Recherche: Boohoo bricht Versprechen zu fairer Produktion
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Eine verdeckte Recherche über die Produktionspraktiken des britischen Bekleidungshändlers Boohoo fand Hinweise, dass der Modegigant seine früheren Versprechen zu fair und ethisch produzierter Kleidung bricht. Boohoo hatte behauptet, seine Arbeitsabläufe verbessert zu haben.
Der Fast-Fashion-Riesen war Thema einer Reportage des britischen Fernsehsenders BBC, für die Reporterin Emma Lowther zehn Wochen lang inkognito in der Boohoo-Zentrale in Manchester als Verwaltungsassistentin arbeitete.
Lowther schilderte ihre Beobachtungen in einem Bericht sowie in einem Dokumentarfilm, der auf dem Video-on-Demand-Dienst der BBC ausgestrahlt wurde. Während ihrer Zeit im Einkaufsteam von Boohoo bemerkte sie, dass die Mitarbeitenden unter „ständigem Druck standen, die Preise immer weiterzusenken“.
Besorgniserregend schien vor allem der Umgang mit Lieferant:innen, die häufig zu Preissenkungen aufgefordert wurden, gelegentlich auch für bereits lieferbereite Bestellungen. Zu den genannten Fällen zählte der Antrag auf eine fünfprozentige Preissenkung bei mehr als 400 bereits vereinbarten Bestellungen oder eine Beschwerde eines Lieferanten, dass ein zehnprozentiger Preisnachlass ohne Zustimmung gewährt worden sei.
Auch die Lieferzeiten wurden in Frage gestellt. Während Lowthers Zeit im Unternehmen verringerten sich diese von durchschnittlich zehn Wochen auf sechs oder sogar weniger. Zusätzlich forderte Boohoo für jede Woche, in der Bestellungen eines Lieferanten verspätet eintrafen, eine Preissenkung von fünf Prozent ein.
Lieferzeiten, Kürzungen bei Lieferant:innen und unfreiwillige Überstunden
Die Anwält:innen von Boohoo erklärten, dass die Lieferzeiten nicht unrealistisch seien und es eine gängige Praxis wäre, mit Lieferant:innen abgesprochene Strafen für verspätete Lieferungen zu verhängen.
Lowther wies auch darauf hin, dass das kürzlich eröffnete Boohoo-Stammwerk im englischen Leicester, das bei seiner Eröffnung als Kompetenzzentrum angepriesen wurde, nicht die Spitzenposition in der Lieferkette der Gruppe einnehme. So wurden Bestellungen in sieben marokkanischen Fabriken und nur vier in Leicester gefertigt.
Die Anwält:innen des Unternehmens erklärten, dass die britische Manufaktur nur ein Prozent der Kleidungsstücke herstelle und sie ursprünglich gegründet wurde, um „die Firma vielseitig zu unterstützen“, wobei sich ihre Rolle im Laufe der Zeit geändert habe.
Des Weiteren zeigten versteckte Filmaufnahmen beim Lieferanten MM Leicester Clothing, dass von Mitarbeiter:innen verlangt wurde, Überstunden zu machen. Dies ist jedoch rechtswidrig, da jede Fabrik einen Verhaltenskodex unterzeichnet, dass Überstunden freiwillig sein sollten. Boohoo teilte dem Medienunternehmen daraufhin mit, dass sich Fabriken „regelmäßigen Kontrollen“ unterziehen müssen. Jeder Verstoß gegen den Verhaltenskodex werde „äußerst ernst“ genommen. Diese Behauptungen untersucht die BBC nun.
Boohoo sah sich vor drei Jahren mit einem ähnlichen Bericht der Sunday Times konfrontiert. Die britische Zeitung behauptete, es gebe Beweise für schlechte Arbeitsbedingungen und illegale Löhne bei einigen Zuliefer:innen in Leicester.
Boohoo leitete daraufhin eine unabhängige Untersuchung seiner Lieferketten im Vereinigten Königreich ein, bei der es nach eigenen Angaben „viele Mängel“ feststellte, die es dazu veranlassten, die Beziehungen zu einigen Lieferant:innen zu beenden und das Transformationsprogramm „Agenda for Change“ wurde ins Leben gerufen. Damals hatte das Unternehmen versprochen, seine Zuliefer:innen fair zu bezahlen und die Qualität der Arbeitsumgebung zu verbessern. Jedoch stand Boohoo im Laufe der Jahre immer wieder in der Kritik. Eine Reihe von Berichten enthüllte weitere Probleme mit den Rechten der Arbeitnehmenden in seiner Lieferkette.
Mit dem jüngsten Skandal richten sich die Blicke nun erneut auf die angeblichen Missstände bei Boohoo, obwohl der Konzern nach eigenen Angaben Maßnahmen ergriffen hat, um positive Veränderungen zu erwirken. Als Reaktion auf die Vorwürfe der BBC erklärte das Unternehmen, „viel Zeit, Mühe und Ressourcen in die Förderung positiver Veränderungen“ würden in „jedem Aspekt“ investiert und Verbesserungen bei der Unternehmensführung sowie den ethischen und Compliance-Verpflichtungen vorgenommen werden.
Dieser Artikel erschien ursprünglich auf FashionUnited.uk. Übersetzt und bearbeitet von Heide Halama.