Recht & Praxis: Fashion "Made in Germany"?
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Deutsche Ware hat von jeher einen guten Ruf. Nach zahlreichen Berichten über katastrophale Zustände in Nähfabriken und unzureichenden Umweltschutz vor allem in asiatischen Ländern hat das Etikett "Made in Germany" in der Fashion-Branche noch an Wert gewonnen. Doch wann darf ein Kleidungsstück als "Made in Germany" bezeichnet und beworben werden?
Keine Kennzeichnungspflicht für Modeprodukte
Entgegen einer verbreiteten Auffassung besteht weder in Deutschland noch auf EU-Ebene die Pflicht, das Herstellungsland von Modeerzeugnissen anzugeben. "Made in …"-Kennzeichnungen sind hier also freiwillig. Sowohl der deutsche als auch der europäische Gesetzgeber erkennen mit dieser Entscheidung an, dass eine Herkunftsangabe bei Modeerzeugnissen besonders schwierig ist. Wird eine Ware aber mit der Angabe "Made in Germany" gekennzeichnet, muss die Angabe sachlich richtig sein. Anderenfalls liegt eine irreführende Werbung mit einer geographischen Herkunftsangabe vor, die u.a. zu Unterlassungsansprüchen von Mitbewerbern oder Verbraucherschutzverbänden führen kann.
Wann ist ein Produkt "Made in Germany"?
Es stellt sich vor allem für Industrieprodukte, die typischerweise in internationaler Arbeitsteilung hergestellt werden, die Frage, wann man bei einer in mehreren Ländern stattfindenden Produktion noch von "Made in Germany" sprechen kann. Auch Modeerzeugnisse sind solche Industrieprodukte, und die internationale Arbeitsteilung ist bei ihnen in besonderem Maße anzutreffen. Häufig sind eine Reihe von Ländern in die Wertschöpfung eingebunden. Die Rohstoffe stammen nur in Ausnahmefällen aus dem Inland und werden für gewöhnlich im Ausland derart verarbeitet, dass das Modeerzeugnis daraus geschaffen werden kann.
Eine gesetzliche Regelung dafür, wann eine Ware "Made in Germany" ist, gibt es in Deutschland nicht. Allerdings hat sich die deutsche Rechtsprechung schon mehrfach - und im Jahr 2014 auch der Bundesgerichtshof als höchstes deutsches Zivilgericht - mit dieser Frage beschäftigt. Anlass hierfür waren stets Fälle, in denen Hersteller mit der Angabe "Made in Germany" warben, obwohl mehr oder weniger erhebliche Teile des Produktionsprozesses im Ausland stattgefunden hatten.
Nach der Rechtsprechung ist inzwischen anerkannt, dass es keine starren Kriterien dafür gibt, wann eine Ware "Made in Germany " ist. Der Auffassung, 45 Prozent der Gesamtwertschöpfung müsse in Deutschland stattfinden, hat der Bundesgerichtshof eine klare Absage erteilt.
Die Rechtsprechung erkennt an, dass die internationale Arbeitsteilung eine Realität ist und verbietet die Angabe "Made in Germany" nicht schon deshalb, weil nicht alle Produktionsvorgänge in Deutschland stattfinden.
Worauf es für die Zulässigkeit der Angabe ankommt, ist das Verständnis des Verbrauchers. Diesem ist klar, dass in einer globalisierten, arbeitsteilig organisierten Welt selten alle Produktionsschritte in Deutschland erfolgen und vor allem Rohstoffe meist ausländischen Ursprungs sind. Der Verbraucher bezieht eine Herkunftsangabe daher grundsätzlich auf denjenigen Ort, an dem die Ware ihre maßgebende Qualität und ihre charakteristischen Eigenschaften erhält.
Es ist also für jedes als "Made in Germany" gekennzeichnete Produkt zu fragen, welches seine für den Verbraucher wesentlichen Eigenschaften sind, durch welchen Produktionsschritt diese entstehen und ob der jeweilige Produktionsschritt in Deutschland ausgeführt wird. Um beurteilen zu können, welche Produkteigenschaften für den Verbraucher wesentlich sind, ist eine wertende Betrachtung im Einzelfall vorzunehmen.
Der Bundesgerichtshof hat dabei deutlich gemacht, dass er die Angabe "Made in Germany" wörtlich nimmt und sie auf die Herstellung bezogen versteht. Auf die Herkunft der Rohstoffe dürfte es für Industrieprodukte daher nicht ankommen, so dass ausländische Rohstoffe ein "Made in Germany" nicht unzulässig erscheinen lassen, deutsche Rohstoffe umgekehrt aber auch nicht dazu führen, dass das Produkt schon deshalb als "Made in Germany" bezeichnet werden dürfte. Auch ein in Deutschland designtes, aber vollständig im Ausland hergestelltes Produkt dürfte daher nicht "Made in Germany" sein - egal, wie wesentlich das Design aus Sicht des Verbrauchers auch sein mag. Die Firma Apple hat dieses Problem mit ihrer Angabe "Designed by Apple in California. Assembled in China." geschickt umgangen.
Geschrieben von Janina Voogd, LL.M. (Cape Town), Noerr LLP.
Janina Voogd ist Rechtsanwältin und Senior Associate in der Praxisgruppe Gewerblicher Rechtsschutz im Münchener Büro der Sozietät Noerr LLP. Sie berät nationale und internationale Unternehmen in allen Bereichen des Marken- und Designrechts. Darüber hinaus berät sie im Wettbewerbsrecht sowie in Domain-Streitigkeiten. Einen Schwerpunkt bildet dabei die Beratung von Unternehmen in der Modebranche. Janina Voogd ist Lehrbeauftragte für Marken- und Designrecht an der AMD Akademie Mode & Design in München.
Foto: © Bertold Werkmann | Dreamstime.com