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Re’aD Summit 2021: Was hat Kreislaufwirtschaft mit Digitalisierung zu tun?

Von Regina Henkel

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Business

Tom Fisk für Pexels

Zeitgleich zum Klimagipfel in Glasgow hat sich die Modebranche gestern auf dem Re’aD Summit 2021 der nachhaltigen Transformation der Modebranche gewidmet. Die zentrale Aussage: Ohne die Digitalisierung von Produktentwicklung und Lieferkette ist Kreislaufwirtschaft kaum realisierbar.

Konferenzen, die als reine Branchenevents veranstaltet werden, haben einen großen Vorteil: Die Beteiligten sprechen Wahrheiten leichter aus. Denn Fakt ist, dass die Modeindustrie als Ganzes noch weit davon entfernt ist, in Kreisläufen zu denken, geschweige denn zirkulär zu arbeiten – auch wenn die Präsenz des Themas in den Medien und Leuchtturmprojekte weniger Brands einen anderen Eindruck erwecken. „Wenn wir uns ansehen, wie Fast Fashion weiter wächst und die Branche daran arbeitet immer schneller zu werden“, gibt Stefan Dietz, Geschäftsführer des Beratungsunternehmens Entra People Systems, zu bedenken, „hat man den Eindruck, dass die Entwicklung sogar in die falsche Richtung läuft.“

Zirkularität ist derzeit die wichtigste Idee, wie sich Wachstum mit der Erreichung von Klimazielen vereinbaren lässt. „Wir müssen unsere Hausaufgaben dringend machen“, appelliert auch Gerd Müller-Thomkins, Geschäftsführer Deutsches Mode-Institut an die Branche.

Zirkuläre Prozesse setzen Digitalisierung voraus

Zentrale These der Veranstaltung war die Aussage, dass die Digitalisierung der Lieferkette eine wesentliche Voraussetzung für den Aufbau zirkulärer Prozesse ist. „Erst das schafft die nötige Transparenz, um neue, nachhaltige Prozesse aufzubauen“, erklärt Müller-Thomkins weiter. Deshalb präsentierten Software-Unternehmen wie Assyst und Lectra die Einsparpotenziale digitaler Produktentwicklung und digitalisierter Lieferketten.

Thomas Fischer, stellvertretender Leiter Zentrum für Management Research DITF Denkendorf, rechnete anhand eines T-Shirts von Vaude vor, wieviel CO2 allein durch eine digitale Produktentwicklung eingespart werden kann: „Wenn wir so lange wie möglich digital arbeiten und erst am Ende des digitalen Prozesses ein Muster anfertigen lassen, sparen wir schon über 50 Prozent der Emissionen im Vergleich zum herkömmlichen Prozess.“ Doch es geht um mehr. Martin Lades, Director Product & Development Assyst: „Mit 3D können wir nicht nur Prototypen einsparen, sondern auch die Entwicklung der Fast Fashion zurückdrehen, indem wir Fashion On Demand voranbringen und Überproduktion vermeiden.“ Laut Madeleine Stein, Fashion Consultant Lectra Deutschland, verlängert Fashion On Demand zudem die Nutzungsphase von Produkten und ihre Wertschätzung.

Vision: QR-Codes mit allen Informationen zum Produkt

Wie Digitalisierung und Kreislauffähigkeit zusammengehen, machte der Knopfhersteller PBaccessories Peter Büdel GmbH deutlich. Das Unternehmen bietet Knöpfe in verschiedenen Nachhaltigkeitsgraden an – von recycelt über biodegradable bis recyclingfähig und reusable, und vertreibt sie über die eigene digitale B2B-Plattform. Jedes Produkt bietet durch einen durchgängigen Datenfluss maximale Transparenz. Zu jedem Produkt sind zusätzliche Informationen und Zertifikate hinterlegt. Die Vision ist es, in Zukunft jedes Produkt mit einem QR-Code zu verbinden, der alle Infos zur Weiterverarbeitung beim Recycler beinhaltet.

Re'aD Summit 2021 Screenshot / Circular.Fashion & Armedangels

Pilot-Projekt zum End-of-Life Szenario: Circular.Fashion und Armedangels

Mit Spannung wurde der Vortrag des Berliner Start-ups Circular.Fashion mit Armedangels erwartet. Erst im September hat die Kölner Modemarke ihr erstes zirkuläres T-Shirt gelauncht. Mithilfe einer circularity.ID im eingenähten NFC-Tag im Ärmel kann der Sortierbetrieb am Ende der Lebensdauer des Shirts schnell und automatisiert entscheiden, wie das Produkt verwertet werden kann. Im Rahmen des Closed Loop Pilotprojekts von Circular.Fashion und Fairwertung e.V. testet Armedangels circularity.ID basierte, intelligente Sortiersysteme für Alttextilsortierung, Wiederverkauf sowie hochwertiges Recycling im realen Umfeld. „Es ist einfach nicht mehr genug, nur Organic Cotton zu verwenden ohne eine End-of-Life Lösung zu haben“, sagt Lavinia Muth, Corporate Responsibility Armedangels.

Zwar nimmt Armedangels gebrauchte, eigene Produkte wieder zurück um sie wiederzuverwerten, „aber das ist auf Dauer viel zu teuer. Wir brauchen eine Branchenlösung die skalierbar und kosteneffizient ist.“ Auch sie versteht Daten und Technologie als einen wichtigen Hebel bei der Transformation der Modeindustrie hin zu einer Kreislaufwirtschaft. „Ich habe keine andere Lösung gesehen, die so viel Potenzial hat.“

Mud Jeans: Zirkulärer Denim

Die niederländische Denim Brand Mud Jeans arbeitet seit ihrer Gründung 2015 an dem Thema Zirkularität. Zunächst mit Mietmodellen, inzwischen durch das Recycling von post-consumer Denim zu neuem Denim. Die Schwierigkeit: „Mechanisch recycelte Baumwolle erreicht bisher nicht die gleiche Haltbarkeit wie neue Baumwolle weil die Fasern kürzer sind“, erklärt Sina Steidinger, Denim Designer für Mud Jeans & Sustainability Manager in Textiles. Mud’s Denimweber Royo muss also neue Baumwolle beimischen um die Haltbarkeit zu gewährleisten.

Zur weiteren Verfeinerung des Prozesses und um Emissionen in der Lieferkette zu reduzieren, arbeitet Mud außerdem mit Ecochain aus Amsterdam zusammen. Über die Environmental Intelligence Platform von Ecochain sammelt Mud Daten zum eigenen Fußabdruck und erhält so valide Informationen zum Verbrauch in den Bereichen Materialien, Prozesse und Logistik. „Wir haben beispielsweise gesehen, dass wir bei den Materialien einen sehr hohen CO2-Verbrauch haben, also müssen wir versuchen, weniger Organic Cotton und mehr recycelte Baumwolle zu verwenden“, so Steidinger. 2020 sollte die erste Jeans aus 100 Prozent recycelter Baumwolle auf den Markt kommen, die Pandemie hat das leider verzögert. Steidinger: „Unser Ziel ist es, den CO2-Impact pro Jeans um 80 Prozent zu reduzieren.“

Fazit: Wissen ist da, Verbreitung fehlt

Zum Ende der Veranstaltung wurde deutlich, dass bereits vielversprechende Projekte in der Modeindustrie umgesetzt werden, die Hoffnung darauf machen, dass eine Transformation der Branche möglich ist. „Das Wissen ist da, aber es ist noch nicht genug verbreitet“, so das Fazit von Stefan Dietz. Gerd Müller-Thomkins sieht zudem, dass vor allem junge Menschen in der Modeindustrie derzeit die Innovation vorantreiben. Dieses Engagement sollte man nutzen. Müller-Thomkins: „Wir müssen der Jugend zuhören und haben noch viel Bewusstsein zu entwickeln.“

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