Fashion Transparency Index 2023 verdeutlicht Nachholbedarf der Branche
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Das internationale Fashion-Netzwerk Fashion Revolution hat seinen siebten alljährlichen Fashion Transparency Index herausgebracht, der die Bemühungen großer Modeunternehmen weltweit um Transparenz beleuchtet.
Für den Fashion Transparency Index 2023 wurden wie in den Vorjahren 250 der größten Modemarken und Einzelhandelsunternehmen unter die Lupe genommen. Sie wurden in verschiedenen Bereichen eingestuft, darunter Rückverfolgbarkeit der Lieferkette, Einkaufspolitik, Abfall und Überproduktion, Übergang zur Kreislaufwirtschaft, Bemühungen in den Bereichen Entwaldung, Klima, Existenzlöhne und Vereinigungsfreiheit sowie Sorgfaltspflicht, Wasser- und Chemikalienmanagement und verwendete Materialien.
Fazit
Das Ergebnis ist auch in diesem Jahr, dass der Fortschritt immer noch zu langsam ist: Im Vergleich zum Vorjahr stieg die durchschnittliche Gesamtpunktzahl um gerade mal 2 Prozent auf nur 26 Prozent. Jedoch erreichten im Fashion Transparency Index 2023 zwei Marken zum ersten Mal eine Prozentzahl von mehr als 80 Prozent (s. unten). Mehr als ein Viertel (28 Prozent) oder 70 von 250 Unternehmen liegen immer noch zwischen 0 und 10 Prozent, was jedoch eine leichte Verbesserung im Vergleich zum Vorjahr mit 32 Prozent darstellt.
Luxusmarken schnitten 2023 besser ab, angespornt durch die Tatsache, dass mehr von ihnen als je zuvor Listen ihrer Herstellungsbetriebe offenlegen. Zum ersten Mal ist auch eine Luxusmarke mit einer durchschnittlichen Gesamtpunktzahl von 80 Prozent unter den Spitzenreitern. Zudem konnten fünf Luxusmarken ihre Punktzahl im Vergleich zum letzten Jahr um bis zu 21 Prozent steigern.
„Als Aktivistin ist es zum Verrücktwerden, ständig auf das zu pochen, was letztlich das absolute Minimum dessen ist, was wir von großen Modemarken erwarten sollten. Die unscheinbaren Fortschritte in diesem Bereich sind angesichts der wachsenden sozialen Ungleichheit, der Umweltzerstörung und mehrerer neuer Gesetze alarmierend. Wir freuen uns, dass eine Minderheit von Marken endlich 80 Prozent oder mehr erreicht, aber selbst 100 Prozent Transparenz sind nur der Anfang, und es scheint, dass viele große Modemarken noch nicht einmal am Wettbewerb teilnehmen“, kommentiert Liv Simpliciano, Policy and Research Manager bei Fashion Revolution.
Ein Blick auf die einzelnen Bereiche:
Rückverfolgbarkeit der Lieferkette
Zum ersten Mal haben mehr als die Hälfte (52 Prozent) der großen Modemarken Listen ihrer Tier-1-Herstellungsbetriebe offengelegt. Die durchschnittliche Gesamtpunktzahl liegt in diesem Bereich jedoch bei 23 Prozent, wobei fast die Hälfte (45 Prozent) der Marken nur zwischen 0 und 1 Prozent erreichten, also fast gar nichts mitteilen.
„Nachdem wir uns jahrelang gemeinsam mit unseren Verbündeten für mehr Transparenz in der Lieferkette eingesetzt haben, ist es ein großer Erfolg, endlich berichten zu können, dass mehr als die Hälfte der großen Modemarken (52 Prozent) im Index nun ihre Tier-1-Lieferant:innenlisten offenlegen. Dies ist eine erhebliche Verbesserung, wenn man bedenkt, dass 2017, als wir mit dieser Arbeit gerade erst begonnen hatten, nur 32 von 100 Marken (32 Prozent) eine Liste der Tier-1-Fabriken, in denen ihre Kleidung hergestellt wird, offenlegten und nun 129 von 250 Marken (52 Prozent) dies tun“, lobt der Bericht.
Steuer- und Einkaufspolitik
Weniger als die Hälfte (45 Prozent) der Unternehmen veröffentlichen ihre verantwortungsvolle Steuerstrategie und nur 18 Prozent legen den prozentualen Gehaltsanteil ihrer Manager:innen offen, der an Nachhaltigkeitsziele gebunden ist.
Nur 12 Prozent veröffentlichen einen Verhaltenskodex für einen verantwortungsvollen Einkauf und noch weniger (4 Prozent) geben die Anzahl der Aufträge an, bei denen sie rückwirkende Änderungen an den zuvor vereinbarten Zahlungsbedingungen vornahmen. Nur eine Minderheit (11 Prozent) legt zudem ihre Praxis offen, Lieferbetriebe innerhalb von 60 Tagen zu bezahlen.
Abfall, Überproduktion und Kreislaufwirtschaft
Ein Großteil (88 Prozent) der untersuchten Marken legt seine jährlichen Produktionsmengen immer noch nicht offen, wodurch Ausmaß und Tatsache der Überproduktion verschleiert werden. Wenig überraschend verpflichten sich demnach die meisten (99 Prozent) nicht, die nachhaltigste Maßnahme überhaupt zu ergreifen und die Anzahl der von ihnen produzierten neuen Artikel zu verringern.
Dementsprechend bleibt auch der Übergang zu einer kreislauffähigeren Produktion auf der Strecke: 95 Prozent der Unternehmen sind nicht transparent in Bezug darauf, wie sie einen Übergang zur Kreislaufwirtschaft ermöglichen wollen.
Entwaldung und Klima
Nur 12 Prozent der großen Modemarken haben in diesem Jahr eine zeitlich begrenzte, messbare Verpflichtung zur Einstellung der Abholzung der Wälder veröffentlicht; 3 Prozent weniger als im letzten Jahr. Zudem veröffentlichen nur 7 Prozent messbare Fortschritte auf diesem Weg.
Im Bereich Klima ziehen noch düstere Wolken am Himmel auf: Nur 9 Prozent der Marken teilen mit, welche Maßnahmen sie ergreifen, um ihre Lieferbetriebe bei der Umstellung auf erneuerbare Energien zu unterstützen. Ein Großteil (94 Prozent) teilt immer noch nicht mit, welche Brennstoffe bei der Herstellung ihrer Kleidung verwendet werden. Nur zwei Marken (Armani und Benetton) haben die Voraussicht, sich zu einer Wachstumsrücknahme zu verpflichten.
Existenzlöhne und Vereinigungsfreiheit
Was Existenzlöhne angeht, so scheint es die meisten Mode- und Einzelhandelsunternehmen nicht zu kümmern, wie die Arbeiter:innen entlang ihrer Lieferkette finanziell über die Runden kommen: Gerade einmal 1 Prozent von ihnen gaben an, dass die Arbeitnehmer:innen in ihren Lieferketten einen existenzsichernden Lohn erhalten. Für Fashion Revolution unterstreicht dies die dringende Notwendigkeit einer Gesetzgebung für existenzsichernde Löhne, für die sich die Organisation im Rahmen von Good Clothes und Fair Pay aktiv einsetzt.
Auch wenn eine Mehrheit (85 Prozent) der untersuchten Unternehmen Richtlinien veröffentlichen, in denen sie ihr Engagement für die Vereinigungsfreiheit, das Recht auf gewerkschaftliche Organisierung und Tarifverhandlungen auf Ebene der Lieferkette darlegen, teilt gerade mal gut ein Drittel (39 Prozent) auch mit, wie sie diese in die Tat umsetzen.
Lediglich 1 Prozent von ihnen legt die Anzahl der Tarifverträge offen, die höhere Löhne als die gesetzlich vorgeschriebenen vorsehen, und nur 15 Prozent die Anzahl oder den Prozentsatz ihrer Zulieferbetriebe, die über unabhängige, demokratisch gewählte Gewerkschaften verfügen.
Wasser- und Chemikalienmanagement
Obwohl Studien zeigen, dass gefährliche Chemikalien immer noch in Kleidung enthalten sind, veröffentlichen nur 7 Prozent der großen Modemarken die Ergebnisse der Abwassertests ihrer Lieferbetriebe.
Während fast ein Drittel (32 Prozent) ihren eigenen Wasser-Fußabdruck veröffentlichen, tun dies nur 24 Prozent für ihre herstellenden Betriebe beziehungsweise nur 4 Prozent auf Faser- und Rohstoffebene. Darüber hinaus legen nur 23 Prozent ihr Verfahren zur Durchführung von Bewertungen wasserbezogener Risiken offen.
Sorgfaltspflicht
Gut zwei Drittel (68 Prozent) der untersuchten Unternehmen legen ihre Vorgehensweise bei der Durchführung der Sorgfaltsprüfung für Menschenrechte offen, und gut ein Drittel (37 Prozent), wie sie die betroffenen Interessengruppen in diesem Prozess konsultieren.
Fast die Hälfte (49 Prozent) gibt ihre Vorgehensweise bei der Durchführung einer Umwelt-Due-Diligence offen, und 37 Prozent die wichtigsten Umweltrisiken, -auswirkungen und -verstöße, die in diesem Prozess ermittelt werden.
Verwendete Materialien
Sobald es um den Bereich Materialien und Nachhaltigkeit geht, wird es schwammig: Obwohl über die Hälfte (51 Prozent) der teilnehmenden Marken und Einzelhandelsunternehmen Ziele für nachhaltige Materialien veröffentlichen, definieren nur 44 Prozent auch, was sie unter „nachhaltig“ verstehen.
Nur 42 Prozent legen die Fortschritte bei der Erreichung dieser Ziele offen beziehungsweise nur 29 Prozent die Aufschlüsselung der jährlich beschafften Fasern.
Aufsteiger und Absteiger
Die italienische Marke OVS erreichte auch in diesem Jahr mit 83 Prozent die höchste Punktzahl, gefolgt von der italienischen Luxusmarke Gucci mit 80 Prozent und den australischen Einzelhandelsunternehmen Kmart Australia und Target Australia mit 76 Prozent. Während letztere und OVS und sich seit dem letzten Jahr jeweils um 2 beziehungsweise 5 Prozentpunkte steigern konnten, waren es bei Gucci stolze 21 Prozentpunkte. Ebenfalls verbesserten sich Armani (um 19 Prozentpunkte), Jil Sander, Miu Miu und Prada mit jeweils 17 Prozentpunkten seit 2022.
„Jil Sander hatte zuvor durchweg Null Prozent im Index erreicht, so dass es ermutigend ist, dass das Unternehmen nach vielen Jahren wieder teilgenommen und seinen Wert verbessert hat. Dies zeigt, dass große Fortschritte bei der Transparenz möglich sind, wenn der Wille vorhanden ist. Die Teilnahme von Luxusmarken zeigt, dass sich die Transparenz im Bereich Luxus, wenn es darum geht, wer und wo unsere Kleidung hergestellt wird, grundlegend geändert hat“, so der Bericht.
Die Anzahl der Unternehmen, die Null Prozentpunkte erreichten, stieg 2023 von 17 auf 18, nämlich Anta, Belle, Big Bazaar, Bosideng, Fashion Nova, K-Way, Koovs, Max Mara, Metersbonwe, Mexx, New Yorker, Heilan Home, Savage x Fenty, Semir, Splash, Tom Ford, Van Heusen und Youngor.
„Anhaltender Mangel an Transparenz bei fast der Hälfte der untersuchten großen Modemarken, selbst angesichts der sich verschärfenden Klimakrise und einer Welle neuer Gesetze, die Transparenz vorschreiben, scheint es eine bewusste Taktik zu sein, den Status quo beizubehalten, was wiederum die Frage aufwirft: Was wird versteckt?“, ist jedoch das Fazit des Fashion Transparency Index 2023.