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GIZ-Koordinator: “Niedrige Arbeitskosten allein werden wirtschaftliche Entwicklung Bangladeschs nicht garantieren”

Von Simone Preuss

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Business |Interview

Werner Lange, GIZ Cluster Koordinator, GIZ Bangladesch. Bild: Sumit Suryawanshi für FashionUnited.

Was sind die Vorteile des Standorts Bangladesch, wie hat sich die Situation dort seit dem Rana-Plaza-Unglück verändert und wie wird es im zweitgrößten Beschaffungsland der Welt weitergehen? FashionUnited erörterte diese und andere Fragen mit Werner Lange, Cluster Koordinator bei der Deutschen Gesellschaft für International Zusammenarbeit (GIZ) GmbH in Dhaka, Bangladesch im Rahmen der Made in Bangladesh Week

Könnten Sie ein bisschen Ihren Werdegang nachzeichnen? Was hat Sie vom deutschen Einzelhandel zur Entwicklungsarbeit in Dhaka geführt?

Ich habe meinen Berufsweg im Warenhaus bei Karstadt begonnen und war dort über zwei Jahrzehnte aktiv. Bereits mit Ende zwanzig habe ich als Textilzentraleinkäufer meine ersten Erfahrungen mit globalen Beschaffungsmärkten gemacht, mit Mitte dreißig wurde ich als Direktor Einkauf und zehn Jahre danach auf Vorstandsebene tätig. Nach dem Merger von Karstadt und Quelle wechselte ich zur Metro-Tochter, Adler Modemärkte und zur Charles Vögele Holding, die ich 2012 verließ.

Es war dann eher Zufall, dass die GIZ mich wegen des Bündnisses für nachhaltige Textilien, das im Oktober 2014 gegründet wurde, angesprochen hat und Beratung durch einen Brancheninsider suchte. Die Aufgabe, als Sekretariatsleiter mit meinem Team einen für alle Interessengruppen konsensfähigen Aktionsplan zustande kommen zu lassen, war nach etwa einem halben Jahr erfüllt. Aber ich blieb und es ging bei der GIZ als Cluster Koordinator für das Portfolio von Textilprojekten in Dhaka, Bangladesch weiter.

Von Bonn nach Bangladesch ist es ein ganz schöner Sprung. Wie kam es dazu?

Meine Frau und ich haben vier Kinder, die alle sehr (aus-)reiselustig sind - zeitweise lebte keines mehr in Deutschland, aber zwei in Asien, wo wir sie des Öfteren besucht haben. Meine Frau und ich haben uns dann ebenfalls für Asien entschieden. Zudem war ich in jungen Jahren, als ich bei Karstadt war, bereits Zentraleinkäufer und habe das globale Weiterziehen der Textilkaravane unmittelbar erlebt und damit alle Orte der Welt kennengelernt, wo man Bekleidung produzieren kann – wußte also, worauf ich mich einlasse.

Dhaka war die Gelegenheit etwas zu bewegen, denn Deutschland ist der stärkste Exportmarkt und hat ein sehr großes Portfolio in der Entwicklungszusammenarbeit. Dies ist weltweit unvergleichbar und alle relevanten Stakeholdergruppen sind vor Ort.

Wie sieht der Ansatz in Bangladesch aus?

Als weltweit tätiger Dienstleister der internationalen Zusammenarbeit für nachhaltige Entwicklung und internationale Bildungsarbeit entwickelt die GIZ mit ihren Partnern wirksame Lösungen, die Menschen Perspektiven bieten und deren Lebensbedingungen dauerhaft verbessern. Als gemeinnütziges Bundesunternehmen unterstützt sie die Bundesregierung und viele weitere öffentliche und private Auftraggeber in unterschiedlichsten Themenfeldern – von der Wirtschafts- und Beschäftigungsförderung über Energie und Umweltthemen bis hin zur Förderung von Frieden und Sicherheit.

Für die Weiterentwicklung Bangladeschs wird künftig die berufliche Bildung unser Portfolio erweitern. In Deutschland ist diese von Betrieben und ihren Kammern getragen. Eine vergleichbare Infrastruktur gibt es hier nicht. Daher versuchen wir, Elemente der dualen Ausbildung so gut es eben geht anzuwenden und aufzubauen, hier muss sich die lokale Industrie noch mehr engagieren. Wir wollen, zum Beispiel, Arbeitsschutzbeauftragte als Berufsbild einführen, aber hier sind wir noch in der Konzeptionsphase.

A row of dresses ready to go at Green Smart Shirts Limited in Gazipur. Photo: Sumit Suryawanshi for FashionUnited.

Wie sehen Sie das Wachstum des Landes seit dem Rana-Plaza-Unglück?

Das Unglück hat am Ende des Tages viel Positives bewirkt. Die exportierenden Betriebe haben massiv die Arbeits- und Gebäudesicherheit verbessert. Die schlichte Logik der Einkäufer “comply or you’re out” hat sehr viel bewegt. Es gibt nicht “die Textilindustrie” in Bangladesch, die Situation ist diverser - es gibt viel mehr Licht und leider immer noch Schatten. Zu viele Betriebe erfüllen die Standards noch nicht und die staatliche Aufsicht und Kontrolle muß verbessert werden. 

Der Bangladesh Accord wurde zwar des Landes verwiesen, aber die Nachfolgeorganisation RSC (RMG Sustainability Council) lässt hoffen, denn die lokalen Industrieverbände und Gewerkschaften sitzen nun zusammen mit den Einkäufern an einem Tisch und wollen die Erfolge des Accord fortführen.

Als global zweitgrößter Bekleidungshersteller nach China fällt Bangladesh unweigerlich die Rolle zu, auch Technologie- und Innovationsführer zu werden. Das Beispiel Türkei zeigt, dass die Herstellung von Bekleidung irgendwann auch zur Herstellung von Textilmaschinen führen kann. Hier sehe ich ein Zukunftspotential für Bangladesch.

Was ist der Vorteil in Bangladesch?

Bangladesch hat den großen Vorteil, dass es mit 165 Millionen Menschen über viele Arbeitskräfte verfügt, die arbeiten wollen. Für weiteres Wachstum und Auslandsinvestitionen muss erreicht werden, dass diese Menschen unter sicheren und fairen Bedingungen und unter Chancengleichheit der Geschlechter zusammenarbeiten können. Niedrige Arbeitskosten allein werden die wirtschaftliche Entwicklung Bangladeschs nicht garantieren. 

In einer Kooperation mit der TU Dresden und dem Innovation Center des BGMEA wird aus psychologischer Sicht die Korrelationen von Arbeitsbedingungen und Produktivität betrachtet. Forschungsergebnisse aus Deutschland zeigen etwa, dass die Produktivität geschlechtergemischter Teams deutlich höher ist.

Die Bekleidungsindustrie in Bangladesch stand und steht immer noch im Rampenlicht und es ist inzwischen bei den Verbraucher:innen angekommen, dass ein T-Shirt für 2 Euro keine fairen Löhne garantieren kann. Dies gilt aber auch für andere Branchen, die noch nicht auf dem Radar sind.

Wie, denken Sie, wird es in Bangladesch weitergehen?

Derzeit ist das Angebot noch größer als die Nachfrage und die ausländischen Direktinvestitionen (FDIs) sind noch nicht so zahlreich wie erwartet, weil das Thema Compliance immer noch Fragezeichen aufwirft. Die Frage ist jetzt, mit einem wie weiten Blickwinkel wir auf Bangladesch schauen oder ob wir weiter dem undifferenzierten Textil-Narrativ hinterherlaufen?

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