Wie sieht die Zukunft von Farfetch aus?
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Nach Abschluss der Vereinbarung mit Richemont zur Übernahme von Yoox Net-a-porter (YNAP) beunruhigt die Zukunft von Farfetch den Markt. Wird Gründer José Neves in der Lage sein, wieder auf die Beine zu kommen?
Richemont kann inzwischen aufatmen. Nachdem das Generaldirektorat für Wettbewerb der Europäischen Kommission Ende Oktober grünes Licht für den Deal gegeben hat, der die Zukunft von Yoox Net-a-Porter (YNAP) besiegeln soll, kann der Luxuskonzern ein von den Investor:innen gefordertes Verfahren abschließen und die Karten im E-Commerce-Sektor neu verteilen. YNAP wurde 2015 durch die Fusion der digitalen Aktivitäten von Richemont Net-a-Porter mit dem italienischen Onlinehändler Yoox gegründet. Doch das Produkt hat nie wirklich Früchte getragen. Die gemischten Ergebnisse dieser Einheit haben die Bilanz des Schweizer Konzerns schwer belastet. So stiegen die Abschreibungen für das Geschäftsjahr 2022 auf 2,7 Milliarden Schweizer Franken.
Der Verkauf von YNAP an einen Branchenkenner scheint daher die beste Lösung und Farfetch, das 2008 von dem portugiesischen Visionär José Neves gegründet wurde, die beste Wahl zu sein. Das in London ansässige Unternehmen hat den E-Commerce mit Luxusgütern revolutioniert, indem es sich als „relevante“ Alternative zu seiner Konkurrenz präsentierte — einschließlich Yoox und Net-a-porter, deren Ausgaben kolossal sind. Dies war dank seines E-Konzessionsmodells, seiner Spitzentechnologie und mehrerer Zahlungssysteme möglich. Dieses Modell lockte mehrere Investor:innen an, darunter Condé Nast International, was dazu führte, dass Farfetch 2015 zu einem Einhorn wurde, drei Jahre bevor es 2018 mit einem Börsengang in Höhe von 6,56 Milliarden Euro an die Börse ging.
Wird die Vereinbarung zwischen Richemont und Farfetch neu verhandelt?
Die Realität sieht jedoch so aus, dass sich die Chancen, die sich aus dem E-Commerce mit Luxusgütern ergeben, nicht als so vorteilhaft wie erwartet herausgestellt haben. Und die aktuelle Leistung des von Neves geleiteten Unternehmens wurde als enttäuschend eingestuft. In den letzten Jahren waren die Aktien von Farfetch für Investor:innen, die unter der Aussetzung des Russland-Geschäfts und den nicht enden wollenden Handelsbeschränkungen in China infolge von Covid litten, nicht attraktiv. Die Umsatzprognose für 2023 wurde nach unten korrigiert. Der CEO verwies auf die Verlangsamung der Verkäufe in den USA, während Expert:innen auf das Fehlen von Faktoren hinwiesen, die auf eine Verbesserung der makroökonomischen Aussichten hoffen lassen könnten. Schließlich wiesen einige Fachleute auf eine mangelnde Ausgabenkontrolle hin und nannten insbesondere die 675 Millionen US-Dollar teure Übernahme des italienischen Unternehmens New Guards Group im Jahr 2019, das die Off-White-Lizenz besitzt, sowie Palm Angels, Unravel Project oder Ambush, als Beispiel.
Kann die Krise, in der sich Farfetch befindet, den mit Richemont ausgehandelten Deal gefährden? Oberflächlich betrachtet, nein. Das Interesse des Schweizer Konzerns liegt darin, die nächste Phase seiner Digitalisierungsstrategie deutlich zum Ausdruck zu bringen. Das Geschäft kann jedoch nicht um jeden Preis abgeschlossen werden. Der erste Teil des von den Behörden genehmigten Deals basiert auf einem Tausch: Der Luxuskonzern erhält A-Stammaktien von Farfetch, die 12 bis 13 Prozent des Aktienkapitals des britischen Unternehmens entsprechen, im Gegenzug für 47,5 Prozent seiner Anteile an YNAP. Angesichts der schlechten Leistung von Farfetch in den letzten Monaten ist es verständlich, dass Richemont ein großes Interesse daran hat, die Bedingungen eines Deals neu zu verhandeln, der finanziell weniger attraktiv geworden ist.
Die künftigen Herausforderungen von Web3
Abgesehen vom Wert der Vereinbarung fragen sich Kommentator:innen - Investor:innen, aber auch Modefachleute, die mit Interesse die Zukunft junger Labels wie Jacquemus, Coperni und natürlich Off-White beobachten - welche Möglichkeiten Farfetch offenstehen. Wird das Londoner Unternehmen mit dieser Übernahme dem Sturm trotzen können? Viele bezweifeln das. Doch das Talent von José Neves könnte gerade von Richemont genutzt werden, dessen Vorsitzender Johann Rupert immer wieder bekräftigt, dass er trotz der aktuellen Turbulenzen an den Onlinehandel glaube.
Farfetch verfügt zudem über genau die richtigen Instrumente, um die Vertriebskanäle des mächtigen Konzerns, dessen Star-Modehäuser wie Cartier und Van Cleef & Arpels sich eines blendenden Wachstums erfreuen, erfolgreich zu digitalisieren. Ganz zu schweigen von den technologischen Fortschritten, die das in London ansässige Unternehmen aufrechterhalten will, indem es Start-ups mit Ambitionen, die Zukunft des E-Commerce zu gestalten, Unterstützung in Form eines organisierten Mentoring-Programms bietet. Diese Unterstützung konzentriert sich insbesondere auf Token-basierte Loyalität und immersive Erfahrungen, die auf Augmented Reality basieren.
Im Rahmen eines Pilotprojekts zur virtuellen Anprobe von Konfektionskleidung (VTO) hat sich Farfetch beispielsweise dieses Jahr mit Valentino zusammengetan, um ein äußerst realistisches VTO-Erlebnis der zweiten Generation durchzuführen, das ausschließlich für den E-Commerce entwickelt wurde und auf exklusiven Algorithmen basiert, die von Wanna, einem Unternehmen im Besitz der Londoner Firma, entwickelt wurden. Indem Farfetch auf die grundlegenden Herausforderungen des Web3 setzt, hat das Unternehmen vielleicht noch nicht sein letztes Wort gesprochen.
Dieser Artikel erschien ursprünglich auf FashionUnited.uk. Übersetzt und bearbeitet von Simone Preuss.