Kreislaufwirtschaft: Daran muss die Modeindustrie arbeiten
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Modeunternehmen spüren zunehmendem Druck von Verbraucher:innen, Gesetzgebenden und Investor:innen, ihre Nachhaltigkeitsbilanz zu verbessern. Immer mehr von ihnen setzen daher auf Kreislaufmodelle.
Diese Veränderung bringt gleichzeitig Chancen und Herausforderungen in Bezug auf die Sorgfaltspflicht mit sich, da die Unternehmen über ihre gewohnten Lieferketten hinweg zusätzliche Beziehungen zu Recycling-, Sammel- und Sortierbetrieben aufbauen.
Das war eines der Themen, die auf dem OECD-Forum zur Sorgfaltspflicht im Bekleidungs- und Schuhsektor diskutiert wurden, das vom 16. bis 17. Februar in Paris stattfand.
Mauro Scalia, Direktor für Sustainable Business bei europäsischen Textilverband Euratex, sagte, dass derzeit an etwa 16 Gesetzen gearbeitet wird, um die Textilbranche zu verbessern, was er als „spannend“ und „herausfordernd“ bezeichnete.
Nur etwa ein Prozent der 7,5 Millionen Tonnen Textilabfälle, die jedes Jahr in Europa anfallen, werden recycelt, sagte Scalia. Ziel ist es, bis 2030 2,5 Millionen Tonnen Faser-zu-Faser zu recyceln. „Das ist ein klares Ziel, das wir haben“, sagte er, aber es erfordere „eine neue Infrastruktur und eine neue Wertschöpfungskette“, für die nach Berechnungen etwa 150 bis 250 zusätzliche Anlagen für die Sammlung, Sortierung und andere Prozesse erforderlich sind.
Das bedeutet, dass sich die Branche auf „unerforschte Gebiete“ zubewegt, so Scalia. Denn die Wertschöpfungskette wird größer und Modeunternehmen beginnen, mit Geschäftspartner:innen zusammenzuarbeiten, mit denen sie zuvor kaum zu tun hatten, zum Beispiel mit solchen aus der Sortier- und Chemieindustrie.
Der dringende Bedarf an Ausbildung und Qualifizierung
Der Übergang von linearen zu zirkulären Modellen wird neue Herausforderungen mit sich bringen, stimmte Maria Luisa Martinez Diez, die Direktorin für öffentliche Angelegenheiten bei dem Nachhaltigkeitsprogramm Global Fashion Agenda, zu. Aus diesem Grund sagte sie, gebe „es einen Bedarf an Ausbildung und Fortbildung“, um sicherzustellen, dass die Sorgfaltspflicht erfüllt wird und um das Risiko von Arbeitslosigkeit und Ausgrenzung zu minimieren.
Dazu gehörten laut Martinez Diez die Ausbildung in technischen Kompetenzen, bei denen gelernt wird, neue Geräte zu bedienen und zu warten, aber auch die digitale Kompetenz. Aber auch die Schulung von Arbeitskräften im Umgang mit modernen, datengesteuerten Systemen, die zunehmend in der zirkulären Modeindustrie eingesetzt werden, zum Beispiel beim Recycling von Fasern.
Die Global Fashion Agenda hat 2020 die Circular Fashion Partnership in Bangladesch ins Leben gerufen, um genau das zu tun und so die Entwicklung des Textilrecyclings in diesem Land zu unterstützen. Die Circular Fashion Partnership hat inzwischen 80 Herstellungsbetriebe, fast 20 Recyclingunternehmen und 20 globalen Marken zusammengebracht. Das Projekt wird bis 2025 fortgesetzt und wurde inzwischen auf Vietnam und Kambodscha ausgeweitet.
Tobias Fischer, Leiter der Abteilung Textilrecycling beim schwedischen Moderiesen H&M, stellte ebenfalls fest, dass die Branche vor neuen Herausforderungen stehe, die sich aus der verschärften Gesetzgebung und dem verändertem Konsumverhalten ergeben. „Wir sehen viele Geschäftschancen, aber wo es Chancen gibt, gibt es auch Risiken“, sagte er.
„Es ist vor allem eine Frage der Umschulung“, stimmte er zu, da die Unternehmen beginnen, mit neuen Betrieben in weniger formellen Sektoren zusammenzuarbeiten. Er wies auch darauf hin, wie wichtig es sei, sich mit den Menschenrechten in den Bereichen zu befassen, in denen diese derzeit kaum reguliert sind.
„Wir arbeiten zusammen mit unserer Stiftung an einigen Projekten in Indien, bei denen wir untersuchen, wie wir die Müllsammler:innen in die formellere Industrie holen können“, sagte er und fügte hinzu, dass es sich um einen wichtigen Prozess handelt, der „einige Zeit dauern wird“.
Das Thema der Menschen, die den Müll sammeln, wurde während des Forums häufig angesprochen. Es handelt sich um einen Bereich, der nicht nur wegen der körperlichen Arbeit gefährlich sein kann, sondern auch, weil er oft von kriminellen Banden unterwandert wird, sowohl in Europa als auch in anderen Ländern.
Mauro Scalia von Euratex wies auch darauf hin, dass die Frage der Abfallentsorgung Teil der Politikgestaltung auf nationaler Ebene in der EU sein wird. Er unterstrich die Bedeutung von EPR-Systemen, ein umweltpolitischer Ansatz, bei dem die Verantwortung des Herstellenden für ein Produkt auf die Phase nach dem Verbrauch dieses Produkts ausgedehnt wird.
Neue Möglichkeiten und veränderte Hebelwirkung
Während der Eintritt in den Kreislaufmarkt zweifellos mit Herausforderungen verbunden ist, bietet er auch aufregende neue Möglichkeiten.
„In der Kreislaufwirtschaft gibt es das Potenzial, Dinge aus sozialer Sicht besser zu machen“, sagte Martinez Diez von Global Fashion Agenda, „wie etwa die Verbesserung der Rückverfolgbarkeit und die Sicherstellung einer besseren Wertverteilung durch zirkuläre Geschäftsmodelle.“
Und da Kreislaufwirtschaft komplexer ist als lineare Wertschöpfungsketten, ist zusätzliches technisches Wissen erforderlich. Dies bedeute eine Verschiebung des Einflusses zwischen großen Modemarken und ihren Lieferbetrieben, so Scalia von Euratex.
In der Branche gibt es zum Beispiel eine wachsende Zahl kleinerer Unternehmen, die innovative neue Materialien entwickeln oder Fasern recyceln können. Die großen Modemarken haben dies bemerkt und teilweise begonnen, in diese Unternehmen zu investieren. Ein solches Beispiel ist das Investment des spanischen Textilunternehmens Inditex in Circ – ein Technologieunternehmen, das patentierte Textilrecyclingverfahren betreibt.
„Wir sehen, dass Modemarken auf eine andere Art und Weise mit Faserherstellern zusammenarbeiten“, sagte Scalia. „Das regt eine neue Art der Zusammenarbeit an, denn es ist nicht so, dass ich eine Ware kaufe, die ich überall auf der Welt finden kann. Ich muss mit meinen Lieferanten zusammenarbeiten; ich muss besprechen, was technisch machbar ist und wie ich ihnen helfen kann.“
„Wir haben das schon oft erlebt: Etablierte Marken helfen ihren Lieferunternehmen, ihre Kapazitäten zu erweitern, und beschaffen ihnen sogar Finanzmittel.“
Scalia fasste die Kreislaufwirtschaft als einen Bereich zusammen, in dem „Rentabilität und Nachhaltigkeit zusammenkommen“, der „vor fünf oder sechs Jahren noch gar nicht auf der Tagesordnung stand“, aber immer mehr Regulierung erfordern wird.
„Wir sehen dies in Europa, einem großen Labor für viele Experimente, aber wir sehen auch, dass viele andere Regionen der Welt von Japan bis Bangladesch, Indien, Südafrika und andere Regionen dasselbe tun“, schloss er. „Ich halte das für eine sehr aufregende Chance.“
Dieser Artikel wurde auf FashionUnited.uk veröffentlicht. Übersetzung und redaktionelle Bearbeitung: Barbara Russ