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Fashion Revolution Index 2022: Kaum Fortschritte und fehlende Transparenz

Von Lara Grobosch

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Business

Bild: Unsplash

Modemarken und -einzelhändler haben im vergangenen Jahr kaum Fortschritte bei der Offenlegung ihrer Produktionsbedingungen und Nachhaltigkeitsbemühungen gemacht, lautet das Ergebnis des jüngsten Fashion Transparency Index der Non-Profit-Organisation Fashion Revolution.

In seiner inzwischen siebten Ausgabe bewertet der Index 250 der weltweit größten Modemarken und -einzelhändler auf der Grundlage ihrer öffentlichen Angaben zu Menschenrechts- und Umweltrichtlinien, -praktiken und -auswirkungen in ihren Betrieben und Lieferketten. Die durchschnittliche Gesamtbewertung der Marken lag bei nur 24 Prozent – gerade mal ein Prozent mehr als im letzten Jahr.

Ein Drittel der untersuchten Labels erreichten weniger als zehn Prozent, darunter Dolce & Gabbana und Valentino. Davon wurden 17 große Marken mit null Prozent bewertet, unter anderem Designerbrands wie Jil Sander, Max Mara und Tom Ford aber auch Fast-Fashion-Händler wie Fashion Nova, Shein und New Yorker.

Drei Marken teilten sich den ersten Platz mit einer Bewertung von jeweils 78 Prozent: der italienische Einzelhändler OVS zusammen mit den Einzelhandels-Giganten Target Australia und Kmart Australia. Die größten Aufsteiger in diesem Jahr sind die Marken der Calzedonia Group, die ihre Punktzahl auf 54 Prozent steigern konnten, eine deutliche Verbesserung im Vergleich zu den 11 Prozent des letzten Jahres.

Die veröffentlichten Informationen der Marken und Einzelhändler konzentrieren sich gerne auf ihr Engagement und ihre Maßnahmen zu Menschenrechts- und Umweltthemen, aber deutlich weniger auf die Ergebnisse, Resultate und Auswirkungen ihrer Bemühungen, so Fashion Revolution. „Der Fashion Transparency Index hat nicht den Anspruch, eine Rangliste für Marken zu erstellen, die als nachhaltig gelten; er ist kein Shopping Guide“, sagte Delphine Williot, Policy und Research Koordinatorin, bei der Pressevorstellung des Indexes in London am Mittwoch. „Wenn eine Marke auf dem Index sehr gut abschneidet, bedeutet das nicht, dass sie nachhaltig ist, sondern einfach nur, dass sie transparent ist und wir sie zur Rechenschaft ziehen können.“

Verschleierung bei Überproduktion und sozialer Ungerechtigkeit

85 Prozent der Marken legt ihre jährlichen Produktionsmengen nicht offen und das trotz des zunehmenden Drucks zur Reduzierung der Verschwendung von Kleidung auf der ganzen Welt. „Die Marken wissen genau, wie viel sie produzieren, denn kein Unternehmen ist nachhaltig, wenn es nicht weiß, was es produziert. Es ist also klar, dass sie sich dafür entscheiden, diese Informationen nicht offenzulegen, um die Auswirkungen von Überproduktion und Überkonsum zu verschleiern,“ sagte Liv Simpliciano, Leiterin für Policy und Forschung bei Fashion Revolution.

Fast die Hälfte der untersuchten Marken veröffentlicht außerdem Ziele für nachhaltige Materialien, doch nur 37 Prozent von ihnen geben an, was ein nachhaltiges Material wirklich ausmacht.

Auch beim Thema der sozialen Gerechtigkeit halten sich die meisten großen Marken und Einzelhändler lieber bedeckt: 96 Prozent von ihnen machen keine Angaben zur Anzahl der Arbeitnehmer:innen in ihrer Lieferkette, die existenzsichernde Löhne erhalten und nur 27 Prozent legen offen, wie sie existenzsichernde Löhne für ihre Mitarbeiter:innen erreichen wollen.

Viele Marken nutzen ihre Kommunikationskanäle, um über soziale Gerechtigkeit zu sprechen. Das Engagement der Marken muss jedoch über Lippenbekenntnisse hinausgehen, fordert Fashion Revolution. Nur acht Prozent der Marken veröffentlichen tatsächlich Maßnahmen zur ethnischen Gleichstellung in ihren Lieferketten, so die Ergebnisse des Index.

Als Reaktion auf die erschreckenden Zahlen hat die Organisation die Kampagne „Good Clothes, Fair Pay“ ins Leben gerufen, die sich für Gesetze für existenzsichernde Löhne in der Bekleidungs-, Textil- und Schuhindustrie einsetzt. Auf der Website goodclothefajrpay.eu möchte Fashion Revolution eine Million Unterschriften von EU-Bürger:innen sammeln.

Intransparenz als bewusste Strategie zur Festigung des Status quo

Die Modebranche muss ihre Transparenz dringend erhöhen, um die Klimakrise und die soziale Ungleichheit zu bekämpfen, so der Report. Mehr Transparenz über die Lieferketten von Marken sollte ein erster Schritt sein, um schädliche Praktiken zu beseitigen und faire Arbeitsverhältnisse zu fördern.

„Es ist frustrierend zu sehen, dass die Marken bei kritischen Themen wie dem Abfallvolumen, dem CO2- und Wasser-Fußabdruck und der Bezahlung von Arbeiter:innen mit existenzsichernden Löhnen nach wie vor nicht transparent sind“, sagte Simpliciano.

„Wenn es an Transparenz in der Sache selbst mangelt, können wir nicht vernünftig nachvollziehen, ob das, was getan wird, robust genug ist, um den dringend benötigten Wandel voranzutreiben. Transparenz stärkt die Zivilgesellschaft und die Arbeitnehmervertretungen, und solange Marken nicht alle Informationen offenlegen, die notwendig sind, um sie für ihre Auswirkungen zur Rechenschaft zu ziehen, wirkt Intransparenz wie eine bewusste Strategie zur Festigung des Status quo.“

Fashion revolution
Fashion Transparency Index