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Warum plant Shein einen Börsengang in London und nicht in New York?

Von Diane Vanderschelden

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Bild: Shein

Der chinesische ultraschnelle Modegigant Shein könnte bald an die Londoner Börse gehen. In den nächsten Tagen wird ein Prospekt für einen Börsengang erwartet, der das Unternehmen mit 64 Milliarden US-Dollar (59 Milliarden Euro) bewerten könnte.

Laut einer mit der Angelegenheit vertrauten Quelle würde Shein diese Woche eine Börsennotierung in London in Betracht ziehen, berichtet Business of Fashion. Der Zeitpunkt und der Abschluss der Transaktion sind noch ungewiss. Laut Euronews könnte der Börsengang von Shein einer der größten sein, die jemals an der Londoner Börse stattgefunden haben, und eine willkommene Abwechslung zum Exodus der Unternehmen nach New York darstellen.

Nach Angaben des europäischen Nachrichtenmediums ist die Entscheidung, nach London zu gehen, auf die Schwierigkeiten von Shein in den Vereinigten Staaten zurückzuführen. Die US-Wertpapier- und Börsenaufsichtsbehörde (SEC) hat einen möglichen Börsengang in New York zurückgestellt, vor allem aufgrund von Bedenken hinsichtlich der Geschäftspraktiken und der mangelnden Transparenz der Geschäftstätigkeit in China. US-Senator Marco Rubio gehört zu denjenigen, die die SEC auffordern, den Börsengang zu blockieren, weil er der Meinung ist, dass mehr Transparenz über die chinesischen Aktivitäten von Shein herrschen sollte.

Shein mit Sitz in Singapur, aber in China gegründet, wollte sich zu diesen Informationen nicht äußern. Das Unternehmen muss auch die Genehmigung der chinesischen Wertpapieraufsichtsbehörde (China Securities Regulatory Commission) einholen, um seinen Börsengang durchführen zu können, und zwar aufgrund neuer Vorschriften, die die Kontrollen für chinesische Unternehmen, die im Ausland an die Börse gehen wollen, verschärfen.

Die Entscheidung für London fällt in eine Zeit, in der im Vereinigten Königreich am 4. Juli Parlamentswahlen stattfinden, bei denen die Labour-Partei in den Umfragen führt. Donald Tang, geschäftsführender Vorsitzender von Shein, traf Berichten zufolge mehrere Labour-Politiker:innen, darunter Jonathan Reynolds, den Schattenwirtschaftsminister, wie die Nachrichtenplattform Sky News berichtet.

Neuer Schwung für die Londoner Börse

Die mögliche Ankunft von Shein würde der Londoner Börse, von der in den letzten Monaten mehrere nationale Flaggschiffe wie Flutter Entertainment, Arm Holdings und Tui an die New Yorker Börse abgewandert sind, neues Leben einhauchen.

Allerdings gibt es noch Hindernisse. Der Börsengang muss noch von den britischen Finanzbehörden genehmigt werden. Darüber hinaus erwägt die Europäische Union die Abschaffung der Steuervorteile, die Shein und andere E-Commerce- Unternehmen genießen, wie zum Beispiel die Mehrwertsteuerbefreiung für die Einfuhr von Waren mit geringem Wert. Diese Steuerbefreiung ermöglichte es Shein, Temu und anderen Akteuren, Zollgebühren und Kontrollen für alle Pakete zu vermeiden, die aus dem Ausland in die EU kommen und einen Gesamtwert von weniger als 150 Euro haben. Diese Steuerbefreiung ermöglichte es Shein zweifellos, äußerst wettbewerbsfähige Preise anzubieten, wirft aber natürlich Fragen hinsichtlich der Einhaltung der europäischen Vorschriften auf.

Vorwürfe des unlauteren Wettbewerbs und der Zwangsarbeit

Shein wurde von seinem Konkurrenten Temu wegen wettbewerbswidriger Praktiken bezichtigt. Temu, das ebenfalls für seine fragwürdigen Geschäftspraktiken bekannt ist, wirft Shein insbesondere vor, Lieferant:innen zur Unterzeichnung von Exklusivitätsverträgen zu bewegen und wiederholt die Entfernung von Produkten wegen Urheberrechtsverletzungen zu verlangen.

Neben den bereits erwähnten Vorwürfen der unlauteren Wettbewerbs und Zwangsarbeit sieht sich Shein mit einer Vielzahl von Klagen wegen Verletzung des geistigen Eigentums konfrontiert. Designer:innen und Marken behaupten, dass sich das Unternehmen schamlos ihre Entwürfe aneignet, sie zu einem niedrigen Preis reproduziert und massenhaft verkauft. Ein bekanntes Beispiel: H&M. 2023 reichte die schwedische Modekette H&M bei einem Gericht in Hongkong eine Klage gegen Shein wegen Verletzung seiner Urheberrechte ein. H&M, ein Virtuose des „legalen Plagiats“, wie die Zeitschrift Trends Tendance es nennt, legte erdrückende Beweise vor, die die frappierenden Ähnlichkeiten zwischen seinen Modellen und denen von Shein belegen. Zoetop Business, ein mit Shein verbundenes Unternehmen, ist ebenfalls in das Verfahren verwickelt. Sollten die Gerichte die Verstöße bestätigen, könnte das Unternehmen gezwungen werden, die rechtsverletzenden Produkte vom Markt zu nehmen und den geschädigten Rechteinhaber:innen erheblichen Schadensersatz zu zahlen. Dieser Fall veranschaulicht die umstrittene Strategie von Shein, das sich weitgehend von den Kreationen anderer inspirieren lässt, um seinen ultraschnellen Produktionszyklus voranzutreiben. Obwohl Shein für seine umstrittenen Praktiken kritisiert wurde, ist das Modell keineswegs innovativ. Im Gegenteil, es fügt sich in eine Praxis ein, die bereits von seinen Konkurrent:innen, den meisten Akteur:innen der Fast Fashion, angewandt wird.

Abgesehen von den rechtlichen Aspekten schaden diese Fälle dem Image von Shein und werfen Fragen zur Geschäftsethik des Unternehmens auf. In der Tat scheint die Marke, die für ihre niedrigen Preise und ihre Schnelligkeit bekannt ist, auf einem fragilen Geschäftsmodell zu basieren, bei dem Innovation oft durch Kopieren erfolgt.

Schließlich wird Shein in den USA auch verdächtigt, gegen das Gesetz zur Verhinderung uigurischer Zwangsarbeit zu verstoßen, indem es nicht offenlegt, dass für seine Produkte Baumwolle aus Xinjiang verwendet wird. Die chinesische Regierung und mehrere Unternehmen werden beschuldigt, die muslimische Minderheit der Uiguren in der Region für Zwangsarbeit auszubeuten, was dazu geführt hat, dass einige chinesische Unternehmen in den USA auf eine schwarze Liste gesetzt wurden.

Dieser übersetzte Artikel erschien zuvor auf FashionUnited.fr.

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