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Welche Auswirkungen haben die Erdbeben auf die türkische Denimbranche?

Von Aéris Fontaine

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Kingpins. Bild: Aygin Kolaei für FashionUnited

Die Türkei gehört zu den größten Textilproduzenten der Welt. Die Erdbeben, die im Februar den Südosten des Landes und Teile Syriens erschütterten, kosteten nicht nur Tausenden von Menschen das Leben, sondern trafen auch viele lokale Unternehmen schwer. Um die Auswirkungen der Katastrophe auf die türkische Textilbranche zu verstehen, sprach FashionUnited mit drei betroffenen Produzenten auf der Denim-Messe Kingpins in Amsterdam.

„Unsere Fabriken, die sich in dem Erdbeben-Gebiet befinden, haben von einem Moment auf den anderen aufgehört zu produzieren“, sagte Eren Pakyardim, Verkaufsassistent bei Cotton Fabric. Das türkische Unternehmen produziert seit etwa 20 Jahren Stoffe, darunter Denim, Satin und Jacquardgewebe. Es war stark von den Erdbeben betroffen, denn das Unglück traf nicht nur die Produktionsstätten, sondern auch die Mitarbeitenden, von denen einige auf tragische Weise ums Leben kamen.

Stand von Cotton Fabric auf der Denim-Messe Kingpins. Bild: FashionUnited

Das Textilunternehmen Iskur Denim spricht die Schwierigkeit an, Mitarbeiter:innen zu finden. „Auf geschäftlicher Seite ist das größte Problem, das durch die Erdbeben verursacht wurde, ein personelles. Nach den Erdbeben war es sehr schwierig, Arbeitskräfte zu rekrutieren", so Verkaufsmanager Levent Bozgeyik. „Die Maschinen wurden nicht beschädigt, die Fabriken auch nicht [Anm. d. Red: sie befinden sich in Istanbul und waren nicht von den Erdbeben betroffen], aber nur sehr wenige Menschen können aktuell arbeiten. Das ist jetzt unser größtes Problem. Wie sollen sie an Arbeit denken, wenn sie kein Dach über dem Kopf haben? Sie haben andere Probleme. Wir müssen nicht unsere Maschinen reparieren, wir müssen mehr Leute zurückholen.“

Die Reaktion der Modemarken auf die Erdbeben

Obwohl die Erdbeben nicht die gleichen Folgen für alle Unternehmen hatten, so führten sie doch bei allen drei Unternehmen zu einer Verzögerung der Produktionszeit. Iskur Denim benötigt nun einen Monat für die Herstellung seiner Stoffe, während es zuvor nur zwei Wochen waren.

Das Unternehmen arbeitet für Luxus- und Premiummarken, insbesondere für Massimo Dutti. Seine Kund:innen haben sich als besonders verständnisvoll und geduldig erwiesen, wie Levent Bozgeyik erklärt: „Sie glauben an uns. Im Laufe der Jahre haben wir eine starke Beziehung zu ihnen aufgebaut. Aus diesem Grund haben die Erdbeben unsere Verträge nicht beeinträchtigt.“

Der Denim-Produzent Cotton Fabric erhielt nicht die gleiche Unterstützung von seiner Kundschaft. „Um ehrlich zu sein, außer einem einzigen Bekleidungskonzern hatten die Unternehmen kein Verständnis für unsere Situation und zogen es vor, sich an andere Produktionsstätten zu wenden. Wir haben eine gute Beziehung zu diesem Konzern, sie hatten Geduld mit uns, weil wir nicht so schnell arbeiten konnten, wie sie es gewohnt sind“, so Eren Pakyardim.

Işil Sena Candan, Verkaufsleiter bei Kilim Denim bestätigt, dass Marken zögerlicher waren, mit dem Unternehmen zusammenzuarbeiten. Das 1953 gegründete Unternehmen begann 1986 mit der Produktion von Denim und der Stoff wurde schnell zu seiner Expertise. Das Unternehmen arbeitet mit vielen Marken weltweit zusammen, wie G-Star, Diesel und Replay, aber auch Bonobo, Zadig & Voltaire und Sézane.

„Nach den Erdbeben versuchten die Marken und Bekleidungsunternehmen, mit uns in Kontakt zu treten. Sie sagten uns, dass wir unsere Preise senken müssten und dass unsere Konkurrenz billiger sei als wir", so Candan. „Manchmal versuchen die Marken, unsere Preise zu drücken“

Türkische Herstellungsbetriebe von Wirtschaftskrise betroffen

Die Fabriken von Kilim Denim liegen in der Nähe von Bulgarien, sodass das Unternehmen nicht direkt von den Erdbeben betroffen war. Dem Unternehmen macht die Wirtschaftskrise in der Türkei mehr zu schaffen, als die Erdbeben.

Auf der anderen Seite bedrohen steigende Rohstoffpreise und teure Mieten die türkischen Unternehmen. „Wir versuchen, Kosten zu senken. Wir nutzen günstigere Firmen für Transport und chemische Stoffe. Aufgrund der steigenden Preise sind wir gezwungen, neue Lösungen zu finden und unser System umzugestalten, um unsere Preise nicht erhöhen zu müssen“, so Candan. Kilim Denim bietet sogenannte Premiumpreise an, die zwischen vier und fünf Euro pro Meter liegen.

Cotton Fabric erlebt seit den Erdbeben eine Wachstumsphase. Der Betrieb steht aber im Wettbewerb mit ausländischen Produktionsunternehmen, hauptsächlich aus Bangladesch und Pakistan, die weitaus günstiger sind. Eren Pakyardim betont, wie wichtig es für das Unternehmen ist, die Produktionskapazität zu verdoppeln und die Produktionszeiten in den kommenden Jahren zu verkürzen.

Die Unternehmen Iskur Denim und Kilim Denim sprechen von einem stabilen Zustand. „Es gab keinen Anstieg oder Verlust von Gewinnen. Jeden Monat versuchen wir, unsere Ziele zu erreichen, die Beziehungen zu unserer Kundschaft aufrechtzuerhalten und unsere Verträge nicht zu verlieren. Es ist eine schwierige Zeit für alle, wir versuchen nicht zu wachsen, sondern unsere Position zu halten“, so Işil Sena Candan von Kilim Denim. Levent Bozgeyik von Iskur Denim bringt den Überlebenskampf der türkischen Denim-Branche auf den Punkt: „Heutzutage ist der Denim-Markt eher marginal. Niemand verdient viel Geld.“

Dieser Artikel wurde auf FashionUnited.fr veröffentlicht. Übersetzung und redaktionelle Bearbeitung: Barbara Russ

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