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Gesetze, Daten, Vereinheitlichung: Wie die Mode gegen Greenwashing vorgeht

Von Huw Hughes

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Bild: Unsplash

Das wachsende Interesse der Menschen an umweltfreundlicherer Mode hat in den letzten Jahren zu einer Zunahme des sogenannten Greenwashings geführt. Dabei übertreiben Unternehmen ihre Umweltfreundlichkeit, indem sie vage oder irreführende Informationen über die von ihnen verkauften Produkte anbieten. Aber was kann man tun, um ein so weit verbreitetes und komplexes Phänomen zu bekämpfen?

Auf dem OECD-Forum zur Sorgfaltspflicht in der Bekleidungs- und Schuhbranche, das vom 16. bis 17. Februar in Paris stattfand, wurde genau diese Frage diskutiert. Zentrale Themen waren dabei vor allem die Regulierung, Vereinheitlichung und Vermittlung komplexer Nachhaltigkeitskenntnisse.

„Wir müssen über [Nachhaltigkeits-]Behauptungen in einem sehr weiten Sinne nachdenken“, sagte Kristin Komives, Programmdirektorin bei ISEAL, einer in Großbritannien ansässigen gemeinnützigen Organisation, die sich für die Glaubwürdigkeit von marktbasierten Maßnahmen für Nachhaltigkeit einsetzt.

„Behauptungen können Worte sein, es können Bilder sein, sie können verbreitet werden“, sagte sie und fügte hinzu, dass diese Behauptungen sich sowohl auf Produkte, als auch auf Investitionen in Lieferketten, oder Nachhaltigkeitsverpflichtungen beziehen können. Kurz gesagt, Behauptungen über Nachhaltigkeit sind allgegenwärtig, und damit auch Greenwashing.

Regulierungsbehörden gehen hart gegen Greenwashing vor

Um die Unklarheit darüber zu bekämpfen, was Unternehmen meinen, wenn sie ein Produkt als 'nachhaltig' bezeichnen – oder eine andere Variante der Worte 'umweltfreundlich', 'grün' oder 'ökologisch' – haben verschiedene internationale Verbraucher:innenschutzbehörden damit begonnen, gegen unbegründete Behauptungen vorzugehen.

„Jeder kennt das Prinzip: Man sollte nicht lügen. Und im Marketingrecht gilt das auch“, sagte Tonje Drevland, Leiterin der Aufsichtsabteilung der norwegischen Verbraucher:innenschutzbehörde (NCA) und bezog sich dabei auf den Marketingkodex der Internationalen Handelskammer (ICC).

Im vergangenen Jahr hat die NCA das norwegische Bekleidungsunternehmen Norrøna sowie den schwedischen Riesen H&M wegen „irreführender Umweltaussagen“ abgemahnt. Auch die britische Wettbewerbsbehörde CMA ermittelt derzeit gegen die Modehändler Boohoo, Asos und Asda wegen ähnlicher 'grüner' Behauptungen und hat der Regierung empfohlen, Änderungen an der Verbraucher:innenschutzgesetzgebung vorzunehmen.

Jeremy Lardeau von der Sustainable Apparel Coalition (SAC) betonte, wie wichtig eine strengere Gesetzgebung sei. Er sagte, man könne sich nicht „auf den guten Willen einiger weniger Unternehmen verlassen, um ihre Geschäftsmodelle komplett zu ändern“, denn „es lässt sich beobachten, wie neue Akteur:innen in anderen Ländern blitzschnell in den Raum der Ultra-Fast-Fashion eindringen.“

„Ich glaube, dass wir das Problem auf einer höheren Ebene, als der der Unternehmensverantwortung angehen müssen, denn das reicht einfach nicht aus“, sagte er. „Ich denke, das Problem muss auf politischer Ebene angegangen werden.“

Verbraucher:innen brauchen genauere Angaben

Die Teilnehmenden des Talks wiesen auch darauf hin, dass den Verbraucher:innen klare Angaben angeboten werden müssen, die sie leicht verstehen können. „Wenn man sagt 'nachhaltigeres Denim', was bedeutet das?", fragte Drevland. „Kann ich als Verbraucher:in auf Grundlage dieser Aussage eine fundierte Entscheidung treffen? Ich würde ganz klar sagen: Nein. Bezieht sich das auf die Arbeitsrechte? Bezieht es sich auf die Umweltaspekte der Denim-Produktion? Das lässt sich anhand dieser Angabe nicht feststellen.“

Der Druck auf die Marken wird zunehmen, ihre Behauptungen über die Nachhaltigkeit mit Unterlagen zu belegen. Können sie dies nicht, drohen ihnen ernsthafte Probleme. Auch Gerichtsverfahren sind möglich, vor allem wenn sich herausstellt, dass es sich nicht nur um vage Behauptungen, sondern um falsche Behauptungen handelt. Drevland warnte, dass die gesamte Branche auf ein solches Durchgreifen „vorbereitet sein“ müsse und wies darauf hin, dass die EU und andere Länder strengere Gesetze erlassen, um die Verbraucher:innenschutzbehörden bei der Bekämpfung von Greenwashing zu unterstützen.

Material ist nicht alles, wenn es um Nachhaltigkeit geht

Aber was kann man in der Zwischenzeit, während neue Gesetze geschaffen werden, tun, um Greenwashing zu bekämpfen? Drevland betonte, dass eines der größten Probleme im Bekleidungs- und Schuhsektor darin bestehe, dass sich Marken bei der Beschreibung ihrer Nachhaltigkeitsbemühungen nur darauf konzentrieren, aus welchem Material ein Produkt hergestellt ist. Sie merkte an, dass „es schwer herauszufinden“ sei, „was die Wahl der Materialien im gesamten Lebenszyklus eines Produkts bedeutet“, und fügte hinzu, dass niemand das wisse, nicht einmal Expert:innen auf diesem Gebiet. Wie sollen Verbraucher:innen dann informierte Entscheidungen treffen?

Die Sustainable Apparel Coalition sucht nach Antworten

Die Sustainable Apparel Coalition (SAC) ist eine Organisation, die versucht, eine umfassendere Antwort auf die Frage zu geben, ob ein Produkt oder eine Organisation nachhaltig ist oder nicht. 2011 wurde der Higg-Index ins Leben gerufen, eine Reihe von Instrumenten zur Messung der Nachhaltigkeit von Materialien, aber auch der sozialen und ökologischen Auswirkungen von Produkten in Bereichen wie Wasserverbrauch, Kohlenstoffemissionen und Arbeitsbedingungen.

Lardeau, der Vizepräsident des Higg-Index, sagte, dass vor der Einführung des Index „Unternehmen in Silos arbeiteten und ihre eigenen Rahmen für die Messung und Bewertung der Nachhaltigkeit schufen, was zu Redundanz und Prüfungsmüdigkeit in der gesamten Lieferkette führte“. Der Index biete eine „neue und revolutionäre“ Möglichkeit für Unternehmen, „bei den Regeln zusammenzuarbeiten und dann unter diesen Regeln zu konkurrieren“.

Das ist jedoch keine leichte Aufgabe, wie die Koalition im vergangenen Jahr feststellen musste, als ihr produktbezogenes Instrument, der Higg Materials Sustainability Index (Higg MSI), von der norwegischen NCA verboten wurde. Seine Daten waren von den Verbraucherschützer:innen als unzureichende Grundlage für Marketingaussagen bezüglich der Nachhaltigkeit angesehen worden. Die SAC hat seither Aktualisierungen ihres Higg-Indexes veröffentlicht. Lardeau merkte an, dass die Untersuchung der Verbraucher:innenschutzbehörde „eine enorme Lernerfahrung“ gewesen sei und „einige wirklich gute Fragen aufgeworfen“ habe, „die wir als Branche und als Gesellschaft noch nicht wirklich beantwortet haben, nämlich welche Rolle komplexe Daten im Verbraucher:innenmarketing spielen und wie wir sie auf angemessene Weise präsentieren können.“

„Wir glauben, dass gemeinsame Messsysteme eine Rolle spielen, weil Fakten und Daten vergleichbar sein müssen“, aber es muss daran gearbeitet werden, „die Vereinheitlichung von Leitlinien, Interpretationen und Vorschriften voranzutreiben, damit wir gleiche Wettbewerbsbedingungen haben.​​“, fügte er hinzu.

Greenwashing: Kurzfristiger Nutzen, langfristiger Schaden

Einige Diskussionsteilnehmende wiesen auch darauf hin, dass Greenwashing auf lange Sicht den Marken mehr schade als nütze. George Harding-Rolls, Kampagnenmanager bei der niederländischen gemeinnützigen Changing Markets Foundation, stellte fest, dass „die Irreführung der Verbraucher:innen das Vertrauen untergräbt“, das „in Sekundenschnelle zerstört ist und Jahre braucht, um wiederhergestellt zu werden“.

Er verwies auf Fast Fashion-Giganten wie H&M, die ‚Conscious Collections‘ herausbringen, die von den Verbraucher:innen zunehmend als irreführend erkannt werden. „Wenn Sie eine Marke sind, die Greenwashing betreibt, oder eine Marke, die unbegründete Behauptungen aufstellt, schaffen Sie sich selbst eine unfaire Geschäftspraxis. Sie schießen sich damit selbst in den Fuß“, sagte er.

Aus diesem Grund betonte er, dass die Hebel zur Veränderung, auf die man uns konzentrieren müsse, „eine wirklich gut konzipierte Gesetzgebung und Regulierung“ seien, wobei er feststellte, dass die Zertifizierung in ihrer jetzigen Form „ein ziemlich schmales Instrument“ sei.

Er sprach auch das Thema ‚Greenhushing‘ an, ein relativ neuer Begriff in der Branche, der sich auf Unternehmen bezieht, die ihre Nachhaltigkeitsinitiativen nicht ausreichend offenlegen, um sich der Kontrolle zu entziehen.

Während er einräumte, dass die Transparenz von Nachhaltigkeitsinitiativen von entscheidender Bedeutung sei, merkte er auch an, dass ‚Greenhushing‘ in gewisser Weise als „wichtiger Schritt zur Beseitigung der Vernebelung“ des Greenwashings betrachtet werden könne: „Wenn Sie keine Behauptung aufstellen können, sollten Sie auch keine Behauptung aufstellen.“

Drevland von der NCA betonte auch, wie wichtig es ist, dass Behauptungen nur dann aufgestellt werden, wenn sie auch belegt werden können. „Wir sagen nicht, dass Unternehmen nicht mit Nachhaltigkeit arbeiten sollten. Das ist die Priorität Nummer eins“, sagte sie. „Aber Sie sollten erst dann etwas über Nachhaltigkeit sagen, wenn Sie die Kontrolle über Ihre Lieferketten, die Menschenrechte und die Arbeitnehmer:innenrechte haben. Sie müssen diese Themen unter Kontrolle haben, bevor Sie sagen können, dass Ihr Produkt nachhaltiger ist.“

Dieser Artikel wurde auf FashionUnited.uk veröffentlicht. Übersetzung und redaktionelle Bearbeitung: Barbara Russ

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