Erstes Plastiksiegel Europas Flustix stellt sich der Plastikherausforderung
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Dass die Welt inzwischen in Plastik schwimmt, ist bekannt - schließlich wurde Mikroplastik sogar in der Arktis gefunden, in den Tiefen des Ozeans und vor wenigen Monaten auch zum ersten Mal im menschlichen Blut. Ganz auf Plastik zu verzichten, ist nicht mehr möglich, dazu ist es in vielen Bereichen (wie etwa der Medizin) unentbehrlich geworden. Eine Vermeidung von Plastik, wo es nicht nötig ist (etwa in bestimmten Verpackungen), scheint da sinnvoller.
Für das Berliner Unternehmen Flustix (sprich: Flastiks) liegt ein großer Teil der Lösung auf der Aufklärung und einer Reduzierung der Menge an Plastikmüll. Das Unternehmen bietet daher das erste Plastiksiegel Europas und vielleicht sogar weltweit an und vergibt Siegel für plastikfreie und recycelte Produkte beziehungsweise Gütesiegel zur Recyclingfähigkeit. Mit ihren Siegeln möchte Flustix Verbraucher:innen bestmöglich informieren, damit sie für sich die beste Entscheidung treffen können. Das wiederum übt Druck auf die herstellenden Betriebe aus, nachhaltige Ware zu produzieren. FashionUnited sprach mit Flustix-Gründer und Geschäftsführer Malte Biss darüber, welche Siegel es derzeit gibt und wie man das Plastikproblem angehen kann.
„Wir wollen mit Flustix die Menge an Plastikmüll reduzieren. Dabei gilt es, Plastik neu zu denken und nicht zu verteufeln, sondern Plastik genau da zu reduzieren, wo es Sinn macht: im Verbraucherbereich. Flustix-gekennzeichnete Produkte leisten einen Beitrag zur Gesundheit von Mensch und Umwelt“, erklärt Biss.
Der gelernte Werkzeugmacher fundierte in dieser Ausbildung sein Interesse an der Materialkunde, bevor er im zweiten Bildungsweg das Studium der Politik und des Sports aufnahm. Er arbeitete dann viele Jahre als Journalist bei den Konzernen Burda und Springer bevor er auf der Weltklimakonferenz im Jahr 2011 auf die Plastikherausforderung aufmerksam wurde. Sie ließ ihn nicht mehr los und führte zur Gründung von Flustix im Jahr 2016.
Derzeit gibt es vier verschiedene Siegel: Flustix Plastikfrei, das ein plastikfreies Gesamtprodukt zertifiziert; Flustix Plastikfrei ohne Mikroplastik für Produkte ohne Mikroplastik, etwa die Flüssiginhalte der Wasch-, Pflege- und Reinigungsindustrie (WPR); Flustix Plastikfrei Verpackung für Produkte wie etwa Lebensmittel, die kein Plastik enthalten dürfen, so dass nur die Verpackung zertifiziert werden kann und Flustix Plastikfrei Produkt, wo das Produkt ohne Plastik auskommt, aber in Plastik verpackt sein muss, etwa (sterile) Hygieneprodukte oder bestimmte Lebensmittel.
Daneben gibt es die Gütesiegel Flustix Recycled für Produkte/Komponenten mit Rezyklatanteilen und Flustix Recyclable für recyclingfähige Verpackungen. Alle Siegel ermöglichen Verbraucher:innen, mit nur wenigen Klicks online das unabhängige Zertifikat transparent einsehen und den exakten Rezyklatgehalt auf einen Blick erkennen zu können. Sie basieren zudem auf einem global anerkannten Zertifizierungsprogramm mit mehrstufigen Kontrollmechanismen in Zusammenarbeit mit der Wessling Gruppe und Din Certco (TÜV Rheinland).
Wie kam es zur Plastikflut?
Wer ist hauptverantwortlich für unsere Plastikflut? „Zu den größten Treibern von CO2 im Klimawandel zählen Produktion, Verarbeitung, der Transport sowie die Entsorgung von Kunststoffen. Noch immer basieren rund 99 Prozent aller Kunststoffe auf fossilen Rohstoffen, Öl und Gas“, sagt Biss.
„Drei Viertel der heute produzierten Kleidung besteht aus Kunststofffasern. Dabei sind minderwertig hergestellte Produkte kaum oder nicht recyclingfähig. Zudem gelangen schätzungsweise 500.000 Tonnen Mikrofasern jedes Jahr durch Waschen ins Abwasser – das entspricht 50 Milliarden Plastikflaschen“, fügt Biss hinzu.
„Die Umweltbelastungen durch die Textilindustrie und unseren Konsum werden zunehmend transparent. Nicht verwunderlich also, dass die Werbeabteilungen ihren Schwerpunkt auf Nachhaltigkeit legen. Recycling-Kleidung ist en vogue: Leider nutzen viele Fashion-Unternehmen aber die Bewegung, um Greenwashing zu betreiben. Die Fashion Industrie sollte sich ihrer Verantwortung bewusst werden, auf echte nachhaltige Lösungen zu setzen und ihren Werbeaussagen Taten folgen lassen“, fordert Biss.
Stichwort Greenwashing: Laut einer jüngsten Studie der EU-Kommission zu diesem Thema wurden 150 Umweltaussagen in der gesamten EU und in einem breiten Spektrum von Produktgruppen bewertet. Das Ergebnis: Die Mehrheit von ihnen (53,3 Prozent) sind vage, irreführende oder unbegründete Informationen über die Umwelteigenschaften der Produkte, und zwar sowohl in der Werbung als auch auf dem Produkt selbst.
Durch die Green Claiming Verordnung 2023 sollen Gewerbetreibende davon abgehalten werden, Verbraucher:innen hinsichtlich ökologischer und sozialer Auswirkungen, der Haltbarkeit oder Reparierbarkeit ihrer Produkte zu täuschen. Auch die EU-Richtlinie zur Kennzeichnung von Einwegkunststoff beziehungsweise sein Vermarktungsverbot seit dem 3. Juli 2021 sollen Produkte und Verpackungen transparenter machen und die Plastikflut stoppen.
Gesetzgebung gegen Greenwashing
Da könnte potenziell viel Arbeit auf Flustix hinzukommen: „Wir hatten Anfang 2018 die ersten Kund:innen, die Pioniere und teils Idealisten; 2019 folgte dann schon der erste große Kosmetikhersteller, aber auch schon Henkel, Kneipp und der WPR-Bereich, der sich während Corona umorientiert hat“, erinnert sich Biss.
„Seit die EU umgestellt hat, haben wir mehr Nachfrage, jetzt auch von vielen ‘global Brands’, da Flustix europaweit, wenn nicht gar global das einzige eingetragene Siegel für Plastiknachhaltigkeit ist. Seit Mitte letzten Jahres kommt gerade eine starke Nachfrage auf uns zu“, so Biss.
Und das ist gut so, dann Flustix soll „aus der Wirtschaft für die Wirtschaft“ sein. „Ich habe vor der Gründung den Rat bekommen: ‘Wenn du das aufbaust, versuch es im Einklang mit der Wirtschaft zu machen, sonst bewegt sich lange gar nichts’. Flustix soll ein Bonus sein, kein Malus, und das System muss für alle offen sein.“
Zum Schluss wollte FashionUnited wissen, ob im Hause Biss alles plastikfrei ist. „Es ist jeden Tag eine Diskussion, der Papa ist total nervig und findet Einwegpfandflaschen im Gelben Sack“, lacht Biss, der drei Töchter hat. Er rät daher, beim Einkauf wählerisch zu sein und auf Monomaterialien zu achten, bei jeder Art von Produkten von Lebensmittelverpackungen bis zu Textilien und Kindern zu erklären, dass recycelt nicht immer recycelt ist.
Er sieht die Situation zu Hause als Beispiel für die vieler Haushalte: „Es bedarf mehr Aufklärung bei den Endverbraucher:innen“, schließt er. „Kunststoff ist ein toller Stoff, er ermöglicht, dass sich zum Beispiel alle warme Kleidung leisten können; auch in der Medizin ist er nicht mehr wegzudenken. Plastikfrei ist nicht möglich, aber Plastik ist wie ein Antibiotikum, wenn man es falsch nimmt, dann verursacht es Schmerzen und macht Vieles kaputt, während es in der richtigen Dosierung ein Wundermittel ist.