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H&M-Deutschlandchef Maximilian Schüssler über die Mugler-Kapsel, deutsche Kund:innen und das “Schreckgespenst” Digitalisierung

Von Jule Scott

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Business|Exklusiv
Maximilian Schüssler, Country Sales Manager H&M Deutschland/Niederlande. Foto: H&M

Wochenlang gab es vor der neusten Deisgnerkollaboration von H&M kein Entkommen. Werbespots, Plakatwände und aufwendige Launchevents mit hochkarätigen Gästen priesen die Kollektion des französischen Luxusmodehauses Mugler für die schwedischen Modekette an. Die Rechnung scheint aufzugehen, denn nur wenige Tage nach dem Launch am 11. Mai ist diese bis auf einige Ausnahmen ausverkauft.

Warum eine Kollaboration dieses Kalibers trotz der aktuell herrschenden Inflation zeitgemäß ist, erklärt Maximilian Schüssler, Country Sales Manager H&M Deutschland und Niederlande, einige Tage vor dem weltweiten Launch. Seine Karriere bei H&M begann er als Trainee, im September trat er seine neue Position an. Im ersten Interview seit Amtsantritt spricht er über das Deutschlandgeschäft, Filialschließungen und die voranschreitende Digitalisierung. Schüssler verrät außerdem, welche Neuheiten Kund:innen bald in den deutschen Filialen erwarten können.

Die letzte wirklich große Designer-Kollaboration für H&M gab es 2021 – jetzt ein aufwendiges Comeback mit Mugler. Wie kam es dazu?

Nach den letzten Designerkollaborationen haben wir uns natürlich gefragt, was wir unseren Kund:innen in 2023, so kurz vor dem Jubiläum nächstes Jahr, bieten können. Das Haus Mugler stand schon einige Zeit auf der Wunschliste unserer globalen Kolleg:innen und ich weiß, dass die ersten Gespräche zu dieser Kollaboration noch mit Herrn Mugler persönlich stattgefunden haben.

Sie besitzen sogar selbst ein Stück aus der allerersten H&M-Zusammenarbeit mit einem Modeschöpfer…

2024 sind es zwanzig Jahre seit dem ersten Mal, als wir mit Karl Lagerfeld zusammengearbeitet haben. Ich war zu der Zeit [Anm.d.Red: 2004] noch nicht bei H&M angestellt, war noch nicht mal Student, habe aber noch ein Teil von damals, das ich in meiner Heimatstadt Heidelberg gekauft habe. Das sind zwei Jahrzehnte, in denen wir Mode demokratisieren, indem wir Kund:innen auf der ganzen Welt den Zugang zu besonderen Designerstücken ermöglichen.

In der Mode wird gerade viel von “Stealth Wealth” oder “Quiet Luxury” gesprochen. Im Gegensatz zu dieser Ästhetik fährt die Mugler x H&M Kollektion kostspielige Kampagnen und Launchevents auf. Ist aktuell der richtige Moment für ein solches Statement?

Von Anfang an war es unsere Vision, Mode für alle zugänglich zu machen. Unsere Kooperationen eröffnen den Zugang zu etwas Luxus, der sonst nur wenigen vorbehalten wäre: für unsere Kund:innen ist es also toll, in ein paar ausgewählten H&M-Stores und auf unserer Website besondere Designerstücke kaufen zu können. Wir werden abwarten müssen, wie die Reaktion der Kundinnen und Kunden in Deutschland ausfällt. Ich bin gespannt, aber ich bin auch sehr zuversichtlich, dass es der richtige Moment für diese Kollaboration ist.

Die Mugler-Kollektion von H&M liegt deutlich über dem Durchschnittspreis typischer H&M-Kleidung. Denken Sie, dass Kund:innen trotz der aktuell angespannten wirtschaftlichen Situation bereit sind, höhere Preise zu zahlen?

Wir glauben grundsätzlich, dass der Zugang zu Mode und Design keine Frage des Preises sein sollte. Das Spannende bei dem Thema Preisgestaltung ist, dass man durchaus höhere Preise verlangen kann – dafür muss allerdings die Qualität stimmen. Heißt auch, wenn wir über Designerstücke in einer sehr guten Qualität sprechen, die einzigartig sind – dann gibt es immer noch eine Grenze bei unseren Kund:innen – aber wir haben hier langjährige Erfahrung und wissen, was wir für ein solches Teil verlangen können.

Unterm Strich ist die Qualität nicht nur bei einer Designerkollaboration sondern für unser Produkt grundsätzlich ein ganz wichtiger Punkt.

Haben Sie Preise seit Beginn der Pandemie generell erhöht?

Nicht flächendeckend. Wir halten auch weiter unser Versprechen „value for money“ und wissen um die Preissensibilität unserer Kund:innen. Gleichzeitig verbessern wir konstant unsere Qualität und unsere Kollektionen. Für bestimmte Produkte sind Preiserhöhungen kein Thema, bei anderen Artikeln sind die Kund:innen kritische. Dafür sammeln wir Feedback, um es in den Einkauf, die Produktion und die Preisgestaltung mit einfließen zu lassen.

Die Krisen der letzten Jahre haben auch bei H&M Spuren hinterlassen – ein Sparprogramm wurde vergangenen November eingeführt. Wie geht es H&M in Deutschland?

Wir haben in den letzten Jahren den kund:innenorientierten Ansatz – die Customer Centricity – in unserer Kultur und in unserem Fokus weiter ausgebaut. Das gilt für alles, was wir tun. Wir sind sehr gut darin zu reflektieren, was unseren Kund:innen einen Mehrwert bietet und eben auch, was nicht. Dadurch sind wir meines Erachtens in Deutschland in einen kontinuierlichen Aufwärtstrend geraten. Insgesamt können wir einen positiven Umsatztrend verzeichnen, der sich auch in den steigenden Zahlen bei der Teilnahme an unserem Member Programm widerspiegelt. Natürlich war die Pandemie nicht einfach, aber wir haben auch über die Pandemie hinaus und bis heute einen Wettbewerbsvorteil: unser starker Kund:innenstamm, unsere Omni-Ausrichtung und unsere Verbundenheit seit 1980 im deutschen Markt.

Was macht den H&M-Kund:innenstamm besonders?

Die Kundschaft vertraut uns über die Jahre. Ich bin auch ein Teil davon, nicht nur weil ich hier arbeite – aber H&M war der erste Kontakt zur Mode, zu erschwinglicher Mode. Wenn wir auf unserer Loyalitätsprogramm schauen, das auch schon seit geraumer Zeit in Deutschland läuft, bestätigt sich, dass wir einen großen Kund:innenstamm haben, der regelmäßig und immer wiederkehrend bei uns einkauft.

Und was macht H&M für die Kund:innen immer noch attraktiv?

Wir sind Omni verfügbar und das sind so viele eben nicht. Viele Pure-Onliner versuchen jetzt im stationären Handel Fuß zu fassen, doch wir haben beides. Wir haben ein relevantes Filialnetz. Man findet uns sowohl in Großstädten wie München, aber eben auch in einer Kleinstadt im Saarland. Man kann entscheiden, wo man mit uns in Kontakt tritt und eine sinnvolle Beziehung zu uns aufbaut. Das ist auch die große Aufgabe der Zukunft: Physische Erlebnisse mit digitalen so zu verbinden, dass es möglichst reibungslos ist und die Kund:innen entscheiden können, wann und wo mit uns in Kontakt getreten wird. Wir investieren weiterhin in beides, den Online- und den stationären Handel, und haben ein großes Interesse daran, dass Innenstädte weiterhin attraktiv bleiben.

Stichwort Filialnetz – H&M hat sich in den letzten Jahren verkleinert, 2022 wurden weltweit 336 H&M-Filialen geschlossen und auch 2023 sollen 100 Filialen geschlossen werden. Wie sieht es in Deutschland aus?

Die Bewertung unseres Filialnetzes hat sich, wie auch die Bedürfnisse der Kund:innen im Vergleich zu 2020, vor der Pandemie, verändert. Es geht nicht nur in die digitale Richtung, obwohl Covid-19 dafür sicherlich ein Beschleuniger war. Aktuell unterscheiden sich die Bedürfnisse der Kund:innen lokal durchaus. Wir werten die Relevanz unseres Portfolios regelmäßig aus und investieren kontinuierlich, um unsere Standorte attraktiv, inspirierend und wirtschaftlich zu halten. Es gibt keine konkrete Zahl der vorgesehenen Schließungen in Deutschland für die nächsten Jahre, denn das Thema ist und bleibt dynamisch.

Gab es nach jahrelanger Expansion unterm Strich zu viele H&M-Filialen in Deutschland?

Als wir uns damals dazu entschieden haben zu expandieren, war das sicherlich eine gute Entscheidung. Jetzt muss man diese Strategie ein Stück anpassen. Ich bin allerdings kein Freund von extremen Richtungen.

Wie wird bei H&M entschieden, ob ein Laden in Deutschland bestehen bleibt? Auf was wird dabei geachtet?

Die Geschäfte, die wir in den letzten Jahren geschlossen haben, waren vor allem in Großstädten angesiedelt. In diesen Städten sind wir aber bis heute mit Geschäften vertreten. Wir haben uns weniger aus Standorten zurückgezogen, an denen es eben nur einen H&M-Store gibt, denn wir glauben nach wie vor, dass es auch um die Fassade, das Logo, die Präsenz und den Kontakt zur Marke geht – nicht nur um den stationären Umsatz. Da muss man sehr vorsichtig sein, um in der Zukunft nicht komplett nur auf Online zu setzen und die Relevanz des stationären Einzelhandels anzuerkennen. Bei H&M haben wir eine deutlich balanciertere Strategie und es gilt, jeden einzelnen Standort genau zu prüfen: Hat es Sinn, das Geschäft hier offen zu halten oder nicht? Das ist nicht immer nur eine rein finanzielle “Profit-and-Loss”-Entscheidung.

Das Ladensterben in den deutschen Innenstädten wird aktuell viel diskutiert – glauben Sie nach wie vor an den stationären Handel?

Das Einkaufserlebnis im Store ist ein anderes als online und es zieht die Kund:innen wieder in die Städte. Der Traffic ist gar nicht so schlecht in den Großstädten, gerade auch in Berlin oder Köln – wo wir trotz Schließungen immer noch mit starken Standorten vertreten sind. Wir merken, dass wir mit unserem aktuellen Portfolio sehr gut aufgestellt sind und wir haben ein ganzes Stück investiert, beispielsweise in unseren Store in der Karl-Marx-Straße in Berlin. Das merken wir auch sofort im Umsatz.

Apropos Erlebnis – ist es denkbar das hyperlokale Store-Konzept H&M Mitte Garten in Berlin in andere deutsche Städte zu bringen?

Ich bin großer Fan des hyperlokalen Stores, den wir Ende 2019 eröffnet haben. Bis heute haben wir keinen vergleichbaren Laden eröffnet. Der Gedanke ist schlussendlich – und auch wenn Sie die Fassade sehen, es ist kein rotes Logo drüber – die Co-Creation und die Zusammenarbeit mit der Community vor Ort. Wir wollen die Werte von Berlin Mitte widerspiegeln. Die Mode – auch wenn Sie die Teile auch in anderen Stores finden können – wurde speziell für den Store und die dort ansässigen Kund:innen kuratiert und wir bieten dort auch externe Produkte und Vintage-Produkte an. Außerdem gibt es dort ein Café, einen Garten, eine Galerie aber auch Yoga, immer gemeinsam mit der lokalen Community.

Gerade bei der starken Identität in Berlin Mitte war das ein Erfolgsrezept. Ich finde, dass dieses Konzept die Marke H&M zusätzlich aufwertet. Es ist etwas tolles für Berlin Mitte, inwieweit es skalierbar ist, bleibt offen, konkrete Pläne für vergleichbare Stores in Deutschland gibt es aktuell nicht, aber wir evaluieren die Bedürfnisse unserer Kund:innen kontinuierlich und verschließen uns nicht vor der Möglichkeit, weiter auf hyperlokalen Ebenen zu denken.

Wie sieht es mit dem Thema Beauty aus, das bei H&M ja aktuell auch groß geschrieben wird, sehen Sie auch in Deutschland Potenzial für einen Beauty-Flagship wie in Oslo?

H&M hat mit Beauty eine lange Historie, seit den 70er Jahren, sowohl mit eigenen als auch mit Fremdmarken. Wir haben es in Deutschland die letzten Jahre auch immer wieder forciert, haben es in vielen Städten mit größerem oder kleinerem Sortiment angeboten. In Oslo geht es vor allem darum, dass unser Beauty-Team seine Zukunftsvision auf die Straße und in den stationären Handel bringt, und schaut, was genau das für die Marke H&M und das Einkaufserlebnis bedeutet. Aktuell ist es noch zu früh zu sagen, dass es auch skalierbar sein könnte. Doch ich bin Fan davon, was wir da anbieten und bin guter Dinge, dass es Anklang findet und wir zukünftig vielleicht auch im Rahmen von Concept-Stores oder online unseren deutschen Kund:innen ein größeres Beauty-Assortment bieten können.

Sind die deutschen Kund:innen flexibel genug, H&M als Beauty-Destination anzunehmen?

Ich denke schon. Im Kontext von Mode und Lifestyle ist es ein ergänzendes Produkt und wir wollen sowohl Mode als auch Beauty für alle zugänglich machen: gute Qualität, guter Preis. Warum nicht ein cooles Outfit kaufen und dazu noch einen Nagellack, ich finde, das passt gut zusammen.

2021 wurden virtuelle Anproben in drei deutschen Filialen getestet, gibt es Pläne, diese auszuweiten oder andere Technologien in den deutschen Läden zu implementieren?

Technologien wie das Virtual Fitting sind für uns sehr interessant und werden im Markt auch aktuell getestet. Für uns ist wichtig, dass es echte Customer Value kreiert – unser Pilot bei H&Mbeyond sollte erforschen, ob durch virtuelles Anprobieren eine gute Kaufentscheidung getroffen werden kann. Es ist ein sinnvolles Thema für die Zukunft, aber es ist in einer Phase, in der weiter getestet werden muss, damit es wirklich zum Erlebnis für die Kund:innen beiträgt und nicht nur ein Gadget ist. Wenn es um die fortschreitende Digitalisierung allgemein geht, dann beschleunigen wir diese sowohl global als auch in Deutschland, doch unser wichtigstes Thema ist, wie bereits erwähnt, die optimale Integration unserer beiden Kanäle, online und offline.

Digitalisierung war bei H&M in Deutschland nicht immer unumstritten und häufig mit Angst um Arbeitsplätze verbunden. Wie nehmen Sie Ihren Angestellten diese Angst?

Mein Fokus war es in den letzten zwei Jahren, als deutsches Management, gemeinsam mit unserem Betriebsrat und unseren Kolleg:innen einen Weg zu finden, damit Digitalisierung kein Schreckgespenst ist, sondern etwas ist, was man gemeinsam gestalten kann. Zeitlich ist da Druck, wir wollen die Digitalisierung vorantreiben, unsere Kundschaft will das auch und wir werden digitale Features noch dieses Jahr in den Handel bringen und auch deshalb haben wir einen Digitalisierungstarifvertrag unterschrieben. Mit diesem arbeiten wir heute und das ist in dieser Form in Deutschland bislang einzigartig. Ich glaube das ist ein wichtiges Zeichen und ich freue mich darauf, dass Kund:innen die neuen digitalen Features dann auch bald im Store nutzen können.

Sie sagen digitale Features, dürfen Sie verraten, um was es sich handelt?

Jein, aber es ist keine Überraschung. Sie finden diese heute schon in anderen H&M-Ländern und bei diversen Einzelhändler:innen. Bei der Einführung der digitalen Tools geht es sowohl um die effiziente Arbeit für unsere Kolleg:innen, als auch einen besseren Service für unsere Kund:innen, beispielsweise durch verkürzte Wartezeiten durch die Einführung von Self-Checkout Kassen.

Aber es wird keine digitale Anprobe…

Nein, aktuell befinden wir uns noch in der Auswertung der digitalen Anproben. Es geht uns auch hier um das Einkaufserlebnis. Man kann viel Digitales in die Stores bringen, aber es muss auch Spaß machen.

Schauen Sie sich die Self-Checkouts in verschiedenen Ländern an. Einige Händler:innen stellen dort eine Kollegin oder einen Kollegen hin, die Kund:innen dabei begleitet, andere nicht. Das Resultat ist: Da, wo niemand steht, geht niemand zum Self-Checkout. Es muss ein reibungsloses Erlebnis sein, ergänzt durch unsere Kolleg:innen im Store.

Wir haben diese Technologien ja schon in einigen Städten in den Niederlanden und da werden die Kassen von den Kund:innen sehr gut angenommen – sowohl in den touristischen Städten als auch in lokalen. Es ist etwas, was der Einzelhandel in Deutschland auf jeden Fall braucht.

In Deutschland gibt es die Kassen aber noch nicht, richtig?

Genau. Das Schöne daran, sowohl für die Niederlande als auch für Deutschland zuständig zu sein, ist, dass beide Märkte voneinander lernen und sich gegenseitig weiterentwickeln können.

Das betrifft auch das Shoppingerlebnis und den Anspruch unserer Kund:innen. Die Niederlande sind ein guter Markt, um auch Dinge für Deutschland zu testen. Es ist ein toller Markt, vor allem was das Einkaufserlebnis und den Mut der Kundschaft, Dinge auszuprobieren, betrifft. An unseren deutschen Kund:innen schätze ich sehr ihre Loyalität und, dass sie uns kontinuierlich Feedback geben, damit wir uns weiterentwickeln können.

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