Sind Marktplätze die Zukunft des Mode-Handels?
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Immer mehr Händler denken darüber nach, selbst zum Marktplatz zu werden um das eigene begrenzte Sortiment um ein Fremdes zu ergänzen. Ein Unternehmen, das die Marktplatz-Technologie mit vorangetrieben hat, ist Tradebyte. In diesem Jahr wurde Tradebyte von Zalando übernommen, das bekanntlich im Ausbau seiner Marktplatz-Aktivitäten weiteres Wachstumspotenzial sieht. Matthias Schulte, Geschäftsführer der Tradebyte GmbH, ist Experte für digitalen Handel. Er erklärt hier, welche Herausforderungen den Modehandel gerade beschäftigen und wie sich der Markt entwickeln wird.
Wo sehen Sie die Herausforderungen für Fashionbrands und Händler für die nächsten zwei Jahre?
Wir sehen einen Trend, der tatsächlich massiv die gewohnte Handelswelt verändert. Aus Sicht der Marke müssen die klassischen Vertriebsformen, wie etwa Wholesale, Retail, E-Commerce verändert und in die Neuzeit überführt werden. Schon heute sehen wir eine starke Verlagerung vom traditionellen Wholesale in digitale Vertriebskanäle, wie beispielsweise Marktplätze (z.B. Amazon, eBay) oder Partner-Plattformen (z.B. Otto, Zalando). Die strategische Ausrichtung ist somit ein wesentlicher Faktor für Brands, die morgen über diverse Touchpoints Konsumenten erreichen möchten. Aus Sicht des Retailers passiert das gleiche in umgekehrter Richtung. Auch hier wird der traditionelle Einkauf um digitale Beschaffungswege ergänzt und teils sogar ersetzt. Die neuen digitalen Prozesse ermöglichen attraktivere, breitere Sortimente, schnelle Reaktionszeiten, z.B. bei Top-Sellern, und höhere Verfügbarkeiten. Diesen neuen Möglichkeiten müssen sich die Retailer stellen.
Denken Sie, die Fashionbranche ist gut aufgestellt, um diese Herausforderungen zu meistern?
Um es ehrlich zu sagen: Bis auf wenige Ausnahmen stehen wir mit Blick auf die Branche und die strategischen sowie prozessualen Voraussetzungen ziemlich am Anfang der Reise. Jahrzehntelang gelernte Vertriebswege und Handelsstrategien ändern sich nicht von heute auf morgen, das ist ein stetiger Prozess. Hinzu kommt, dass die neuen Chancen viele Herausforderungen, vor allem hinsichtlich IT und Systemarchitektur, mit sich bringen, die nicht über Nacht gemeistert werden können. Im Vergleich jedoch zu vor fünf Jahren sehen wir, dass der Änderungsbedarf klar erkannt ist und nicht mehr diskutiert wird. Die Frage ist nun, wie schnell und effektiv eine digitale Strategie Einzug hält.
Was erleben Sie in der Praxis: Eher Tatendrang oder „Kopf in den Sand“ stecken?
Wir sehen Tatendrang. Sobald eine Marke oder ein Retailer das große Potenzial erkannt hat und erste Erfahrungen macht, wird mit großer Geschwindigkeit und mit großem Aufwand das Thema vorangetrieben.
Tradebyte ermöglicht Retailern, ihr Sortiment im eigenen Shop um passende Produkte anderer Marken zu erweitern. Wie wird dieser Service angenommen und warum macht das Sinn?
Dafür gibt es eine einfache Formel: Ein breiteres Angebot führt zu mehr Conversions und höheren Warenkorbwerten. Eine Anbindung ermöglicht es aber auch, bereits bestehende Artikel besser verfügbar zu machen, was wiederum die Kundenbindung erhöht. Auch Schnelligkeit spielt hier eine Rolle, da das traditionelle Nach-Order-Prinzip Vorlaufzeiten hat, die angesichts der kürzeren Zyklen und der schwankenden Nachfragen entscheidende Nachteile gegenüber der digitalen Beschaffung mit sich bringt. Heute kennen wir kaum einen bedeutenden Retailer, der nicht über eine Marken- oder Lieferanten-Plattform nachdenkt bzw. diese bereits auf der Roadmap hat.
Tradebyte wurde gerade erst vom Branchenprimus Zalando gekauft. Warum?
Durch die gestärkte Partnerschaft mit Zalando gewinnen wir die führende Online-Modeplattform Europas als starken Begleiter auf unserem weiteren Wachstumsweg. Wir profitieren dabei vor allem von Zalandos technologischer Infrastruktur und tiefgreifendem Branchenwissen. Als Teil der Zalando Familie können wir als weiterhin selbständiges Unternehmen weitere wichtige Schritte unternehmen, um unsere Positionierung im weltweiten digitalen Handel voranzutreiben.
Händler und Hersteller verkaufen auf Amazon, auf Zalando, auf ebay, etc. Besteht da nicht die Gefahr, dass es überall nur noch dieselben Produkte gibt und der Wettbewerb sich auf einen Preiskampf reduziert?
Angesichts der extrem großen Vielfalt im Fashion- und Living-Bereich und der zunehmend speziellen Wünsche der Konsumenten sehen wir diese Gefahr nicht. Allein bei Zalando gibt es über 1.500 Marken, die jeweils in ihrer Nische oder für ihre Zielgruppe eine hohe Relevanz haben. Und je nach Zielgruppe und Ausrichtung entsteht Traffic im Netz an vielen unterschiedlichen Stellen. Auch wenn der Vergleich mit dem stationären Handel nicht ganz zutreffend ist: Eine Großstadt hat auch mehrere Einkaufszentren und Einkaufsmeilen, die teils überlappende Angebote haben, die aber jeder für sich eine hohe Relevanz haben.
Immer mehr Hersteller vertikalisieren und steigen damit ins B2C-Geschäft ein. Braucht es in Zukunft noch den Händler, wie wir ihn kennen?
In jedem Fall! Gerade die Vielfalt und die Breite der Sortimente bieten enorme Chancen für Shops, die kuratieren und etwa in Verbindung mit Social Marketing bestimmte Wünsche und Zielgruppen ansprechen. Mit Blick auf den Sportmarkt beispielsweise gibt es eine Reihe an Spezialshops, die unter ihren Kunden eine hohe Loyalität genießen.
Wie wird Ihrer Meinung nach die Zukunft des Handels aussehen? Wer wird online gewinnen und wer offline?
Gleich in welchem Bereich werden die gewinnen, die mit Leidenschaft und großer Kundenzentrierung ein gutes Produkt- und Serviceangebot bieten und das Kauferlebnis im Fokus ihrer Strategien haben.
Die Zyklen im Fashionhandel werden immer kürzer und die Saisons verschieben sich immer mehr. Kann der Online-Handel damit besser umgehen als der stationäre?
Derzeit hat hier der stationäre Handel oft noch die Nase vorn, da neue Ware einfach im Ladengeschäft eingeräumt und präsentiert werden kann. Im Online-Handel ist ein effizienter und schneller Prozess zur Content-Erstellung der entscheidende Wettbewerbsfaktor, der nicht von allen in der heute geforderten Form beherrscht wird. Deshalb haben wir dieses Jahr auch unser TB.PIM gelauncht, das die Workflows bis hin zum fertigen, digitalen Produkt vereinfachen und beschleunigen soll.
Fotos: Tradebyte.com; Matthias Schulte