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Shoptalk 2023: KI wichtiger denn je für Zukunft des Einzelhandels

Von Paula V.Pinuaga

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Einzelhandel

Jérôme Dubreuil, Digitalchef von Decathlon. Bild: Shoptalk Europe

Während der jüngsten Ausgabe von Shoptalk Europe wurden viele Themen zur Zukunft des Einzelhandels diskutiert. In einem Punkt waren sich jedoch alle am Kongress teilnehmenden Expert:innen einig: die wichtige Rolle der Künstlichen Intelligenz (KI). Angesichts des schwierigen makroökonomischen Umfelds, der gestiegenen Erwartungen und des verschärften Wettbewerbs werden Investitionen in Technologie entscheidend sein, um die Produktivität zu steigern, das Kundenerlebnis zu verbessern und das Wachstum zu fördern.

Von den einen gefürchtet, von den anderen gelobt, ist diese hochmoderne Wissenschaft, die wie die Zukunft klingt, in Wirklichkeit schon da, und Einzelhändler:innen sind bereit, sie voll auszunutzen. Ob es darum geht, ihre Nachhaltigkeitsbemühungen zu verbessern, die Lieferkette feiner abzustimmen oder Verbraucher:innen zu überzeugen - eine neue Ära bricht an.

Technologie trifft auf Nachhaltigkeit

Nachhaltigkeit bleibt ein zentrales Thema für Unternehmen und Verbraucher:innen. Die jüngeren Generationen werden immer umweltbewusster, und Unternehmen wissen, dass ein Teil ihres Erfolgs von der Beherrschung dieses Themas abhängt, was ihnen in vielen Fällen nicht gelungen ist.

In diesem Zusammenhang analysierte Robert Gentz, Mitbegründer und Co-CEO von Zalando, die Herausforderungen, die die sozial- und umweltbewussten Verbraucher:innen von heute mit sich bringen. Um das Wachstum voranzutreiben, hat Zalando seinen Fokus auf Nachhaltigkeit und Kreislaufwirtschaft verstärkt und verfolgt einen strategischeren Ansatz bei seinen Aktivitäten und Markenpartnerschaften. Gentz versicherte auch, dass Zalando sich dafür einsetze, es Marken so einfach wie möglich zu machen, ihre digitale Präsenz mit der Infrastruktur des deutschen Einzelhändlers aufzubauen.

Jason Crawford, Vizepräsident für digitales Wachstum bei Hype, Adidas, sagte, Transparenz und Authentizität seien die wichtigsten Werte, die Verbraucher:innen von Marken und Einzelhandelsunternehmen erwarten. Einzelhändler:innen müssten  „Gutes tun“ in den Mittelpunkt ihrer Botschaft stellen und ihr Engagement für diese Sache demonstrieren, statt nur Lippenbekenntnisse zu diesem Konzept abzugeben oder Greenwashing zu betreiben.

Am zweiten Shoptalk-Tag erklärte Jérôme Dubreuil, Chief Digital Officer von Decathlon, dass das Unternehmen KI einsetze, um Nachhaltigkeit zu fördern. Decathlon nutzt Technologie etwa, um die Kundschaft zu nachhaltigem Verhalten anzuhalten. Zum Beispiel durch das Angebot, Fahrräder langfristig zu mieten, anstatt sie nur zu verkaufen. Dubreuil bestätigte, dass KI dazu beitrage, einen 360-Grad-Blick auf Kund:innen zu werfen, indem sie zum Beispiel erkennt, welche Sportarten sie betreiben oder für welche sie sich interessieren. Auf diese Weise kann Decathlon personalisierte Empfehlungen geben, die Kund:innen helfen, ein aktiveres Leben zu führen.

Jérôme Dubreuil, Digitalchef von Decathlon. Bild: Shoptalk Europe

Die Gründerin und Geschäftsführerin von Bubble Skincare, Shai Eisenman, wies darauf hin, dass es in der Beauty-Branche viele Nachhaltigkeitsfehler gäbe, insbesondere im Zusammenhang mit dem Nachfüllen von Produkten. Sie erklärte, dass nachfüllbare Flaschen 28 Mal verwendet werden müssten, um die Umwelt zu belasten, was vielen Verbraucher:innen nicht bewusst sei.

Web3 und die Einzelhandelslandschaft

Am zweiten Konferenztag trat Deborah Weinswig, CEO und Gründerin von Coresight Research, auf die Bühne, um darzulegen, wie das Web3 die Lieferketten von Marken und Einzelhandelsunternehmen unterstützen kann.

Deborah Weinswig, CEO und Gründerin von Coresight Research. Bild: Shoptalk Europe

Einzelhändler:innen sehen sich bei der Verwaltung ihrer Lieferketten mit einer Reihe von Herausforderungen und Einschränkungen konfrontiert, und Web3-Technologien können dazu beitragen, die Rückverfolgbarkeit, Transparenz, Intelligenz und Automatisierung der Lieferkette zu verbessern und so diese Herausforderungen zu mildern. Wie Weinswig erläuterte, bietet der Einsatz intelligenter, vernetzter Lieferketten viele Vorteile, wie zum Beispiel:

  • Eine bessere Bedarfsprognose
  • Schnelleres Produktdesign und On-Demand-Fertigung sowie Verbraucher:innen zu Hersteller:innen Leistungen
  • Verbesserte Rückverfolgbarkeit, Einhaltung und Kreislauffähigkeit
  • Verbesserte Arbeitseffizienz und Kosteneinsparungen
  • Erhöhte Geschwindigkeit

Weinswig zufolge nutzen einige Einzelhändler:innen das Web3 in ihren Lieferketten nicht, weil ihre Software nicht Web3-kompatibel sei. Sie wies auch auf die mangelnde Transparenz in der globalen Lieferkette hin, in der sich Komponenten und Produkte noch immer in Containern und Fabriken befinden: „Es gibt unzusammenhängende Systeme und keine Datenkonsistenz“, sagte sie.

Generative KI, ein spannendes Werkzeug zur Verbesserung der Erfahrungen der Kundschaft

Mit Blick auf die rasante Entwicklung des E-Commerce, insbesondere im Modesektor, sagte Gentz (Zalando) voraus, dass die Zukunft des Onlinehandels in 15 Jahren ganz anders aussehen werde als heute. Er glaubt, dass sich im Bereich der Inhalte viel tun werde, um die Kund:innenbindung durch 3D-Bilder und Videos zu fördern. Zalando ist davon überzeugt, dass Fortschritte in der generativen KI einen großen Beitrag zur Weiterentwicklung des Online-Erlebnisses der Kund:innen leisten werden, da Modemarken und Einzelhandelsunternehmen versuchen, die E-Commerce-Reise unterhaltsamer, relevanter und persönlicher zu gestalten.

Gentz geht davon aus, dass generative KI die Entdeckung von Produkten erheblich erleichtern wird, da diese Technologie online eine Quelle der Inspiration und Interaktion sein kann, wie es auch beim Einkaufen im Laden der Fall ist. Anstatt Verkäufer:innen bei Looks für eine bestimmte Veranstaltung um Rat zu fragen, können Kund:innen generative KI nutzen, um auf Empfehlungen zuzugreifen und Cross-Sale-Produkte zu entdecken. Zalando gehe davon aus, dass ChatGPT (die generative KI-Technologie von OpenAI) und Content-Inspiration-Funktionen dazu beitragen werden, den Anteil der Modebranche am europäischen E-Commerce-Markt von heute 20 Prozent auf künftig 40 Prozent zu erhöhen, so Gentz.

Daten treiben Personalisierung und Wert für Kund:innen voran

In der Diskussion  „Using Customer Data to Surprise and Delight“ (Kund:innendaten nutzen, um zu überraschen und zu begeistern) untersuchten Einzelhändler:innen, wie Daten Marken und Einzelhandelsunternehmen helfen können, die hohen Erwartungen der Kund:innen zu erfüllen und das Einkaufserlebnis zu verbessern. Händler:innen und Einkaufszentren nutzen Daten, um ein umfassenderes Verständnis der Kundschaft zu gewinnen und die Einkaufsroute zu personalisieren, um das Erlebnis der Kund:innen zu verbessern. Alex Williams, Leiter der Abteilung Online-Einzelhandel und Wachstum beim britischen Einzelhandelsunternehmen Marks & Spencer, sprach über die Datenerfassung für Produkte, Transaktionen und Kund:innenverhalten. Dies bilde die Grundlage für die interne Personalisierungsstrategie des Unternehmens, mit der es seine sechs Milliarden digitalen Kund:inneninteraktionen pro Jahr personalisieren wolle.

Indem er die Personalisierung betonte, forderte Williams Einzelhändler:innen auf, einen umfassenden Blick auf die Kundschaft zu werfen, was letztendlich die Schaffung von Erlebnissen unterstützen werde, die alle Kanäle umfassen. Williams erwähnte die Bullseye-Plattformen von M&S, die dem Einzelhändler einen Wettbewerbsvorteil verschafften, den er mit Standardsoftware nicht erreichen könne, so Williams.

Durch die Zusammenarbeit mit Persado und die Verwendung von Sprachprofilen könne M&S E-Mails in 30 Minuten erstellen, während Agenturen dafür durchschnittlich zwei bis drei Tage benötigten. Die personalisierten Inhalte, die auf Vergütungen und Belohnungen basieren, haben laut Williams die Klickrate um 5 Prozent erhöht und eine 10- bis 20-prozentige Steigerung der Öffnungsrate der E-Mails bewirkt.

Frédérique Cochi-Beyot, Marketingdirektorin bei Unibail-Rodamco-Westfield, erklärte, dass URW mit seiner Westfield-Rise-Lösung personalisierte Aktionen anbiete, die Daten der Kundschaft nutzen, um das Einkaufserlebnis im Geschäft zu verbessern. Das Unternehmen erfasst Daten im Einkaufszentrum, indem es die beschwerlichen Kontaktpunkte der Verbraucher reduziert und gleichzeitig auf die Bedürfnisse der Kund:innen eingeht. Da das Unternehmen weiß, dass Warteschlangen ein Hindernis für sie darstellen, setzt es beispielsweise Videobeschilderungen ein, um sie über Wartezeiten und Sonderangebote zu informieren. Bei Nespresso führte dies laut Cochi-Beyot zu einem Umsatzanstieg von 19,5 Prozent.

Kundschaft mit datengesteuerten Aha-Erlebnissen begeistern

Die Zunahme des Online-Einkaufs in den letzten Jahren hat die Aufmerksamkeit auf die Rolle des stationären Geschäfts gelenkt. Sowohl Verbraucher:innen als auch Einzelhändler:innen legen mehr Wert auf das physische Einkaufserlebnis. Michael Gabay, Mitbegründer und CEO des israelischen Tech-Start-ups Trigo, wies auf die Notwendigkeit hin, in Geschäften „überraschende“ Momente zu schaffen, die seiner Meinung nach in den kommenden Jahren eine der größten Veränderungen im Einzelhandel darstellen werden. Solche Momente können durch Personalisierung, Erlebniseinzelhandel oder Dienstleistungen geschaffen werden und werden wahrscheinlich zunehmend durch Technologie gesteuert.

Das bedeutet, dass der physische Laden immer stärker auf Kund:innendaten angewiesen sein wird. Eric Chemouny, Managing Director of Retail and CPG Industries bei Google Cloud, sagte, dass es für Einzelhändler:innen unabdingbar sie, Verbraucher:innen als Individuen zu kennen, um Dienstleistungen vorzuschlagen und sicherzustellen, dass die Geschäfte die Nachfrage der Kund:innen in Bezug auf Produktvielfalt und Verfügbarkeit erfüllen.

Anastasia Georgievskaya, Gründerin und CEO von Haut AI Computer Vision for Skinkare, einer SaaS-Plattform (Software-as-a-Service) für die Hautpflegekategorie, merkte an, dass „tolle“ Momente entstehen, wenn Einzelhändler:innen darüber nachdenken, wie sie das nächste Einkaufserlebnis der Kund:innen besser machen können als das vorherige, anstatt sich auf transaktionale Beziehungen zu konzentrieren. Sie hob auch die generative KI, wie ChatGPT, als zukünftigen Wegbereiter für solche  „Wow“-Erlebnisse im physischen Einzelhandel hervor.

Thierry Gadou, Präsident und CEO von SES-Imagotag, einem Spezialisten für elektronische Regaletiketten, ist der Ansicht, dass die  „Zukunft des E-Commerce“ in den Geschäften liege, da sie „zunehmend die lokale Abwicklung von Online-Bestellungen übernehmen werden“, so Gadou. Dem Geschäftsführer zufolge bietet der lokale E-Commerce Vorteile in Bezug auf Effizienz und Nachhaltigkeit.

Thierry Gadou, Präsident und CEO von SES-Imagotag. Bild: Shoptalk Europe

SES-Imagotag hat bereits - genau wie der multinationale US-Einzelhändler Walmart - beobachtet, dass seine Kundschaft Läden in den Mittelpunkt ihrer Omnichannel-Strategien stellen. Der lokale E-Commerce wird in rasantem Tempo wachsen, und Gadou schätzt, dass in den nächsten fünf bis sieben Jahren mehr als 50 Prozent der Online-Bestellungen in physische Geschäfte geliefert werden.

KI, neue Waffe im Kampf gegen Retouren

Während der gesamten Shoptalk 2023-Konferenz war ein Umdenken in Bezug auf Retouren im Einzelhandel zu beobachten, die im Allgemeinen einen kritischen Punkt darstellen, sowohl im Hinblick auf Umsatzverluste als auch auf die Logistik und die Kosten, die mit ihrer Abwicklung verbunden sind. Zalandos Gentz betonte die Bedeutung von Retouren für die Steigerung des Customer Lifetime Value (CLV), da Kund:innen weniger zögerten, etwas zu bestellen, wenn der Retourenprozess einfach sei. Gentz sagte, dass dies Zalando geholfen habe, eine viel langfristigere Sicht auf den Einkaufskomfort für die Kundschaft und den CLV für das Unternehmen zu entwickeln. Da 50 Prozent der Artikel zurückgeschickt würden, ein Drittel davon aufgrund von Größenproblemen, habe Zalando nun die Möglichkeit, Daten zu sammeln und zu nutzen, um die Modebranche zu verändern, so Stacia Carr, Vice President of Size and Fit bei Zalando. Carr erklärte, dass die Ursache für Passformprobleme der Übergang von der Maßkonfektion zur industriellen Fertigung sei.

Das Unternehmen geht die Probleme mit den Größen durch Kund:innenfeedback und Computer-Vision an. Auf der Grundlage der Kund:innenpräferenzen kann Zalando ein kleineres, maßgeschneidertes Sortiment an Produkten in der richtigen Größe und mit den richtigen Produkt- und Modeeigenschaften auswählen, um die individuellen Bedürfnisse der Kund:innen zu erfüllen. Auf diese Weise werde eine 10-prozentige Verringerung der Retourenquote bei Artikeln erreicht, die auf der Produktdetailseite personalisierte Hinweise enthalten.

Im Juni 2023 will Zalando eine Passformberatung einführen, die auf zwei Fotos von Kund:innen basiert, sowie eine virtuelle Umkleidekabine, die mithilfe von Kunden-Avataren die Passform verschiedener Größen zeigt und besser einschätzen kann, welche Größe und Passform Kund:innen bevorzugen. Diese Dienste würden Kund:innen bei der Stange halten und Zalando einen besseren Einblick darin geben, was sie wahrscheinlich kaufen würden, sagte Carr.

Dieser Artikel wurde ursprünglich auf FashionUnited.es veröffentlicht. Übersetzung und Bearbeitung aus dem Englischen von Simone Preuss.

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