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Recht und Praxis: Die Folgen eines Hard-Brexit für Modeunternehmen

Von Gastautor

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Seit über zwei Jahren wird fast täglich in den Medien über den „Brexit“ berichtet. Seit dem „Leave-Vote“ der Briten am 23. Juni 2016 gab es kein anderes Thema, das die europäische Politik so sehr durchgerüttelt hat. Trotzdem hat sich seitdem kaum etwas getan. Theresa May versprach einmal ganz optimistisch: “Brexit means Brexit and we are going to make a success of it.” Wer dieser Tage die Zeitung liest, dem wird es schwer fallen, in dem Wirrwarr der Verhandlungen eine Erfolgsgeschichte zu entdecken.

Dabei haben gerade auch Modeunternehmen in den letzten Jahren erhebliche Bedenken gegen einen Brexit geäußert. Viele sehen ihn als große Gefahr für die Modeindustrie, die schätzungsweise für immerhin 50 Milliarden Pfund des britischen Bruttoinlandsproduktes verantwortlich ist. Nun steht die EU-Mitgliedschaft Großbritanniens kurz vor dem Ende und die Zeichen deuten darauf hin, dass May es nicht schaffen wird, rechtzeitig eine Vereinbarung mit der EU zu schließen. Der „geregelte“ Brexit - sofern es diesen überhaupt geben kann - steht auf dem Spiel. Dabei ist May erst dieser Tage erneut mit ihrem EU-Deal gescheitert. Kurz darauf stimmten die Abgeordneten aber auch ausdrücklich gegen einen ungeregelten Austritt. Damit bleibt derzeit völlig offen, wie es weitergehen wird.

Spätestens jetzt sollten sich auch die Modeunternehmen, die zunächst noch auf eine Verhandlungslösung oder gar auf einen „Austritt aus dem Austritt“ gehofft hatten, auf die „Stunde null“ vorbereiten. Doch was bedeutet ein (ungeregelter) Brexit für die europäische und britische Fashion-Industrie?

Freier Warenverkehr: Können nach einem Hard Brexit Modeartikel ohne Weiteres über die „neue Grenze“ zwischen und Großbritannien und der EU verbracht werden?

Mit dem Austritt verlieren europäische Verordnungen automatisch ihre Wirksamkeit in Großbritannien. Das britische Parlament hat zwar vorsorglich ein Gesetz erlassen, dass alle EU-Verordnungen weiterhin für anwendbar erklärt, bis neue Regelungen getroffen sind. Dieses System funktioniert jedoch nur bedingt.

Freilich kann Großbritannien nicht alleine entscheiden, die Grenze zur EU offen zu halten. Die unmittelbare Folge des Brexit wird also sein, dass zum ersten Mal seit Jahrzehnten Grenzkontrollen und Zölle wieder zum Alltag der Lieferkette „Großbritannien-EU“ gehören werden. Derzeit ist noch völlig unklar, wie britische Behörden die Kontrollen logistisch bewältigen können. Bekannte britische Einzelhändler wie etwa Harrods versuchen derzeit durch Hamsterkäufe und Zwischenlagerung sicherzustellen, dass in der kommenden Sommersaison in Großbritannien keine Engpässe auftreten. Schließlich warnen Experten bereits jetzt, dass Lieferverzögerungen zwischen 10 und 30 Minuten für viele britische Unternehmen existenzbedrohlich werden könnten.

Was ist also zu tun? – Modeunternehmen, die im Rahmen ihrer Lieferkette Modeartikel aus Großbritannien in die EU oder aus der EU nach Großbritannien verbringen, sollten zeitnah die zollamtliche Behandlung (Registrierung beim Zoll, etc.) der Lieferungen vorbereiten. Dabei ist darauf zu achten, dass im Unternehmern ausreichend Ressourcen (Personal, IT-Infrastruktur und erweiterte Lagermöglichkeiten) vorhanden sind, um zollbedingte Lieferverzögerungen schnell zu bearbeiten und abfangen zu können. Gleichzeitig sollten Verträge mit Lieferanten dahingehend überprüft und unter Umständen neu verhandelt werden, wer für zusätzliche Kosten und mögliche finanzielle Einbußen durch verzögerte Warenlieferungen aufkommen muss.

Produktbezogene Vorgaben: Was ändert sich?

Werden Modeartikel nach einem Hard Brexit aus Großbritannien in die EU eingeführt, kommen sie damit das „erste Mal“ auf dem Europäischen Binnenmarkt in den Verkehr.

Folglich ist in Bezug auf die Beschaffenheit der Modeartikel dann denkbar, dass das jeweilige Unternehmen dann als Importeur beziehungsweise Hersteller der Waren gilt. Hiermit sind dann möglicherweise auch deutlich weitreichendere Verantwortlichkeiten verbunden. Beispielsweise ist dieses Unternehmen, dass Modewaren aus Großbritannien erstmals in die EU verbringt, dann auch für die richtige Textilkennzeichnung der Modeartikel nach den unionsrechtlichen Vorgaben (mit-)verantwortlich.

Die rechtlichen Vorgaben an die Produktbeschaffenheit sind damit für viele Unternehmen erstmals „eigenverantwortlich“ einzuhalten.

Schutz von Brands und Designs

Bei einem Hard Brexit kann es sein, dass Marken und Designs zumindest teilweise ihren Schutz in Großbritannien verlieren. Um absolut sicher zu gehen, dass Modeunternehmen ihre Marken- und Designrechte auch in Großbritannien effektiv geschützt haben, sollten diese spätestens jetzt entsprechende nationale britische Rechte anmelden.

Schließlich schützen Marken und Designs das wichtigste Gut der Modeindustrie, die kreative Leistung und die prestigeträchtige Marke. Was wäre eine Louis Vuitton Tasche ohne das weltbekannte „Monogram“, ein Burberry-Schal ohne das charakteristische Karo?

Was geschieht mit meinen EU-Marken?

Alle Inhaber einer der elf Millionen europäischen eingetragenen Marken haben eventuell eine „Verschnaufpause“. Das britische Markenamt (UKIPO) hat angekündigt, dass alle bereits jetzt eingetragenen europäischen Marken einen britischen „Zwilling“ erhalten sollen. Das UKIPO wird also alle eingetragenen europäischen Marken kopieren und eine identische britische Marke eintragen, die sich lediglich in der Registrierungsnummer unterscheiden wird. Markeninhaber werden hierüber informiert und sollen nach derzeitigem Stand keine zusätzlichen Kosten tragen.

Zu beachten ist aber, dass die britischen „Zwillings“-Marken ab dem Brexit-Datum vollständig unabhängig von den entsprechenden europäischen Marken sind. Entsprechend müssen sie auch eigenständig verwaltet, verlängert und verteidigt werden. Unternehmen, die ihre Marken durch eine Kanzlei verwalten lassen, sollten die Vertretungsberechtigung dieser Kanzlei in Großbritannien prüfen lassen. Liegt diese nicht vor, müssen sie wohl entsprechend den Vertreter wechseln.

Nicht untätig bleiben dürfen dagegen Unternehmer, deren Europäische Marke bisher nur angemeldet, aber noch nicht eingetragen wurde. Alle Marken, die noch nicht im EU-Register eingetragen sind, werden auch nicht am Brexit-Datum übertragen. Hier müssen Unternehmen also zeitnah eine britische Marke „nachmelden“. Nur so können sie sicherstellen, dass ihre Marke auch in Großbritannien Schutz genießt und nicht etwa von einem Konkurrenten weggeschnappt wird.

Aufpassen sollten außerdem alle Hersteller von Lizenzprodukten. Das betrifft nicht nur Hersteller von Star Wars-Shirts und Snoopy-Socken, sondern auch von anderen Lizenzprodukten wie etwa Parfüms, Kosmetika und Sonnenbrillen – gerade diese Waren werden häufig von spezialisierten Lizenzfirmen produziert und vertrieben.

All diese Unternehmen, die Lizenzprodukte herstellen oder selbst ihre EU-Marken an Vertriebspartner lizensiert haben, sollten ihre Verträge prüfen, um zu klären, ob sie auch weiterhin ihre Produkte „über die neue Grenze hinaus“ verkaufen dürfen. Unter Umständen müssen Verträge nachverhandelt werden oder Lizenzen zumindest im britischen Register eingetragen werden.

Was geschieht mit meinen EU-Designs?

Europäische Marken sind jedoch nicht die einzigen Schutzrechte, die für die Fashion-Industrie von Bedeutung sind. Immer mehr Unternehmen schützen neben Logos und Namen auch ihre Schnitte und Produktgestaltungen durch die Eintragung von europäischen Designs. Erst kürzlich gewann die Firmengruppe „Only The Brave“ (OTB), zu der Diesel und Marni gehören, ein Verfahren gegen den Fast Fashion Produzenten Zara. Ein Mailänder Gericht urteilte, Zara habe Diesels „Designrechte“ an dem Skinny-Jeans Modell „SKINZEE-SP2“ verletzt.

Auch solche eingetragenen europäischen Designs werden nach dem Brexit einen britischen Zwilling erhalten. Dafür müssen die Designer ebenfalls nicht selbst tätig werden. Das UKIPO verspricht insgesamt für Designs eine einfache Regelung mit minimalem Verwaltungsaufwand.

Ähnlich sollen europäische „nichteingetragene“ Designs behandelt werden. Designer können Schutzrechte auch ohne jeglichen Anmeldungsaufwand erwerben. Erfüllt ein Design gewisse Voraussetzungen, kann ein Designer sich auch ohne eine Eintragung gegen Nachahmer zur Wehr setzen. Im Vergleich zum eingetragenen Design ist das nichteingetragene Design aber deutlich kürzer geschützt und in der Praxis schwerer durchzusetzen. In dem oben genannten Verfahren gegen Zara gelang es Marni, ein solches nichteingetragenes Design gerichtlich durchzusetzen. Die Richter stellten fest, dass Zara das Design der Sandalen seines Konkurrenten verletzt hatte und untersagten den weiteren Verkauf der Produkte.

Zwar hat die britische Regierung angekündigt, auch für solche nichteingetragenen Designs ein separates britisches Recht anzuerkennen und auch in Zukunft britischen Designern ein vergleichbares Recht zukommen zu lassen. Die Einzelheiten dieser Regelung sind jedoch noch nicht geklärt. Designer, die ihre Neuentwicklungen europaweit vertreiben wollen, sollten daher genau prüfen, wo sie ihre Mode erstmalig ausstellen. So kann eine Schau auf der Londoner Fashion Week bereits darüber entscheiden, wo und ab wann ein Design geschützt ist.

Um diesen Unsicherheiten vorzubeugen, sollte erwogen werden, noch die (neuen) Designs von Modeartikeln in der EU und in Großbritannien anzumelden.

Nur mit der richtigen Strategie können Modeunternehmen ihre Rechte ausreichend schützen. Damit sollten sie aber keinesfalls bis zum letzten Moment warten.

Für den Import/Export von Modewaren „über die neue Grenze“ kann die Zustimmung des Rechteinhabers erforderlich werden

Bei der Verbringung von Modewaren „über die neue Grenze“ findet der „Erschöpfungsgrundsatz“ für Marken und Design im Verhältnis „EU-Großbritannien“ möglicherweise keine Anwendung mehr. Derartige Rechte wie Marken und Designs „erschöpfen“, wenn der Inhaber dieser Rechte damit versehene Modeartikel erstmals in der EU in Verkehr bringt. Die Folge ist, dass diese Waren dann innerhalb der EU (zum Beispiel durch die Erschöpfung des „Markenrechts“) frei weiter gehandelt werden können. Der Schutzrechtsinhaber – mit dessen Zustimmung die Waren erstmalig in einem europäischen Land auf den Markt gebracht wurden – kann diesen freien Weiterhandel in der EU dann womöglich nicht mehr verbieten.

Sofern Großbritannien ungeregelt aus der EU austreten sollte, gilt die Erschöpfungswirkung im Verhältnis „EU-Großbritannien“ nicht mehr. Folglich kann ein „Re- oder Parallelimport“ von Mode aus Großbritannien in die EU (und umgekehrt), dennoch Marken und Designs verletzen. Dies geschieht dann, wenn der Inhaber dieser Rechte dem nicht zugestimmt hat.

Folglich ist hier vor der Verbringung der Waren „über die britische Grenze“ darauf zu achten, dass eine entsprechende Zustimmung des Rechteinhabers vorliegen sollte.

„To-Do‘s“ für Modeunternehmen:

  • Vorbereitung der Zollamtlichen Behandlung
  • Prüfung der richtigen Textilkennzeichnung und weiterer produktrelevanter Vorgaben
  • Prüfung der Lizenzverträge und ggf. Nachverhandlung
  • Schutzrechte wie Marken und Designs gegebenenfalls nachmelden
  • Vertretungsberechtigung Vertreter für Marken und Designs prüfen
  • Schutzstrategie entwickeln für nichteingetragene Designs nach dem Brexit; im Zweifel lieber Designs registrieren lassen
  • Auf Zustimmung des Rechteinhabers bei der Verbringung von Waren über die „neue Grenze“ achten
  • Es wird sich zeigen, wie sehr ein Brexit die europäische Wirtschaft beeinflussen wird. Sicher ist jedoch, dass auch die Modebranche bei einem Brexit eine andere sein wird.

Dieser Artikel stellt keine Rechtsberatung dar und kann eine solche nicht ersetzen.

Geschrieben von Jannick Thonemann und Dr. Thomas J. Farkas, LL.M. (London), Eversheds Sutherland (Germany) LLP. Jannick Thonemann und Thomas Farkas sind Rechtsanwälte im Münchner Büro von Eversheds Sutherland (Germany) LLP und beraten nationale und internationale Unternehmen in allen Bereichen des Gewerblichen Rechtsschutzes (Marken-, Design-, Urheber- und Wettbewerbsrecht) sowie im Vertriebsrecht und angrenzenden Rechtsgebieten des Wirtschaftsrechts. Ein Fokus liegt auf der Beratung von Unternehmen in der Mode- und Konsumgüterbranche.

Foto: Pixabay

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