?
Eines der greifbarsten Ergebnisse des SCIRT-Projekts sind die von den beteiligten Marken entwickelten Musterkleidungsstücke. Das belgische Unternehmen Xandres und das französische Unternehmen Decathlon präsentierten die von ihnen auf den Markt gebrachten Kleidungsstücke bei der Abschlussveranstaltung.
Xandres
Xandres entwickelte einen Zweiteiler in limitierter Auflage aus Pied-de-Poule-Gewebe, das zu 17 Prozent aus recycelter Wolle aus gesammelter Kleidung, zu 36 Prozent aus recyceltem Polyester (PET-Flaschen), zu 25 Prozent aus Polyester und zu 22 Prozent aus Wolle besteht. Die kleinen „Farbflecken“, die Sie im Stoff sehen, sind eine Besonderheit des recycelten Stoffes. Xandres hebt diese subtilen Unvollkommenheiten als Beweis für den Kreislauf hervor, den jedes Stück durchlaufen hat. Von der Jacke und dem Rock wurden jeweils nur 100 nummerierte Exemplare hergestellt, die ab dem 21. Oktober online und in den Xandres-Läden verkauft werden.
Decathlon
Decathlon hat wiederum einen Badeanzug entwickelt. Er besteht zu 93 Prozent aus recyceltem Polyester (PES)* und zu sieben Prozent aus Elastan. Das belgische Schmelzgarn von Resortecs wurde verwendet, um die Demontage zu vereinfachen, und ein RFID-Tag wurde eingebettet, um die Rückverfolgbarkeit und Sortierung zu verbessern.
*Post-Verbraucher recycelt PES Mischgewebe. 100 Prozent PES = 85 Prozent PET, 15 Prozent PTT, kompatibel mit thermomechanischem Recycling.
Die anderen Marken präsentierten Beispiele, die (noch) nicht auf dem Markt erhältlich sind. Petit Bateau entwickelte ein T-Shirt, das zu 50 Prozent aus recycelter Baumwolle besteht, die aus gebrauchten Petit Bateau-Artikeln stammt, und zu 50 Prozent aus neuer Bio-Baumwolle. Bel&Bo präsentierte ein Poloshirt für Frauen, das zu 50 Prozent aus recycelter Viskose und zu 50 Prozent aus Tencel besteht. Diese Fasern stammen aus Kleidungsstücken, die im Rahmen des Bel&Back-Rücknahmesystems gesammelt wurden. HNST entwickelte einen Jeansstoff, der zu 80 Prozent aus recycelten Denim-Fasern und zu 20 Prozent aus Tencel besteht.
Auch weiter unten in der Kette
Nicht nur die beteiligten Modemarken präsentierten ihre Produkte. Auch weiter unten in der Kette wurde wichtige Forschung betrieben. Bei der Abschlussveranstaltung des SCIRT wurden einige der wichtigsten Entwicklungen vorgestellt.
Recycelte Garne
Die Garne, die im Rahmen dieses Projekts entwickelt wurden:
- HNST: 75 Prozent recyceltes Denim / 25 Prozent Tencel & 75 Prozent recycelte Baumwolle / 25 Prozent recyceltes Tencel
- Bel&Bo: 50 Prozent recycelte Viskose / 50 Prozent Tencel
- Petit Bateau: 50 Prozent recycelte Baumwolle / 50 Prozent Bio-Baumwolle
- Xandres: 30 Prozent recycelte Wolle / 70 Prozent rPET (Flaschen)
Fibersort 2.0 und Trimclean-Technologie
Das belgische Unternehmen Valvan hat mehr als 38 Jahre Erfahrung im Sortieren und Pressen. Dank SCIRT konnte der 'Fibersort' auf ein neues Niveau weiterentwickelt werden. Der Fibersort 2.0 ist ein automatisiertes System, das große Mengen von Textilabfällen auf der Grundlage von Faserzusammensetzung und Farbe genau sortiert. Es basiert auf NIR-Technologie und wurde mit KI-Technologie optimiert, um schneller und genauer zu sortieren. Darüber hinaus hat Valvan die Trimclean auf den Markt gebracht, eine Maschine, die Reißverschlüsse und Knöpfe entfernt, um den Recyclingprozess zu verbessern.
“Mit dem Aufkommen von Fast Fashion sinkt die Qualität und steigt die Menge der gesammelten Textilien. Umso wichtiger sind Innovationen im Bereich Sortierung und Recycling.”
Detektion und Entfernung von Elastan
Eine der größten Herausforderungen im Textilrecycling ist Elastan – eine Faser, die sich schwer trennen lässt, jedoch häufig zur Verbesserung der Elastizität und des Tragekomforts von Kleidung hinzugefügt wird. Das Vermeiden von Elastan bei der Stoffauswahl ist daher ein zentrales Prinzip des „Ecodesigns“, wenn man Produkte für die Recyclingfähigkeit entwerfen möchte. Die TU Wien hat eine Methode entwickelt, um Elastan mit ungiftigen Lösungsmitteln zu detektieren und zu entfernen, ohne andere Fasern zu beschädigen. Dies wird die Recyclingprozesse für Kleidungsstücke mit Elastan erheblich verbessern. Dennoch ist eine Skalierung der Technologie weiterhin notwendig, und die allgemeine Ecodesign-Richtlinie „Vermeide Elastan in deiner Faserzusammensetzung“ bleibt bestehen.
True Cost Calculator
Am 24. Oktober lancieren VITO und Flanders DC im Rahmen eines Webinars den True Cost Calculator – ein kostenloses Online-Tool, mit dem Marken die sozialen und ökologischen Auswirkungen ihrer Kleidungsstücke berechnen können. Dies hilft Designer:innen und Einkäufer:innen, Nachhaltigkeit in ihre Entscheidungen einzubeziehen, indem externe Kosten wie Umweltschäden in finanzielle Größen umgewandelt werden.
Einige wichtige Erkenntnisse
1. Ecodesign ist kein Selbstläufer
Obwohl das Projekt ambitioniert startete und auf einer nachfrageorientierten Herangehensweise basierte, zeigte sich schnell, dass einige der Prototypen in Zusammenarbeit mit den Marken angepasst werden mussten. Xandres hatte beispielsweise ursprünglich die Idee, eine eigene Hose aus einer Woll-Polyester-Elastan-Mischung zu recyceln, um ein ähnliches Material zu schaffen. Bereits in den Labortests im kleinen Maßstab stellte sich heraus, dass die Stoffzusammensetzung eine zu hohe Umwelt- und Wirtschaftskostenbelastung für das Recycling bedeutete. Das Garn war so stark gezwirnt, um eine hohe Qualität sicherzustellen, dass es mehrmals zerkleinert werden musste, was viel Energie verbraucht und zu kurzen, schwachen Fasern führte.
„Irgendwann wird klar, dass man Entscheidungen treffen muss. Leider gehen ‚Design für Langlebigkeit‘ (mit Fokus auf hohe Qualität) nicht immer Hand in Hand mit ‚Design für Recyclingfähigkeit‘ oder ‚Design mit recyceltem Inhalt‘. Das war eine wichtige Erkenntnis für uns und das Gesamtprojekt.“
2. Eine Industrie, viele Sprachen.
Obwohl wir oft von der „Modebranche“ sprechen, wurde durch diese Kooperation mit 18 Partnern entlang der gesamten Lieferkette deutlich, dass es nicht „eine Branche“ gibt. Um diese Kette zu schließen und zirkulär zu gestalten, sind Kommunikation, Zusammenarbeit und Transparenz unerlässlich.
„Wir gehen davon aus, dass wir in derselben Kette und somit auch dieselbe Sprache sprechen.“ Nichts könnte weiter von der Wahrheit entfernt sein. Es ist nicht so, dass man, nur weil man Kleidung auf den Markt bringt, alle vorherigen Schritte gleichermaßen kennt und weiß, wie man dort etwas verändern könnte. Umgekehrt gilt dasselbe. „Recycling-Unternehmen und Sortieranlagen traten hier in den Dialog mit den Marken und lernten viel über den weiteren Herstellungs- und Verkaufsprozess.“
3. Können auch kleine oder mittlere Unternehmen mitmachen?
Während der SCIRT-Präsentation beim Biarritz Good Fashion Slotevent kam aus dem Publikum die Frage auf: „Wie habt ihr die kleinen oder mittleren Unternehmen (KMUs)dazu gebracht, bei einem so großen Projekt mitzumachen?“. Diese Frage erwies sich als äußerst berechtigt.
„Dass Marken wie Xandres, Bel&Bo und HNST sich an einem so zeitaufwändigen und komplexen Projekt beteiligen, ist bereits ein beachtlicher Erfolg. SCIRT hat umso mehr gezeigt, dass KMUs Innovationen wie diese nur umsetzen können, wenn finanzielle und organisatorische Unterstützung gegeben ist.“
4. Zeit für Politik
In fast allen Diskussionen zu den Herausforderungen der Zukunft wurde auf die Bedeutung einer soliden europäischen Politik verwiesen. Glücklicherweise gewinnt die Textilstrategie an Fahrt, und wir erwarten die Konkretisierung und Umsetzung der ESPR (Ecodesign), UPV (Herstellerverantwortung) und HRDD (Sorgfaltspflicht).
„SCIRT war ein anspruchsvolles Projekt, aber wir haben in den letzten Jahren enorm viel gelernt. Derzeit arbeiten wir an unseren Policy-Empfehlungen und hoffen, unsere Erkenntnisse mit Europa und der weiteren Industrie teilen zu können.“
- Modeunternehmen: Bel&Bo, HNST, Decathlon, Xandres, Petit Bateau
- Forschungsorganisationen: VITO, CETI, Prospex Institute
- Universitäten: BOKU, TU Wien, ESTIA
- Industriepartner: Altex, AVS Spinning – A European Spinning Group (ESG) Company, Valvan
- KMUs: Circular.fashion, FFact
- Non-Profit-Organisationen: Flanders DC, IID-SII
Dies ist ein Beitrag von Jasmien Wynants, Expertin für nachhaltige Mode und Mitbegründerin von Masjien. Wynants unterstützt die Modeindustrie bei der Nachhaltigkeit durch Beratung und Begleitung rund um zirkuläres und verantwortungsvolles Wirtschaften. Sie bietet zudem Workshops, Schulungen, Vorträge und mehr zu diesem Thema an.
Dieser übersetzte und bearbeitete Beitrag erschien zuvor auf FashionUnited.nl