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EU entwirft eigenes Lieferkettengesetz – was auf Modeunternehmen zukommen könnte

Von DPA

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Business |HINTERGRUND

Hamburger Hafen. Bild: Joerg Trampert / pixelio.de

Der deutsche Bundestag hat bereits ein Gesetz beschlossen, nun legt die EU-Kommission nach: Große Unternehmen in der Europäischen Union sollen für Kinder- oder Zwangsarbeit und Umweltverschmutzung ihrer internationalen Lieferanten verantwortlich gemacht werden.

Am Mittwoch präsentierte die Brüsseler Behörde einen Vorschlag für ein entsprechendes EU-Lieferkettengesetz. Die Richtlinie könnte strenger werden als die deutsche Regelung. Zum einen könnten deutlich mehr Mode- und Textil-Unternehmen von den neuen Regeln betroffen sein, weil der Sektor als risikobehafteter eingeordnet wurde als andere. Zum anderen geht der EU-Entwurf im Vergleich zum deutschen Lieferkettengesetz stärker auf Umweltzerstörung ein.

Welche Firmen sind betroffen?

Konkret sieht der Entwurf mehrere Grenzen vor. EU-Firmen sind betroffen, wenn sie weltweit einen Jahresumsatz von mehr als 150 Millionen Euro erwirtschaften und mehr als 500 Mitarbeitende haben. Strengere Regeln gibt es für Unternehmen, die in Sektoren arbeiten, bei denen das Risiko von Ausbeutung und Umweltzerstörung höher ist – etwa die Textilindustrie, Bergbau oder Landwirtschaft. Hier sind 250 Angestellte und 40 Millionen Euro Umsatz vorgesehen. Bei Firmen aus Drittstaaten gilt nur der Umsatz, dieser muss aber in der EU erwirtschaftet werden.

Nach Angaben der EU-Kommission sind rund 13 000 EU-Firmen und 4000 Firmen aus Drittstaaten betroffen. Es gibt aber auch andere Schätzungen: Der CDU-Politiker Markus Pieper geht davon aus, dass allein 14 000 deutsche Unternehmen betroffen sein könnten.

Welche Unterschiede gibt es zum deutschen Gesetz?

Während die geplante EU-Richtlinie noch weiter vom Europaparlament und den EU-Ländern verhandelt werden muss, ist das deutsche Gesetz schon beschlossen. Es gilt ab 2023, und zwar vorerst für Unternehmen mit mehr als 3000 Mitarbeitern. Von 2024 an sinkt diese Schwelle auf 1000 – ein Umsatzkriterium ist nicht vorgesehen. Laut Statistik gibt es in Deutschland rund 2890 Unternehmen mit mindestens 1000 Beschäftigten. Auch Umweltzerstörungen sind von dem Gesetz erfasst, aber nur wenn diese mit Leid bei Menschen oder Korruption einhergehen.

Im geplanten EU-Gesetz ist zudem vorgesehen, dass Opfer von Verstößen gegen Arbeitsrechte und Umweltauflagen die Möglichkeit hätten, vor den zuständigen nationalen Gerichten zu klagen. Dies ist dem Entwurf zufolge jedoch nur für Geschäftsbeziehungen mit Zulieferern vorgesehen, die auf Dauer angelegt sind. Sollte die Richtlinie wie nun vorgeschlagen in Kraft treten, müsste das deutsche Gesetz angepasst werden.

Das kommt auf die Unternehmen zu

Dem Vorschlag zufolge sollen die Mitgliedstaaten Regeln für die zivilrechtliche Haftung von Unternehmen für Schäden festlegen. Dazu zählt, dass die betroffenen Unternehmen ermitteln müssten, ob sich ihre Geschäfte nachteilig auf Menschenrechte und Umwelt auswirken, und Verstöße falls erforderlich abmildern oder verhindern. Gegen Unternehmen, die sich nicht an die Vorgaben halten, könnten EU-Länder etwa Geldbußen verhängen, wie die Kommission mitteilte.

Was das Gesetz Verbraucher:innen bringt

Verbraucher:innen sollten darauf vertrauen können, dass keine mit Kinder- oder Zwangsarbeit produzierten Produkte angeboten werden oder Profit auf Kosten der Umwelt gemacht wird. Zugleich ist es möglich, dass weniger Produkte zu sehr billigen Dumpingpreisen im Angebot sind, wenn Niedrigstlöhnen die Basis entzogen wird.

Das sagen Verbände und NGOs

Es gibt Kritik und Lob. Die Anforderungen des EU-Entwurfs seien “unverhältnismäßig für viele mittelständische Textil- und Modeunternehmen”, kritisierte der Verband Textil + Mode am Mittwoch. Der Verband kritisierte auch, dass der Textil- und Modesektor in dem Entwurf als risikohafter als andere Bereiche eingestuft wurde. „Die Schlechterstellung von Textil und Mode gegenüber anderen Industrien entspricht nicht der Realität”, sagte Uwe Mazura, Hauptgeschäftsführer des Gesamtverbandes der deutschen Textil- und Modeindustrie.

Das Bündnis "Initiative Lieferkettengesetz", in dem etwa Gewerkschaften und Umweltverbände vertreten sind, begrüßt hingegen den Entwurf und spricht von einem Grundstein für weniger Ausbeutung und Umweltzerstörung.

Der Initiative geht der Entwurf jedoch nicht weit genug: „Für den großen Wurf müsste die EU aber die heißen Eisen konsequenter anfassen: Sorgfaltspflichten nicht nur für große Unternehmen", sagte Johannes Heeg, Sprecher der Initiative, in einer Mitteilung am Mittwoch. Die Organisation fordert klare klimabezogene Pflichten in der Lieferkette und eine Haftungsregelung ohne Schlupflöcher, die Gerechtigkeit für Betroffene von Menschenrechtsverletzungen schaffe. Auch der Deutsche Gewerkschaftsbund begrüßte das Gesetz grundsätzlich, wünscht sich aber mehr Mitspracherecht für Arbeitnehmervertretungen.

Das sagen Politiker zum Entwurf

Ähnlich auseinander gehen die Meinungen in der Politik. Während Politikerinnen und Politiker der Grünen und der SPD das Vorhaben der EU-Kommission begrüßen, geht es Unionspolitikern und der FDP zu weit. Bundesentwicklungsministerin Svenja Schulze (SPD) sprach von einem starken Aufschlag und hofft, dass vor allem Frauen von der geplanten Richtlinie profitieren.

„Es ist gut, dass die EU-Kommission ein ambitioniertes Lieferkettengesetz vorschlägt", sagte etwa die Bundestagsabgeordnete Renate Künast (Grüne). „Für uns ist klar, dass die großen Konzerne, die vom Vorschlag erfasst sind, auch ihren Treibhausgas-Ausstoß reduzieren müssen", so der SPD-Abgeordnete Tiemo Wölken.

„Es wäre nicht verwunderlich, wenn sich europäische Unternehmen infolge dieses Vorschlags aus einigen Regionen dieser Welt zurückziehen", sagte der CSU-Politiker Markus Ferber. Er befürchtet, dass diese Lücken durch chinesische Konkurrenz genutzt würden. Svenja Hahn von der FDP kritisiert, dass das Vorhaben den Unternehmen zu viel Bürokratie auflasten könnte. (dpa/FashionUnited)

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