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Zehn Jahre Armedangels: Fair Fashion auf Erfolgskurs

Von Regina Henkel

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Business |INTERVIEW

Armedangels gehört zu den bekanntesten und erfolgreichsten Fair Fashion Brands in Deutschland. Im letzten Jahr belief sich der Umsatz auf 16 Millionen Euro, seit mehreren Jahren sind Wachstumsraten um die 50 Prozent die Regel. Noch dominiert der Heimatmarkt Deutschland mit 70 Prozent das Geschäft. Doch auch das Ausland zeigt immer mehr Interesse an modischer und ökologischer Mode. Etwa 800 Point of Sales in 16 Ländern betreut die Brand aus Köln weltweit – Tendenz steigend.

Wie bewältigt man das Wachstum als Fair Fashion Brand? CEO Martin Höfeler (33) erzählt, wie sich das Business entwickelt hat.

Armedangels wird in diesem Jahr zehn Jahre alt. Was ist das Geheimnis Ihres Erfolgs?

Der Markt wächst, aber mit fast 60 Mitarbeitern sind wir immer noch keine Riesenfirma. Wir sind als komplette Anfänger gestartet und mussten viel lernen. Es brauchte viel Durchhaltevermögen. Und wir haben ein tolles Team. Das sind alles Leute, die wirklich an die Sache glauben, die überzeugt sind, dass sich etwas ändern muss. Dafür arbeiten wir alle hart. Ich glaube das macht einen wichtigen Unterschied, ob man für Geld arbeitet oder für seine Überzeugung.

2015 war ein sehr erfolgreiches Jahr für Sie, warum?

Tatsächlich sind wir schon seit den letzten fünf Jahren sehr erfolgreich mit Wachstumsraten um die 50 Prozent. Wir haben uns nur in diesem Jahr zum ersten Mal überlegt, dass wir mal eine Pressemeldung dazu rausschicken könnten.

Und wie bewältigen Sie als Eco Brand das Wachstum?

Das ist tatsächlich eine spannende Herausforderung. Zwei Dinge sind das Problem: Die Suche nach weiteren Produzenten, denn bei unseren bisherigen Zulieferern sind wir auf Kapazitätsgrenzen gestoßen. Hier haben wir übrigens schon früh dazugelernt, denn den perfekten Produzenten gibt es nicht. Wir stellen hohe Anforderungen, deshalb unterstützen wir unsere Produzenten dabei, sich gemeinsam mit uns weiterzuentwickeln. Wir arbeiten mit denjenigen zusammen, die sich darauf einlassen wollen und die ehrliche Bereitschaft dafür zeigen. Das ist nicht immer einfach.

Was ist das zweite Problem?

Das zweite ist die Suche nach Materialien, die die Kollektion erweitern und spannend machen. Es gibt immer mehr ökologische Materialien, aber leider sind das oft nicht die schönsten. Nicht weil das so sein muss, sondern weil die Stoffproduzenten andere Schwerpunkte setzen und nicht unbedingt den jungen Modemarkt im Blick haben. Wir haben anderthalb Jahre gesourct bis wir endlich das richtige Denim hatten. Inzwischen gehen wir selbst in die Entwicklung und werden das in Zukunft noch stärker tun. Deshalb haben wir eine Qualitätsmanagerin eingestellt, die sich um Neuentwicklungen kümmert und Qualitätstests durchführt. Denn was natürlich nicht passieren darf, ist, dass der Kunde ein schlechtes Produkt bekommt. Die Produkte sollen ja langlebig sein! Inzwischen haben wir glücklicherweise auch die Größe, um die richtigen Mengen von solchen Neuentwicklungen abnehmen zu können.

Wie kommt es, dass die Textilindustrie da noch so wenig anbietet?

In den letzten Jahren hat die Textilindustrie sehr viel Geld und Zeit darauf verwendet, neue Effekte und Ausrüstungen zu kreieren, die extrem viel Chemie auf die Stoffe bringt. Viele Materialien wurden mit Eigenschaften ausgestattet, die sie von sich aus gar nicht hätten. Wir wollen den ganzen Chemiewahnsinn nicht und nutzen stattdessen nachhaltige und umweltfreundliche Materialien.

Hat es im Bereich Nachhaltigkeit seitdem echte Quantensprünge gegeben?

Nein, das passiert in sehr vielen kleinen Schritten und ist eher eine stetige Entwicklung. Natürlich gibt es immer mehr Unternehmen die sich zertifizieren lassen, und wenn man nachfragt warum, dann passiert das oft aus Wettbewerbsgründen um sich vom Markt abzuheben. Aber im Grunde ist es völlig egal warum es gemacht wird, Hauptsache es passiert.

Wie kompromissbereit sind Sie? Gibt es Situationen, wo Sie ein Produkt nicht machen können, weil es nicht Ihren Standards entspricht?

Das gibt es ständig! Das ist das tägliche Thema unserer Designer. Die stehen ständig vor der Herausforderung eine Kollektion zu entwickeln, für die es noch keine umweltfreundlichen Materialien gibt, oder wenn es welche gibt, dann sind sie zu teuer oder die Entwicklung der umweltfreundlichen Variante dauert zu lange. Es gibt immer wieder Produkte, die wir nicht machen können, weil wir sie zu unseren Bedingungen nicht produziert bekommen. Wir sind z.B. froh, dass Denim aktuell nicht total verwaschen und destroyed sein muss – da könnten wir nicht mitgehen. Wir nehmen natürlich die wichtigsten Trends auf, aber wir machen nicht alles mit.

Wie offen ist inzwischen der Handel für nachhaltige Produkte?

Wir sehen, dass im Handel gerade viel passiert. Er hat gemerkt, dass Transparenz immer wichtiger wird. Man braucht echte, ehrliche Stories um die Kunden mitzunehmen. Nachhaltige Marken können diese Geschichten erzählen. Wir bekommen deshalb von vielen Händlern mehr Fläche und können uns besser präsentieren.

Und der Konsument? Wie offen ist der für Ökomode?

Es gibt sehr kritische Kunden die alles hinterfragen - die wissen wollen, ob auch die Kuh, die das Baumwollfeld gedüngt hat, ein gutes Leben hatte. Das wissen wir dann manchmal auch nicht mehr, aber wir nehmen unsere Kunden sehr ernst und versuchen immer ihnen Rede und Antwort zu stehen. Es gibt aber sicher mehr Kunden, die uns vertrauen und den Zertifikaten. Und sicher gibt es auch solche, denen es egal ist, wie nachhaltig wir sind und die uns einfach nur kaufen, weil ihnen das Produkt gefällt. Eigentlich ist mir das auch egal. Wenn ich herausfinden würde, dass Nachhaltigkeit 99 Prozent unserer Kunden egal ist, dann würde ich trotzdem so weitermachen.

Welche Anforderungen stellen Sie an Ihre Händler?

Das ist eine sehr schwierige Frage. Wir wollen tolle Mode machen, die die Welt ein Stück weiter bringt und zu einer ernstzunehmenden Alternative für den Verbraucher werden. Wenn du dich dann darauf beschränkst nur an Leute zu verkaufen, die das richtige Bewusstsein haben und leben, dann ist diese Gruppe sehr klein. Deshalb ist unser Vertrieb zwar selektiv, aber wir stellen nicht die gleichen Anforderungen an den Handel wie an uns selbst. Nur so können wir die Menge an Menschen erreichen, die es braucht, um wirklich etwas zu bewirken. Das war meiner Meinung der Fehler der ersten Ökowelle vor 30 Jahren. Damals wurden zu viele Menschen ausgegrenzt. Jetzt ist die Öko-Mode so gut, dass sich der Konsument nicht mehr umstellen muss, und deshalb kann sie auch etwas verändern.

Armedangels gehört zu den ersten Marken, die Mode und Nachhaltigkeit zu einem erschwinglichen Preis angeboten haben. An welchen Stellen sparen Sie?

Sicher haben wir höhere Herstellkosten, aber wir versuchen das durch höhere Stückzahlen zu kompensieren. Wir wollten nie Produkte zu Preisen anbieten, die der Kunde nur schwer annehmen kann. Wenn der Preis akzeptabel ist, verkauft man mehr Menge. Dann rechnen sich die Dinge auch für den Handel anders. Wir bieten nicht die beste Marge im Markt, aber sie ist in Ordnung. Hinzu kommt, dass wir ein sehr junges und technikaffines Team sind. Wir arbeiten deshalb sehr effizient und sparen damit viel Zeit und Geld. Und natürlich stecken wir auch keine Unsummen ins Marketing sondern entwickeln viel selbst und agieren sehr zielgerichtet mit wenig Streuverlust.

Und wie sieht es mit weiteren Plänen aus, gibt es vielleicht bald eigene Geschäfte?

Seit drei Jahren träume ich davon eigene Läden zu eröffnen! Eigentlich sollte es dieses Jahr schon passieren, aber es wird wohl eher 2017. Gerade arbeiten wir daran, ein Flächenkonzept mit unseren Handelspartnern zu entwickeln. Etwa zehn bis fünfzehn Flächen wollen wir von hier aus bewirtschaften, also mit eigenem Mobiliar und mit technischer Anbindung, aber ohne eigene Mitarbeiter oder separates Kassensystem. Außerdem wollen wir den Vertrieb international ausbauen, vor allem in Ländern, die wir von hier aus ohnehin schon betreuen wie z.B. Frankreich.

Fotos: armedangels

Armedangels