Pronovias-CEO: „Krise hin oder her, Liebe lässt sich nicht zügeln"
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Wenn ein Segment der Modebranche von der Corona-Krise hart getroffen wurde, dann ist es Brautmode, zumindest würde man das denken. „Die Brautmodebranche ist sehr widerstandsfähig", sagte Amandine Ohayon, CEO der Pronovias-Gruppe, während eines Telefongesprächs mit FashionUnited. „Natürlich ist die Situation nicht ideal und 2020 ist schwierig, aber 2021 wird das bisher beste Jahr sein". Die Zeit nutzte das Unternehmen um Marktführerschaft für Luxusbrautmode in Europa zu erlangen. Pronovias trat in die nächste Phase der Digitalisierung ein, nutzte den Augenblick, um nachhaltiger zu werden und verlor dabei die Inklusivität nicht aus den Augen. Ohayon erzählt, wie es dem Unternehmen jetzt geht und was es noch vorhat.
- Fünf Brautmodemarken
- Aktiv in 105 Ländern
- 54 eigene Geschäfte
- 4.000 Verkaufspunkte
Für diejenigen, die die Pronovias-Gruppe noch nicht kennen: Das spanische Unternehmen hat mehrere Brautmodemarken in seinem Portfolio. Es gibt Pronovias, die vielleicht bekannteste Brand der Gruppe, Nicole, White One, Saint Patrick und seit kurzem auch die ursprünglich niederländische Marke Ladybird. Neben Brautkleidern verkauft das Unternehmen auch Anlassmode, wobei letztere nur zwanzig Prozent des Gesamtportfolios ausmacht. Die Gruppe ist historisch gesehen stark in Südeuropa vertreten, will aber im Bereich der Luxusbrautmode weltweit führend sein.
Bild: CEO Amandine Ohayon, Credit: Pronovias Group
Pronovias-Gruppe: „Brautmode ist eine widerstandsfähige Industrie"
Zu Beginn des Jahres, als die Coronavirus-Krise gerade erst ausbrach, habe auch die Pronovias-Gruppe eine Schockwelle gespürt, sagt Ohayon. Der erste Instinkt war, dafür zu sorgen, dass alle sicher und gesund sind, und danach, dass alle von zuhause gut arbeiten können. Dann krempelte sie die Ärmel hoch und machte sich an die Arbeit, um das Beste aus dieser Zeit zu machen. „Es ist eine herausfordernde Zeit für alle. Wir mussten neue Arbeitsweisen entwickeln. Es gibt zwei Arten von Verhaltensweisen. Leute, die die Nachrichten sehen und sagen, es sei das Ende der Welt, dann haben Sie einen anderen Typ, der sieht, dass das die Welt ist, in der wir jetzt leben, welches sind also die Innovationen und Ideen, die wir uns einfallen lassen können? Die Gruppe wählte den letzteren Ansatz. Innerhalb von vier Wochen wurde ein digitaler Showroom eingerichtet, virtuelle Verabredungen mit den Bräuten nahmen ihren Lauf, und innerhalb von acht Wochen wurden vier der fünf Websites der Gruppe überarbeitet. „Zu dieser Zeit war es gut sich auf Digitalisierung zu fokussieren, weil sie von zu Hause aus leicht zu realisieren war", erzählte die Geschäftsführerin. Im digitalen Showroom präsentiert die Gruppe Kleider und Videos von Models mit den Kleidern, so dass auch der Fall und die Bewegung von Kleidungsstücken deutlich zu sehen sind. Es wurde sogar ein Live-Stream für chinesische Einkäufer eingerichtet, weil sich das in China als sehr beliebt herausgestellt hat, sagt Ohayon.
Nicht nur die Einkäufer orderten digital, auch die Bräute selbst suchten den digitalen Kontakt mit der Gruppe. Bräute können online einen Termin vereinbaren, um ein Kleid digital auszusuchen. Der Kauf des Kleides wird dann durch einen weiteren physischen Termin in dem Geschäft, in dem das Kleid angepasst wird, abgeschlossen. „Da wir immer nach Terminvereinbarung arbeiten und nicht auf Passanten angewiesen sind, konnten wir trotz der getroffenen Maßnahmen schnell umschalten". Nicht nur wegen der digitalen Verabredungen, sondern auch wegen des Fokus auf soziale Medien wurde die Gruppe digitaler denn je. „Wir hatten noch nie so viel Kontakt mit unseren Bräuten über soziale Medien", berichtet die CEO stolz. „Sie müssen nah bei der Braut bleiben." Die Entscheidung, sich auf soziale Medien zu konzentrieren, kam ziemlich schnell. „Jeder erlebte während des Lockdowns, dass er viel mehr online war als sonst. Wir reagierten darauf, indem wir spezielle Inhalte für die Bräute produzierten", sagt Ohayon. Es gab Webinare über Herbsthochzeiten, intime Hochzeiten und das Anpassen eines Kleides. „Viele Bräute haben ihre Hochzeit verschoben, aber vielleicht schon ein Kleid gekauft, das für eine andere Jahreszeit geeignet ist als das, in der sie jetzt heiraten. In einem Webinar erklärten wir, wie man ein Kleid so verändert, das es beispielsweise für den Herbst geeignet ist."
Etwas, das Ohayon in den letzten Monaten überrascht hat, ist die Tatsache, dass Bräute teurere Kleider gekauft haben. Der durchschnittliche Einkaufspreis pro Braut sei gestiegen, sagt sie. „Etwas, woran wir vorher nicht gedacht haben." Bräute müssen bereits Kompromisse eingehen, wenn es um das Datum des großen Tages, um die Größe des großen Tages geht, aber laut Ohayon wollen sie absolut keine Kompromisse eingehen, wenn es um das Kleid geht. „Es scheint sogar, dass sie sich für ein noch teureres und schöneres Kleid entscheiden, weil sie bereits an so vielen Aspekten sparen müssen."
Die Expansionspläne von Pronovias
Trotz der herausfordernden Zeit, in der sich auch die Pronovias-Gruppe befindet, haben sich die Pläne der Gruppe nicht geändert. „Die Internationalisierung hat sich nicht verändert. Der zweite Teil der Strategie, die Digitalisierung, ist wegen der Krise zum nächsten Schritt übergegangen". Der dritte Teil der Strategie der Gruppe besteht darin, die Industrie zu einem nachhaltigeren Modell zu führen, und auch diesem wurde während der Pandemie zusätzliche Zeit eingeräumt.
Internationalisierung steht seit langem ganz oben auf der Tagesordnung der Gruppe. Unter anderem erwarb das Unternehmen 2018 die Marke Nicole und übernahm 2019 Ladybird. Historisch gesehen hat die Pronovias-Gruppe eine starke Präsenz in Südeuropa, aber jetzt hat sie ihre Aufmerksamkeit auch auf Nordeuropa und sogar auf Nordamerika und China gerichtet. Die Übernahme von Ladybird fügt sich in die Strategie der Gruppe ein. „Wir sind immer offen für Akquisitionen, und bei Ladybird sahen wir viele ergänzende Aspekte. Ladybird hat eine starke Präsenz in Nordeuropa, einem Gebiet, in dem wir noch nicht die Nummer eins waren. Darüber hinaus ist Ladybird auch eine Qualitätsmarke auf Einstiegsluxus-Niveau", sagt Ohayon. Eine Marke mit einer solchen Positionierung war noch nicht im Portfolio und daher sieht das Unternehmen die Übernahme als eine gute Ergänzung an. Der Marktanteil, den die Gruppe durch die Übernahme von Ladybird gewonnen hat, spielte ebenfalls eine große Rolle bei der Motivation. „Wir waren vielleicht der zweit- oder drittgrößte Anbieter von Brautmode in Nordeuropa, je nach Land und der Region. Durch die Übernahme sind wir nun auch dort die Nummer eins". Die Pronovias-Gruppe plant, Ladybird international zu etablieren. Die Marke ist seit der Übernahme bereits in Italien, Frankreich, Spanien und Portugal eingeführt worden. Nächstes Jahr wird sie den Schritt in die Vereinigten Staaten und nach China machen. „Ladybird steht eine aufregende Zeit bevor."
Im Übrigen liegt der Schwerpunkt vorerst auf China und den Vereinigten Staaten und Kanada. Hier sieht die ursprünglich spanische Gruppe die größten Wachstumschancen. Auf die Frage nach den Märkten in Mittel- und Nordeuropa, insbesondere den Niederlanden und Deutschland, sagt Ohayon, sie sei in den letzten Monaten positiv überrascht worden. „Diese Märkte sind sehr widerstandsfähig. Auf jeden Fall verzeichneten die Umsätze nicht den gleichen Rückgang wie in anderen Ländern. Die Erholung hat in diesen Ländern bereits begonnen. Wir erwarten, dass der September ein wichtiger Monat sein wird, in dem Bräute ihre Hochzeitskleider einkaufen"
Pronovias-CEO Amandine Ohayon über Digitalisierung und Inklusivität
Ein Schwerpunkt, der Ohayon am Herzen liegt, ist Gleichheit und Inklusivität. „Ich mag es nicht, Leute in Schubladen zu stecken. Ich habe nie verstanden, warum der Begriff "Übergröße" notwendig ist. Ja, Schnittmuster sind für eine Größe anders als für eine andere, aber jeder verdient es, gut auszusehen." Das Unternehmen führt seit langer Zeit ein umfassendes Programm zur Größenanpassung durch. „Ich möchte, dass sich jede Frau fantastisch fühlt. Jeder sollte in der Lage sein, in einem Kleid zu heiraten, in dem er sich wohl fühlt." Das Unternehmen hat bereits mit Ashley Graham, Modell- und Körperpositivitätsaktivistin, zusammengearbeitet. Das Ergebnis war eine Kollektion aus 16 Teilen. „Ich möchte ein positives Körperbild fördern. Wir wollen auch sicherstellen, dass wir jeder Braut ein glamouröses Gefühl geben können." Laut Ohayon spielt es auch keine Rolle, wie alt eine Braut ist. Es ist nach wie vor ein Tabu, in höherem Alter zu heiraten, aber laut der Geschäftsführerin sollte das kein Thema sein. „Jeder verdient es, sich großartig zu fühlen, richtig?"
Nachhaltigkeit ist das letzte heiße Thema in der Gruppe. Aber wie kann man eine Industrie nachhaltiger gestalten, die sich um ein Kleid dreht, das oft nur einmal getragen wird? Ohayon gibt zu, dass es eine legitime Frage ist. „An erster Stelle steht die Nachhaltigkeit der Produktionskette, die Verwendung von Materialien und später auch die Wiederverwendung der Kleider.” Im kommenden September wird es eine vollständig umweltfreundliche Kollektion geben, nicht nur bei Pronovias, sondern auch bei den anderen Marken. Ohayon kann noch nicht viel verraten, weitere Informationen werden im September bekannt gegeben, aber sie ist offensichtlich sehr enthusiastisch darüber.
Seit letztem Jahr arbeitet das Unternehmen auch mit Brides do Good in Großbritannien zusammen. Die Pronovias-Gruppe ermutigt Bräute, die ihr Kleid nach dem großen Tag nicht behalten, für wohltätige Zwecke zu spenden. „Auf diese Weise geben wir weniger glücklichen Menschen die Chance, ein schönes Kleid zu bekommen, aber wir geben auch Frauen und Mädchen die Chance, eine Ausbildung zu erhalten."Ein Drittel des Erlöses eines Kleides geht nämlich an einen Partner der Wohltätigkeitsorganisation, der gegen Kinderheirat kämpft und sich aktiv für die Verbesserung der Stellung von Frauen und Mädchen einsetzt. Die Gruppe arbeitet auch an dem Konzept von Brautkleidern, die mit einer Anpassung noch einmal getragen werden können. Alles in allem entwickelt das Unternehmen mehr und mehr Möglichkeiten, Nachhaltigkeit an die erste Stelle zu setzen.
Am Ende des Gesprächs wird sehr deutlich, dass Ohayon positiv in die Zukunft blickt. 2020 wird vielleicht nicht so sein, wie sich das Unternehmen vor sechs Monaten vorgestellt hat, aber Ohayon ist überzeugt, dass die Brautmodebranche widerstandsfähig ist. „Wenn man hört, dass Hochzeiten wieder erlaubt sind, sind alle so glücklich. Krise hin oder her, Menschen verlieben sich und werden heiraten. Wenn man während des Lockdowns mit jemandem zusammenleben kann, kann man auch mit ihm verheiratet sein", scherzt sie. „Wir leben in schwierigen Zeiten, aber dann erkennen wir die Bedeutung von Freunden, Familie und Menschen, die uns lieb und teuer sind. Eine Hochzeit ist eine gute Möglichkeit, sie in einem wichtigen und symbolträchtigen Moment zusammenzubringen. Letztendlich kann man Liebe nicht zügeln."
Dieser übersetzte Beitrag erschien zuvor auf FashionUnited.nl.
Bild: Pronovias