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Recht & Praxis: Auswirkungen der Covid-19-Pandemie auf die Modebranche aus insolvenzrechtlicher Perspektive

Von Gastautor

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Der stationäre Modehandel ringt schon länger mit dem Onlinehandel um Kunden. Dem modeaffinen Verbraucher wird es leicht gemacht: Mit ein paar Klicks bekommt man fast jede Modeneuheit in kurzer Zeit bequem nach Hause geliefert. In aller Ruhe kann man daheim Kleidungsstücke anprobieren und nicht passende Artikel bequem zurücksenden. Für den stationären Modehandel kommt erschwerend hinzu, dass er oftmals eine weitaus höhere Kostenstruktur aufweist.

Aber damit nicht genug: Aufgrund der Covid-19-Pandemie ist das derzeit öffentliche Leben auf unabsehbare Zeit heruntergefahren und auf ein Minimum reduziert. Die Flaniermeilen und Shoppingcenter sind oft menschenleer aufgrund des bestehenden Lockdowns zulasten der Modebranche und werden auf absehende Zeit auch nur sehr eingeschränkt wieder nutzbar sein. In Zeiten wie diesen liegt es nahe, dass die Kunden generell weniger Mode konsumieren.

Auch aus diesem Grund stehen Modeunternehmen aktuell vor enormen Herausforderungen, wie die jüngsten Nachchrichten zu Esprit und Galeria Karstadt Kaufhof zeigen.

Der deutsche Gesetzgeber verabschiedete daher umgehend ein Maßnahmenpaket zur Eindämmung der erheblichen wirtschaftlichen Auswirkungen durch die Pandemie. Inzwischen ist das „Gesetz zur vorübergehenden Aussetzung der Insolvenzantragspflicht und zur Begrenzung der Organhaftung bei einer durch die Covid-19-Pandemie bedingten Insolvenz“ (COVInsAG) mit Wirkung zum 1. März 2020 in Kraft getreten.

Potentielle Haftungsszenarien werden zu Gunsten der Fortführung von Unternehmen, insbesondere in der Modebranche angepasst, die unverschuldet durch die Folgen der Covid-19-Pandemie zunehmend in eine wirtschaftliche Schieflage geraten. Nachfolgend soll deshalb ein kurzer unverbindlicher Überblick zu einigen interessanten Neuerungen vor dem Hintergrund von Unternehmensinsolvenzen erfolgen:

Pflicht zur Insolvenzantragsstellung und die Aussetzungsgründe nach dem COVInsAG

Grundsätzlich sind zum Beispiel die Geschäftsführer einer GmbH oder der Vorstand einer AG dazu verpflichtet, die Eröffnung des Insolvenzverfahrens bei Gericht spätestens drei Wochen nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit des Unternehmens oder nach Vorliegen der Überschuldung zu beantragen. Die Zahlungsunfähigkeit tritt dabei ein, wenn der Schuldner nicht mehr in der Lage ist, fällige Zahlungspflichten zu erfüllen. Eine Überschuldung liegt dagegen vor, wenn das Vermögen des Schuldners nicht zur Abdeckung der Verbindlichkeiten ausreicht und die Fortführung des Unternehmens nach den Umständen nicht überwiegend wahrscheinlich ist.

Das neue Gesetz (COVInsAG) setzt diese gesetzlich zwingenden Pflichten zur Beantragung eines Insolvenzverfahrens für den Zeitraum vom 1. März 2020 bis zum 30. September 2020 unter bestimmten Voraussetzungen aus. Diese Aussetzungsfrist kann vom Bundesjustizministerium zudem bis zum 31. März 2021 verlängert werden, zum Beispiel aufgrund andauernder Finanzierungsschwierigkeiten von betroffenen Unternehmen.

Zu beachtende Einschränkungen und Vermutungen zu Gunsten der Geschäftsleitung

Wichtig für die betroffenen Unternehmen ist, dass die Einschränkung der Antragspflichten nicht gilt, wenn die eigene Insolvenz keine Folge der Covid-19-Pandemie ist. Auch scheidet die Aussetzung der Antragspflicht dann aus, wenn keine Aussichten auf eine Überwindung der bereits eingetretenen Zahlungsunfähigkeit beim Unternehmen bestehen.

Der Gesetzgeber hat die Unsicherheiten hinsichtlich der wohl schwierigen Prognosen zur Krisenursächlichkeit der Covid-19-Pandemie deshalb bereits erkannt und hierauf reagiert.

Positiv wirkt sich in diesem Zusammenhang zum Beispiel für die Geschäftsleitung von Modeunterunternehmen eine widerlegbare Vermutung im Gesetz aus. Es wird demnach gesetzlich unterstellt, dass die aktuelle Insolvenzsituation eine Folge der Covid-19-Pandemie ist und dass Aussichten bestehen, die bereits eingetretene Zahlungsunfähigkeit des Unternehmens zu überwinden, sofern dieses zum Ende des Jahres 2019 noch nicht zahlungsunfähig war (Stichtag: 31. Dezember 2019). An die Beweisführung hinsichtlich gegenteiliger Behauptungen werden dem Gesetzgeber zufolge höchste Anforderungen zu stellen sein.

Zu beachten ist hierbei jedoch, dass nach hiesigem Verständnis die Überschuldung als ebenfalls zur Antragstellung verpflichtender Insolvenzgrund die für die Geschäftsleitung positive gesetzliche Vermutung nicht beseitigt.

Klarzustellen ist vor dem Hintergrund des neuen Gesetzes auch, dass für den Zeitraum bis zum 29. Februar 2020 die Antragspflichten für die Unternehmensführung bei einer Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung weiterhin unverändert in Kraft bleiben. Die gesetzliche Vermutung greift auch nicht nachträglich heilend zu Gunsten der Geschäftsleitung ein, die bereits vor dem 1. März 2020 aufgrund der Insolvenzreife zur Antragsstellung verpflichtet waren.

Beschränkung des Insolvenzantragsrechts auf Seiten der Gläubiger

Im Einklang mit der Aussetzung der Insolvenzantragspflicht schränkt das COVInsAG auch das Recht von Gläubigern ein, die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen eines Unternehmens zu beantragen. Ein in dem Dreimonatszeitraum vom 28. März bis zum 28. Juni 2020 gestellter Insolvenzantrag eines Gläubigers beim zuständigen Insolvenzgericht ist demnach nur dann erfolgversprechend, wenn der Schuldner bereits am oder vor dem 1. März 2020 zahlungsunfähig oder überschuldet war.

Zusätzliche Haftungsbeschränkungen zu Gunsten der Unternehmensführung

Grundsätzlich kann sich eine persönliche Haftung für Mitglieder der Geschäftsleitung daraus ergeben, dass nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung der Gesellschaft noch Zahlungen an Gläubiger geleistet werden oder bereits im Vorfeld Zahlungen an Gesellschafter erfolgen, soweit diese zur Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft führen mussten.

In diesem Zusammenhang hebt das neue Gesetz nunmehr die Verbote für solche Zahlungen während des Aussetzungszeitraumes auf, die im ordnungsgemäßen Geschäftsgang erfolgen. Darunter fallen zum Beispiel die Zahlungen zur Aufrechterhaltung oder Wiederaufnahme des Geschäftsbetriebs sowie zur Neuausrichtung des zu sanierenden Unternehmens. Nach dem Gesetz gelten diese Zahlungen jetzt als sorgfaltsgemäße Handlungen eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters. Der Unternehmensführung soll durch die Lockerung des grundsätzlich strengen persönlichen Haftungsregimes damit ein größerer Handlungsspielraum für die zu bewältigende Krise eingeräumt werden.

Auf der anderen Seite unterliegen Zahlungen zugunsten eines Gläubigers des insolventen Unternehmens während des Aussetzungszeitraums, die der Gläubiger auf diese Weise und zu diesem Zeitpunkt auch rechtmäßig verlangen konnte (sogenannte „kongruente Deckung“), nicht der Insolvenzanfechtung beziehungsweise einem Rückzahlungsanspruch hierzu durch den zukünftigen Insolvenzverwalter.

Dies soll nur ausnahmsweise dann nicht gelten, wenn der Gläubiger bereits wusste, dass die Umstrukturierungs- und Finanzierungsbemühungen des insolventen Unternehmens nicht geeignet waren, ausschließlich den Insolvenzgrund der Zahlungsunfähigkeit zu beseitigen.

*Geschrieben von Thomas Farkas und Franz Kleinschmidt, Eversheds Sutherland (Germany) LLP. Thomas Farkas ist Rechtsanwalt im Münchner Büro der internationalen Wirtschaftskanzlei Eversheds Sutherland (Germany) LLP. Aufgrund seiner langjährigen Expertise im Modehandel liegt sein Fokus auch auf der umfassenden Beratung von Modeunternehmen, insbesondere in allen Bereichen des Gewerblichen Rechtsschutzes (Marken-, Design-, Urheber- und Wettbewerbsrecht). Franz Kleinschmidt ist Rechtsanwalt und Teil des Berliner Teams der Eversheds Sutherland (Germany) LLP. Er berät insbesondere Unternehmen in den Bereichen Restrukturierung, Sanierung und Insolvenz.

Bild:David Visnjic / Andolu Agency / Andolu Agency via AFP

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