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Neuer Bericht deckt Geschlechterungleichheiten in der italienischen Modeindustrie auf

Von Simone Preuss

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Viele Arbeitsschritte verlangen noch nach Handarbeit. Bild: Global Fashion Agenda

Die gemeinnützige Organisation Global Fashion Agenda (GFA) und die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft PwC Italien haben einen vorläufigen Forschungsbericht veröffentlicht, der eine detaillierte Bewertung der Lohnunterschiede in der italienischen Modeindustrie liefert.

Der Bericht mit dem Titel „Unpacking Pay Equity in Fashion: Italy“ (Lohnungleichheit in der Modebranche aufdecken: Italien) wurde mit Unterstützung des italienischen Modeverbands Camera Nazionale della Moda Italiana (CNMI) erstellt.

Er basiert auf 25 Interviews mit führenden Modemarken, einer Umfrage unter 105 italienischen Modeunternehmen und herstellenden Betrieben sowie auf Recherchen der GFA und den Ergebnissen des Multi-Stakeholder-Projekts „Fashion Industry Target Consultation“ unter der Leitung der GFA und des Umweltprogramms der Vereinten Nationen (UNEP) sowie auf Diskussionsrunden.

Die Analyse untersucht die aktuelle Wahrnehmung und die Herausforderungen in Bezug auf Lohngerechtigkeit in einer der einflussreichsten Modebranchen Europas. Sie beleuchtet auch die Beteiligung von Frauen am Arbeitsmarkt, insbesondere nachdem sie Kinder hatten.

Der Bericht enthält außerdem einen Aufruf zum Handeln und praktische Leitlinien, wie Marken, Hersteller:innen und Stakeholder:innen beginnen können, Lohnunterschiede anzugehen und mehr Gleichheit in der gesamten Branche zu fördern.

Geringer Frauenanteil am Arbeitsmarkt in allen Branchen

Eine der wichtigsten Erkenntnisse des Berichts ist, dass die Beteiligung von Frauen am italienischen Arbeitsmarkt generell in allen Branchen niedrig ist: Im Jahr 2023 lag die Erwerbstätigenquote von Frauen bei 52,5 Prozent, während sie bei Männern 70,4 Prozent betrug (mit großen regionalen Unterschieden). Im europäischen Kontext liegt sie damit leicht niedriger als bei Frauen in Griechenland (52,8 Prozent) und Rumänien (54,3 Prozent) und deutlich niedriger als bei Frauen in den Niederlanden (78,9 Prozent) und Schweden (75,6 Prozent).

Allerdings gibt es Unterschiede in Bezug auf das Qualifikations- und Führungsniveau der Arbeit: „Die Modeindustrie weicht teilweise von den auf nationaler Ebene beobachteten Daten ab, da sie sich durch eine Überrepräsentation von Frauen, insbesondere in Nicht-Führungspositionen, auszeichnet“, so der Bericht.

Titel des Berichts “Unpacking Pay Equity in Fashion: Italy”. Bild: Global Fashion Agenda

Obwohl seit 2020 ein zunehmender Fokus auf Geschlechtergleichheit in Italien liegt, der zu mehr politischen Maßnahmen und Gesetzen zur Unterstützung von „Frauenquoten“ in Führungspositionen und einer stärkeren Vertretung von Frauen in den Vorständen großer italienischer Modemarken geführt hat – von 21,3 Prozent im Jahr 2020 auf 27 Prozent im Jahr 2023 – macht ihre Repräsentation gerade einmal ein Viertel aus.

Befragt nach ihrer Wahrnehmung des geschlechtsspezifischen Lohngefälles gaben nur 20 Prozent der italienischen Modeherstellenden, meist große Unternehmen, Lohnunterschiede in ihren Betrieben an. Allerdings überwacht und berichtet nur ein Fünftel der Unternehmen geschlechtsspezifische Lohnunterschiede, die jedoch der erste Schritt zu einem umfassenderen Verständnis und Bewusstsein für das Problem sind.

Frauen verdienen weniger

Die Umfrage ergab, dass die Wahrnehmung von Lohnungleichheit je nach Funktion im Unternehmen unterschiedlich ist: Personalwesen (HR) und Diversity, Equity & Inclusion (DE&I)-Funktionen, die sich häufiger als andere mit diesen Themen befassen, sind sich der Lohndiskriminierung tendenziell stärker bewusst. Zwei Drittel der Befragten aus dem Personalwesen und die Hälfte der Befragten aus dem Bereich DE&I gaben an, dass es Lohnunterschiede zu Ungunsten von Frauen gebe, während nur ein Fünftel der CEOs dieser Ansicht zustimmte.

Während alle befragten Großunternehmen angaben, über mindestens ein Instrument zur Sicherung der Lohngleichheit von Frauen und Männern zu verfügen, ist anzumerken, dass mehr als 80 Prozent der italienischen Modeindustrie aus Kleinstunternehmen besteht, von denen viele von den geltenden EU- und italienischen Vorschriften zur Lohngleichheit ausgenommen sind.

Viele von ihnen sind jedoch Teil der Lieferketten großer italienischer und europäischer Marken, die diese Vorschriften einhalten müssen. Trotz ihrer Größe gaben 43 Prozent der Kleinstunternehmen jedoch an, über mindestens eine Richtlinie zur Sicherung der Lohngleichheit zu verfügen, gefolgt von kleinen Unternehmen (27 Prozent) und mittleren Unternehmen (14 Prozent). Interessanterweise erwägt die Hälfte der befragten Unternehmen, eine Zertifizierung für die Gleichstellung der Geschlechter zu beantragen.

„Nur die Hälfte der großen Unternehmen und weniger als die Hälfte der Kleinst-, Klein- und Mittelunternehmen (KKMU) im verarbeitenden Gewerbe überwachen und berichten über Lohnungleichheit. Es besteht ein dringender Bedarf an mehr Transparenz und standardisierten Instrumenten entlang der gesamten Wertschöpfungskette sowie an der Entwicklung und Integration verantwortungsvoller Einkaufspraktiken im gesamten Due-Diligence-Prozess", kommentiert Erika Andreetta, Partnerin bei PwC Italien, in einer Pressemitteilung.

Mutterglück bedeutet meist Karrierepech

Eine von PwC Italien zwischen April und Mai 2024 durchgeführte Umfrage unter 500 berufstätigen (oder ehemals berufstätigen) Frauen im Alter zwischen 25 und 49 Jahren mit mindestens einem Kind ergab, dass sich die Mutterschaft vor allem in Form von Arbeitszeitverkürzung und Arbeitsplatzverlust auswirkt.

Dies deckt sich mit den Ergebnissen der Umfrage: 43 Prozent der Befragten gaben an, dass sich Mutterschaft negativ auf die berufliche Entwicklung von Frauen auswirke. Obwohl 60 Prozent der befragten Unternehmen Unterstützung für Eltern anbieten, wie zum Beispiel Flexibilität (in 38 Prozent der Unternehmen), bieten nur 5 Prozent zusätzlichen Vaterschaftsurlaub oder Kinderkrippen an.

„Diese Ergebnisse deuten auf eine mangelnde Anerkennung der Bedürfnisse von Eltern hin, die in geschlechtsspezifischer Voreingenommenheit hinsichtlich der Aufteilung von Familien- und Haushaltspflichten begründet ist", resümiert der Bericht.

Was kann man tun?

Obwohl sich der Bericht mit dem italienischen Bekleidungssektor befasst, lassen sich Parallelen auch in anderen Ländern und Branchen ziehen. Daher sollten die folgenden vier im Bericht vorgeschlagenen Handlungsempfehlungen eine breite Anwendbarkeit haben.

  1. Perspektivwechsel: Der Bericht empfiehlt die Förderung einer integrativen Arbeitsplatzkultur, die Elternschaft wertschätzt und flexible Arbeitsmodelle unterstützt, um familiären Verpflichtungen gerecht zu werden.
  2. Erhöhte Transparenz: Darüber hinaus sollten vollständige Transparenz und Rückverfolgbarkeit entlang der gesamten Lieferkette, insbesondere bei Subunternehmern, gewährleistet sein, um faire Löhne und ethische Arbeitspraktiken zu garantieren.
  3. Standardisierte Hilfsmittel: Der Bericht empfiehlt die Entwicklung anpassungsfähiger Instrumente und Methoden für Lohngleichheitsbewertungen, die den einzigartigen Kontext, in diesem Fall die italienische Bekleidungsindustrie, widerspiegeln, um eine verstärkte Akzeptanz und einen besseren Einblick in die Lohnstrukturen der Lieferbetriebe zu fördern.
  4. Einheitlicher Ansatz: Marken, Handelsverbände und Hersteller sollten zusammenarbeiten, um den Prozess zu vereinheitlichen und zu straffen, um Kohärenz bei der Bewältigung dieses Problems zu gewährleisten und Doppelarbeit zu vermeiden.

„Die Bekämpfung des geschlechtsspezifischen Lohngefälles in Italien und der gesamten Modebranche erfordert ein einheitliches Engagement aller Akteur:innen. Die Branche muss Transparenz, Chancengleichheit und faire Entlohnung entlang der gesamten Wertschöpfungskette in den Vordergrund stellen. Durch die Einführung standardisierter Instrumente und Ansätze und die Beeinflussung kultureller Werte kann die italienische Modebranche zu einem Katalysator für Veränderungen werden", fasst Federica Marchionni, CEO der Global Fashion Agenda, zusammen.

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