Jede Stadt der Welt kennt mittlerweile das neueste Phänomen: TikTok-Schlangen. Lange Schlangen von hauptsächlich jungen Leuten, die reisen, um ein bestimmtes Restaurant oder Geschäft zu besuchen und dort etwas zu kaufen, nachdem es auf TikTok viral gegangen ist. Die sozialen Medien sind das neue Hype-Marketinginstrument für Unternehmen, die es verstehen, sich und ihr Produkt zu vermarkten. Auch wenn sich das Verführungsritual im digitalen Zeitalter dramatisch verändert hat, bleibt das Auge der erste und gnadenlose Richter auf dem entscheidenden Weg zum Kauf. Es sind die Folgeschritte nach dem ersten Blickkontakt, die sich völlig verändert haben und von entscheidender Bedeutung sind. Wie spielt man als Unternehmen dieses neue Spiel mit?
Vom Tiktok- zum Shopping-Hype
In der vordigitalen Einkaufslandschaft liefen die Menschen physisch an Ihrem Geschäft vorbei. Das Schaufenster war das Aushängeschild, um Kundschaft ins Haus zu locken. Heute geschieht dies zunehmend aus der Ferne über einen kleinen Smartscreen. So kann es sein, dass plötzlich ein begeisterter Teenager aus Toronto vor Ihnen steht, weil Ihre Schokoladenkekse auf TikTok viral gehen oder weil Ihr modisches Telefonaccessoire an einem Handy bei ‚Emily in Paris‘ auf Netflix glitzert.
Früher wurde ein Hype durch einen Kinofilm, ein Paparazzi-Foto oder eine Medienanzeige ausgelöst. Nur dass ein viraler Trend etwas länger dauern kann, da er länger im Internet "haftet", als wenn der Film die Kinos wieder verlässt, das Boulevardblatt im Müll landet oder die Werbekampagne endet. Mit der viralen Aufmerksamkeit bleibt also auch der Hype um Ihr Produkt und Ihre Marke bestehen, was wiederum Ihrem Shop oder Pop-up über einen längeren Zeitraum viel Traffic garantiert. Ein gewisses Maß an Crowd Control ist wünschenswert, denn die Kundschaft stürmt bei einem viralen Hype förmlich hinein. Sie kaufen so schnell wie möglich, was gerade angesagt ist, knipsen ein Selfie oder Reel-Video von ihrer neuesten Errungenschaft und von Ihrem Laden und markieren sogar Ihren Standort als Beweis dafür, dass sie wirklich dort waren. Ein wahrer Hype-Mob rast durch Ihr Geschäft. Die virale Kundschaft hat kaum Zeit, über den Kauf nachzudenken. Es geht ums Dabeisein. Es ist ein reiner Impuls, der kaum zu bändigen ist.
Das Umsatzmodell, das die Unternehmen in dieser Hinsicht anwenden, basiert auf dem Motto: schnell schalten und schnell kaufen! Der schnelle Blick erfolgt also online und der schnelle Kauf – oft – im stationären Handel. Das bedeutet also eine rasante Durchlaufzeit bei – in der Regel – etwas geringeren Gewinnspannen. Damit soll der oft jüngeren Zielgruppe in ihrem Budget entgegengekommen werden. In der Tat ist das Konzept „vom Hype zum Hyper-Shopping“ als Marketingstrategie besonders interessant, wenn man eine sehr junge Zielgruppe ansprechen will: Gen Z und die jüngere Kohorte der Millenials. Als Digital Natives spielt sich ein sehr großer Teil ihres Lebens online ab.
Die virale Aufmerksamkeit beschränkt sich übrigens nicht nur auf den Online-Bereich, sondern schwappt auch in die physische Welt über: Die langen Warteschlangen und Fans, die sich mit ihren soeben gekauften Waren ablichten, ziehen die Blicke der Umstehenden auf sich, die sich aus Neugierde ebenfalls anschließen. Die langen Warteschlangen sind also auch Teil der Marketingstrategie. Sie signalisieren, dass es dort etwas Besonderes zu kaufen gibt!