Nach dem Neustart ist vor dem Neustart: Strenesse will's noch mal wissen
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Das Modelabel Strenesse blickt mittlerweile auf eine sehr abwechslungsreiche Geschichte zurück. Vom globalen Höhenflug bis zu Pleiten und diversen Rettungsversuchen hat das ehemalige Familienunternehmen mit Sitz im Baden-Württembergischen Nördlingen so ziemlich alle unternehmerischen Entwicklungen durchgemacht, die man während eines BWL-Studiums lernen kann.
Gegründet wurde Strenesse bereits 1949 als Wohlfahrt & Co., war damals aber ausschließlich auf die Herstellung von Damenmänteln spezialisiert. Erst zehn Jahre später wurde die Firma von der Besitzerfamilie Strehle in Strehle KG umbenannt und um weitere Damenmode-Segmente erweitert. 1996 starteten die Schwaben dann eine neue,vollständige Frauenlinie namens Strenesse.
Nachdem 1972 Gerd Strehle, der Sohn des Firmengründers, die Geschäfte übernommen hatte, trat auch die Designerin Gabriele Hecke in das Unternehmen ein. Sie sollte die Marke über Jahrzehnte prägen. 1985 heirateten Strehle und Hecke und bildeten danach ein äußerst erfolgreiches Führungs-Duo. Unter ihrer Ägide entwickelte sich das kleine Modeunternehmen in den folgenden zehn Jahren zu einem international bekannten Hersteller von schlicht-eleganter Designermode aus hochwertigen Materialien.
Der Zeitraum von Mitte der 1990er bis Anfang der 2000er Jahre gelten als die wirtschaftlich erfolgreichsten Zeiten der Firmengeschichte, der Jahresumsatz betrug bis zu 125 Millionen Euro. Doch Strenesse hatte sich übernommen: Die Eröffnung eigener Läden in teuren Top-Lagen, der Launch einer Männerkollektion sowie rückläufige Geschäfte aufgrund der Terrorattacke auf die New Yorker Twin Towers im Jahr 2001 läuteten die erste, große Krise des Unternehmens ein.
Rückzug der Gründerfamilie
Mitte des Jahrzehnts reduzierte sich der Umsatz von Strenesse auf unter 70 Millionen Euro im Jahr. Unterm Strich blieben den Schwaben immer wieder Jahresverluste, die von außen mit frischen Kapital kompensiert werden mussten. Auch der Eintritt von Strehle-Tochter Viktoria oder der erste Auftritt bei der New York Fashion Week im Jahr 2005 konnten daran nichts ändern.
So wurden Kollektionen wie Strenesse Blue neu eingeführt, die Männerlinie erst ab- und dann wieder angeschafft, Lizenzen vergeben, Schuhe und Brillen produziert, Fernsehgeräte designt und ein Onlineshop gelauncht. Viele Rettungsmaßnahmen, die jedoch nicht die gewünschten Effekte erzielen konnten - obwohl Strenesse von 2006 bis 2013 sogar offizieller Ausstatter der Deutschen Fußballnationalmannschaft war.
Zum Ende des Jahres 2012, und nach der privaten Trennung von Gerd und Gabriele Strehle, schied zunächst Gabriele Strehle und kurz darauf auch Viktoria Strehle aus dem Unternehmen aus. Luca Strehle übernahm als Vorstandsvorsitzender gemeinsam mit Erich Sauter als kaufmännischer Leiter die Führung des Unternehmens, und Gerd Strehle wechselte in den Vorsitz des Aufsichtsrats. Doch trotz neuer Organisation und Ausrichtung kam die Firma nicht mehr richtig auf die Beine. So wurde unter anderem eine Unternehmensanleihe platziert, die nicht zurückgezahlt werden konnte. 2014 musste der Strenesse-Konzern dann erstmals Insolvenz anmelden.
Neuer Store in Frankfurt am Main kurz vor Eröffnung
Danach bestimmten diverse Irrungen und Wirrungen die Schlagzeilen um die Schwaben: Investoren wurden gesucht, Sanierer geholt und wieder geschasst, die Famile zog sich in den Aufsichtsrat zurück und träumte weiter von einer Positionierung „direkt unter Marken wie Gucci, Prada oder Stella McCartney“. Zugleich häufte der Konzern jeden Monat hohe Verluste an, was wiederum bereits interessierte Investoren abschreckte.
Im Frühjahr 2016 wurde Birgit Kaufmann-Rehm, zuvor Designerin bei dem Modelabel Clemens en August, zum Head of Design von Strenesse ernannt, wo sie seitdem einem achtköpfigen Design-Team vorsteht. Auch die Übernahme durch einen neuen Investor soll Ende 2016 endlich geklappt haben. Seitdem hält wohl die Schweizer Treuhandgesellschaft H2P AG 90 Prozent der Firmenanteile, zehn Prozent gehören dem ehemaligen Porsche-Design-Geschäftsführer Jürgen Gessler, der ab 2017 auch die Leitung von Strenesse übernommen hat. Das Traditionsunternehmen, das seitdem unter dem Namen Strenesse New GmbH firmiert, soll nun endlich wieder durchstarten – ohne die Gründerfamilie.
Mittlerweile wieder als relevantes Label am Markt platziert, traut sich Strenesse derzeit sogar wieder, zu expandieren. Neueröffnungen markeneigener Stores gehören dabei ebenso dazu wie eine erneute Präsenz auf den einschlägigen Modewochen. Und auch die Vertriebstochtergesellschaften mit Showrooms in Mailand, New York und Tokio sollen wieder aktiver werden.
In Frankfurt am Main soll bereits in wenigen Tagen ein neuer Strenesse Store eröffnen. Zudem präsentiert sich die Marke erstmals auf dem Berliner Modesalon im Rahmen der Berlin Fashion Week. Von seinen Mitbewerber abheben will sich das neue Strenesse durch „einen essentiellen und vorausblickenden Modestil, der auf kurzlebige Effekte verzichtet und bei der die hochwertigen Stoffe Hauptakteure der Designs sind“. Zudem lässt das Unternehmen fast ausschließlich in Europa produzieren und will so mit hohen Sozial- und Umweltstandards punkten. Vielleicht wird Strenesse so doch noch einmal wichtig.
Fotos: Strenesse