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Was ist bei Brioni passiert?

Von Don-Alvin Adegeest

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Business |MEINUNG

Die Nachricht über das Ende der Zusammenarbeit zwischen dem italienischen Herrenschneider Brioni und dem Mode-Wunderknaben Justin O’Shea nach gerade einmal einer Saison war für die Branche und ihre Beobachter beinahe eine größere Überraschung als sein Einstieg dort.

Gerade einmal sechs Monate hielt also die Kollaboration, die von Beginn an eine unwahrscheinliche und mutige Entscheidung seitens der Italiener war. Ein alteingesessenes Luxusmodehaus für Herren, das den Versuch wagt, auf neuen Wegen mit der Generation der Millenials anzubandeln. Es schien wie ein cleverer Schachzug. O’Shea als ehemaligen Fashion Director von Mytheresa.com, der den Onlinehandel und die Wünsche der neuen Kundengeneration versteht, nach Italien zu holen, war durchaus eine nachvollziehbare Wahl, auch wenn dem Australier der Design-Hintergrund fehlte. Warum also endete die Zusammenarbeit so schnell?

Alles braucht seine Zeit

Vermutlich wollte O’Shea zu vieles, zu schnell. Einen alteingesessenen Herrenschneider von Grund auf zu modernisieren, ohne dabei die bestehende Kundschaft zu verschrecken, ist beinahe unmöglich. Doch besieht man sich die Geschwindigkeit und die Maßnahmen, die innerhalb von sechs Monaten ergriffen wurden, wird klar, dass wie radikal diese waren.

Begonnen beim Logo krempelte O’Shea das Luxusmodehaus komplett um: Von einer klassisch-eleganten Kursivschrift zu einem gotischen Schriftzug – beinahe wie jener der von Rihanna designten Puma X Fenty Kollektion; von einem zurückhaltenden James Bond-Typ als Kampagnengesicht zu den Metal-Rockern von Metallica; von Mailand auf den Couture-Laufsteg in Paris; vom reinen Männerlabel zum Unisex-Catwalk – diese Veränderungen waren einschneidend.

Abgesehen davon, dass die Kollektion den Herren einiges an Mut abverlangte, mussten diese auch noch tief in die Taschen greifen: Die Couture-Kollektion beinhaltete teuerste Materialien wie Chinchilla oder Krokodilleder. Nummer sicher sieht definitiv anders aus.

Sicherlich half auch seine Kritik auf Vogue.com nicht, die Kundschaft bei der Stange zu halten. Dort sagte er, gefragt, was er bei Brioni ändern wolle "I would change the shitty logo. I would change the campaign. I would change the clothes. In fact, I would change pretty much everything.”(Ich würde das beschissene Logo ändern. Ich würde die Kampagne ändern. Tatsächlich würde ich so ziemlich alles ändern.“)

Tiefschürfende Veränderungen

Wenn man zurückdenkt an den Aufschrei, den Hedi Slimane mit seiner Verjüngungskur bei Saint Laurent verursachte – und die Zielgruppe dort bereits vor der Umgestaltung eine deutlich jüngere, trendaffinere als die von Brioni – dann wird klar, dass O’Shea damit sicherlich einige langjährige Stammkunden vergrault haben und auch in der Führungsetage für Aufregung gesorgt haben dürfte.

Die Zeiten für Menswearlabel sind ohnehin schwer, noch dazu, wenn es sich um eine klassische Herrenanzugs-Marke in einer Umbruchsituation handelt. Immer weniger Anlässe erfordern überhaupt das Tragen von Anzügen und die Zielgruppe, die in einen schmal geschnittenen Dreiteiler im 70s-Look für als 3.500 Euro investieren kann und will dürfte verschwindend gering sein.

Nun hätte man all diese Rebranding-Bemühungen als genau das sehen können: Eine Saison, in der es vordergründig um die Verjüngung des Markenimages hin zum Typ „unangepasssten Rocker-Businessmann“ geht. In der nächsten Saison hätte man dann einen Gang zurückschalten und die Kunden mit tragbareren und abgebrüht-maskulinen Schnitten abholen können. Doch scheinbar sind den Italienern Zweifel an O’Sheas Vision gekommen. Möglicherweise hat er zu viele Stammkunden vor den Kopf gestoßen, ohne zugleich eine neue Kundschaft aufzutun.

Reaktionen reichen von Freude bis Wut

Fakt ist, die Verjüngungskur bei Brioni soll auch ohne ihn weiter gehen: "The strategy of revitalisation of Brioni that started at the beginning of this year is set to continue being implemented through a long-term plan aimed to further establish the brand as a leader in the luxury menswear category," („Die Strategie der Neubelebung von Brioni mit Hilfe eines langfristigen Plans, die zu Beginn diesen Jahres eingeleitet wurde, wird fortgeführt werden, um die Marke als führende in der Luxusherrenmode-Kategorie zu etablieren“), ließ das von Kering geführte Haus in einer Pressemitteilung verlauten.

Die Reaktionen auf ein Bild, das O’Shea vergangene Woche auf Instagram postete und das einen Brioni-Sarg zeigt, sprechen Bände und zeigen die Bandbreite der Fans und Gegner seiner Bemühungen:

The @brioni_official coffin.

Ein von @justinoshea gepostetes Foto am

Fotos: Brioni logo, Brioni Paris 1 & Campaign; source: Brioni.com

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Justin O'Shea
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