Regierungsberatende machen Vorschläge für EU-Lieferkettenregeln
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Derzeit auf EU-Ebene diskutierte Regeln zur Wahrung von Menschenrechten im Umgang mit ausländischen Handelspartnern dürfen nach Expertenansicht nicht zu viel Aufwand für Unternehmen mit sich bringen. Darauf weist der Wissenschaftliche Beirat des Bundeswirtschaftsministeriums in einem am Mittwoch in Berlin vorgestellten Gutachten zu so genannten Lieferkettengesetzen hin.
«Der Beirat sieht die Gefahr, dass sich Unternehmen ganz aus problematischen Lieferländern zurückziehen könnten, wenn die Einhaltung der Sorgfaltspflichten hohe Kosten verursacht», erklärte der Volkswirtschaftler Klaus Schmidt von der Münchner Ludwig-Maximilians-Universität, der Vorsitzender des Gremiums ist. «In diesem Fall würde die angestrebte Verbesserung für Menschen- und Arbeitnehmerrechte nicht erreicht.» Dann besteht nach Einschätzung des Gremiums die Gefahr, dass sich Lieferketten verlagern und Arbeitsbedingungen weniger kontrollierbar werden.
Dem Beirat gehören 41 Professorinnen und Professoren an. Die Wissenschaftler:innen aus dem Bereich der Wirtschaftswissenschaften erstellen ehrenamtlich Gutachten zu selbstgewählten Themen.
Um einen übermäßigen Aufwand für Firmen zu vermeiden, schlagen die Berater:innen vor, mit Listen zu arbeiten. Länder, in denen es Standards für Menschen- und Arbeitnehmerrechte gibt, die der Staat auch durchsetzen kann, gäbe es wenig Handlungsbedarf. Eine solche Liste könnte die EU erstellen. Auch Firmen sollten demnach in Positiv- und Negativlisten einsortiert werden, wenn sie in Ländern operieren, deren Rechtssystem weniger verlässlich ist. Eine Prüfung, ob ein Unternehmen Menschenrechte akzeptiert, wäre dann aus Sicht der Wissenschaftler:innen nur noch bei Firmen nötig, die in nicht-sicheren Lieferländern operieren und weder auf einer Positiv- noch auf einer Negativliste stehen.
Nach Ansicht der Expert:innen sollten weiterreichende Ziele, etwa zur Verbesserung von Arbeitsbedingungen, ökologischen Mindeststandards oder dem Tierwohl nicht über Lieferkettengesetze durchgesetzt werden. Es sei anmaßend, wenn die EU ihre Standards und Wertvorstellungen allen anderen Ländern vorschreiben würde, so das Argument. Vorzuziehen seien Fair-Trade, Öko- oder Tierwohlsiegel.
Das im vergangenen Jahr beschlossene deutsche Lieferkettengesetz zur Einhaltung von Menschenrechten gilt ab 2023. Damit sind größere Unternehmen verpflichtet, auf Missstände beim Kauf von Produkten und Teilen aus dem Ausland zu reagieren und Abhilfe zu schaffen, wenn ihnen diese bekannt werden. Auch Umweltzerstörungen sind von dem Gesetz erfasst, aber nur wenn diese mit Leid bei Menschen oder Korruption einhergehen.
Die EU-Kommission hat im Februar Vorschläge für ein europäisches Lieferkettengesetz gemacht, das weitreichender ausfallen könnte als die deutschen Regelungen. Es wird derzeit im Europaparlament und zwischen den EU-Staaten beraten. (dpa)