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Online-Boom bei Weihnachtsgeschenken – kommt die Paketabgabe?

Von DPA

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Der Online-Boom beim diesjährigen Weihnachtsgeschäft heizt die Debatte um negative Auswirkungen des Versandhandels an. Für Aufregung sorgte am Wochenende die Idee einer neuen Paket-Abgabe. Die Zahlung für die Sendungen von Online-Händlern sollen dem stationären Einzelhandel in den Innenstädten zugute kommen. Zugleich wachsen die Sorgen um die Beschäftigten. In den Fokus rückten das Risiko von Corona-Ansteckungen, der Stress und die oft geringfügige Bezahlung. Jeder dritte Vollzeitbeschäftigte im Versandhandel arbeitet zum Niedriglohn, wie eine der Deutschen Presse-Agentur vorliegende Antwort der Bundesagentur für Arbeit auf eine Anfrage der Linken im Bundestag zeigt.

Innenstadtfonds

Die Läden sind wegen des Corona-Lockdowns derzeit weitgehend geschlossen. Der bereits zuvor im Aufschwung befindliche Versandhandel boomt umso stärker. Mit der Paketabgabe - einer Idee aus der CDU/CSU-Bundestagsfraktion - soll nach dem Corona-Shutdown ein "Innenstadtfonds" finanziert werden. Fraktionsvize Andreas Jung und der kommunalpolitische Sprecher Christian Haase wollen, dass sich die Höhe der Abgabe nach dem Bestellwert richtet.

"Die Abgabe wird beim Online-Händler erhoben und von ihm an das Finanzamt abgeführt", heißt es in dem Forderungskatalog, der der dpa vorliegt. "Mit den Einnahmen daraus wird der Online-Handel an den Kosten von ihm genutzter kommunaler Infrastrukturen beteiligt. "Zuvor hatte die "Welt am Sonntag" darüber berichtet.

Jung und Haase betonten am Sonntag, der Online-Fernhandel nutze die kommunale Infrastruktur ebenso wie der Händler vor Ort. "Aber der Fernhandel trägt bislang nichts zu deren Finanzierung bei." Einzelhändler zahlten dagegen Gewerbesteuer. Sie sollten die Paketabgabe deshalb auch dann nicht bezahlen, wenn sie als zweites Standbein auf einem Onlineportal Produkte zum Versand anbieten.

Der Handelsverband Deutschland (HDE) stemmt sich gegen so eine Abgabe mit dem Argument des internationalen Wettbewerbs. HDE-Hauptgeschäftsführer Stefan Genth stellte die Frage, ob bei Lieferungen aus Fernost immer Steuern gezahlt würden. "Eine Paketsteuer träfe auch viele heimische Online-Händler, die korrekte und pünktliche Steuerzahler sind."

Für die oppositionelle FDP wäre eine Paketsteuer "ein neues Bürokratiemonster". Für die SPD äußerte sich Fraktionsvize Achim Post positiv zu dem Vorschlag: "Eine Art Corona-Abgabe von Online-Händlern wie Amazon kann ein Baustein für mehr Gerechtigkeit in der Krise sein und den Einzelhandel vor Ort konkret unterstützen." Der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebunds, Gerd Landsberg, sagte der "Rheinischen Post", es könne richtig sein, "über eine neue Abgabe Finanzmittel für die Unterstützung der in Not geratenen Innenstädte und Ortskerne zu erzielen".

Beschäftigte im Versandhandel seit 2008 verdreifacht

Seit 2008 hat sich die Zahl der Beschäftigten im Versandhandel laut den Angaben der Bundesagentur nahezu verdreifacht - von 60 022 auf 161 331 im März 2020. Laut einer YouGov-Befragung von Mitte November verschickte 2019 erst etwa jeder Vierte Weihnachtspäckchen - dieses Jahr waren es bereits vor den Ladenschließungen wegen Corona schon 33 Prozent. Die Verbraucher in Deutschland kauften laut Bundesverband E-Commerce und Versandhandel im Oktober und November für 17,4 Milliarden Euro online - 17,5 Prozent mehr als Oktober/November 2019.

Das mittlere Einkommen der im Versandhandel voll Beschäftigten lag im vergangenen Jahr laut den Angaben der Bundesagentur aber nur bei 2663 Euro brutto pro Monat - 738 Euro weniger als im Schnitt aller Branchen. Jeder dritte Vollzeitbeschäftigte im Versandhandel arbeitete für weniger als zwei Drittel des mittleren Gehalts, für weniger als 2267 Euro im Monat. Der Anteil der Niedriglohn-Beschäftigten lag fast 15 Prozentpunkte höher als insgesamt. Die 2019 im Versandhandel begonnenen Jobs waren laut Bundesagentur zu rund 60 Prozent befristet. Zudem arbeiteten im März 29 000 Versandhandelsbeschäftigte als Minijobberinnen und Minijobber.

Vermehrte Corona-Ansteckungen in Sortier- und Versandzentren von Amazon sorgen seit Tagen für Schlagzeilen. Infektionen wurden laut der Gewerkschaft Verdi etwa in Garbsen bei Hannover, in Bayreuth und in Borgstedt in Schleswig-Holstein bekannt. Der Shutdown verschlechtere bei Onlinehändlern wegen des erhöhten Aufkommens die Bedingungen, mahnte Verdi-Vorstandsmitglied Stefanie Nutzenberger.

Die Linke-Abgeordnete Sabine Zimmermann, die die Anfrage bei der Bundesagentur gestellt hatte, sagte: "Unternehmen wie Amazon und Zalando machten schon bislang Milliardenumsätze und gehören nun zu den Profiteuren der Pandemie." Amazon habe im dritten Quartal 2020 seinen weltweiten Gewinn gegenüber dem Vorjahr verdreifacht. Bei den Beschäftigten komme wenig davon an.

Amazon wies die Vorwürfe zurück. Die eigenen Corona-Schutzmaßnahmen gingen teils über die Länderregelungen hinaus. "Allein in Deutschland haben wir mehr als 470 Millionen Einheiten Händedesinfektionsmittel, 21 Millionen Paar Handschuhe, 19 Millionen Masken, Gesichtsschutz oder anderen Mund-Nasen-Schutz und 39 Millionen Packungen Desinfektionstücher bestellt", sagte ein Sprecher. Was den durchschnittliche Lohn eines Mitarbeiters bei Amazon anbetreffe, so liege der nach 24 Monaten bei 2600 Euro brutto im Monat, also deutlich über der Niedriglohngrenze. Mehr als die Hälfte der 16 000 festangestellten Mitarbeiter seien länger als fünf Jahre dabei.

Sollen Verbraucher verstärkt auf Onlinehändler mit fair produzierten und vertriebenen Produkten setzen? Zimmermann findet so ein Kaufverhalten "sehr begrüßenswert" - doch könnten es sich nicht alle leisten. Gefragt seien Sozial- und Nachhaltigkeitsstandards per Gesetz - insbesondere Tarifverträge für die Mitarbeiter. (DPA)

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