“Akris. Mode. selbstverständlich” – ein intimer Dialog von Mode und Kunst
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Eine Ausstellung des St.Galler Modelabels Akris stand schon lange auf der Wunschliste des Museum für Gestaltung Zürich. Mit “Akris. Mode. selbstverständlich” wird diese Vision nun Wirklichkeit. Doch dabei steht nicht nur die hundertjährige Familientradition, Kreativdirektor Albert Kriemler oder die Mode im Mittelpunkt, sondern auch – oder vor allem – ein Dialog mit der Kunst. Im Interview spricht Kuratorin Karin Gimmi über die Ausstellung, die Arbeit mit Albert Kriemler und das Zusammenspiel von Mode, Kunst und ihren Schöpfer:innen.
Frau Gimmi, “Akris. Mode. selbstverständlich” – was können Besucher:innen von der Ausstellung erwarten?
Es wird eine hochkarätige Kunstausstellung, in der Mode zu sehen ist, oder es wird eine Modeausstellung, in der auch Kunst zu sehen sein wird.
Im Zentrum, und das kann man auch wörtlich nehmen, stehen zwölf “Inspirationswelten” und Kollektionen aus den Jahren 2009 bis 2022. Dabei konfrontieren wir die Looks von Akris mit verschiedenen Werken von Künstlerinnen und Künstlern, mit denen sich Kreativdirektor Albert Kriemler intensiv auseinandergesetzt hat.
Akris – Vom Schürzen-Atelier zum internationalen Modelabel
Albert Kriemler ist seit 1980 als Kreativdirektor für das Unternehmen seiner Familie tätig. Eigentlich sollte der damals neunzehnjährige Kriemler eine Lehrstelle im Couture-Atelier von Hubert de Givenchy antreten, doch als der Geschäftspartner seines Vaters Max Kriemler – der die Geschäfte zu diesem Zeitpunkt leitete – plötzlich verstarb, änderten sich die Pläne des jungen Designers. Heute ist Akris Synonym mit Alber Kriemler, doch der Name selbst ist eine Anspielung auf die Initialen seiner Großmutter Alice Kriemler-Schoch, die 1922 ein Atelier für Schützen eröffnete, das sich im Laufe der Jahre zu Akris weiterentwickelte.
Gibt es bestimmte Bereiche, die sich der Zeit vor Albert Kriemler widmen?
Neben diesen “Inspirationswelten” war es uns wichtig, dass wir Einblick geben können in die Art und Weise, wie das Familienunternehmen arbeitet und was seine Geschichte ist. Man wird etwas erfahren über die Vorfahren von Albert Kriemler, namentlich seine Großmutter. Alice Kriemler-Schoch gründete 1922 ein Schürzen-Nähatalier, das den Ursprung des heutigen Modehauses darstellt. Sein Vater Max stellte die wichtigen Verbindungen zu Paris her und Akris begann, für die damals angesagten Modeschöpfer Ted Lapidus und Hubert de Givenchy Kollektionen zu produzieren.
Mir als Kuratorin ist es ein Anliegen zu zeigen, worauf sich eine Sache gründet. Wir blicken gerne zurück und Akris tut das in diesem Falle ebenfalls gerne, auch wenn ein Modelabel primär daran denken muss, was morgen sein soll.
Ist das der größte Unterschied zwischen Mode und Kunst? Kunst blickt in die Vergangenheit. Mode in die Zukunft?
Als Museum haben wir einen historischen Auftrag. Dass Mode schnelllebig ist, ist ein Gemeinplatz. Genau darin zeigen sich aber auch ihre Stärken und es passiert etwas, wenn die Welt der Kunst und auf die Mode trifft. Gleichermaßen anregend ist es, wenn sich die Museumsarbeit mit der Arbeit eines Modeunternehmens zu mischen beginnt, wie das im Projekt der Akris-Ausstellung der Fall ist.
Akris ist bekannt für Schneiderkunst. Kunst ist immer ein Handwerk, Mode hat dies zeitweise durch die Schnelllebigkeit und Fast Fashion vergessen. Inwiefern war es Ihnen ein Anliegen, das Handwerk zu zelebrieren?
Akris steht natürlich für dieses Handwerk, für dieses Schweizer oder europäische Handwerk. Es geht darum, einem breiten Publikum zu zeigen, was hinter dieser Mode steckt, wie viel künstlerisch-handwerklicher Aufwand, welcher Ideenreichtum. Der Großteil unseres Publikums leistet sich diese Mode nicht. Unsere Besucher:innen aber sollen nachvollziehen können, was den Unterschied zu etwas Preisgünstigem ausmacht. Es geht uns darum, Verständnis zu wecken, für das Handwerk, das Know-How, die Menschen dahinter und letztlich die Nachhaltigkeit eines solchen Modebetriebs.
Ist diese Ausstellung das erste Mal, dass Sie mit einem Designer zusammengearbeitet haben, der so eng mit der Kunst verbunden ist wie Kriemler?
Nein, das nicht. Das als solches war für mich nicht das Besondere, sondern die Art, wie Albert Kriemler mit diesen Künstler:innen zusammenarbeitet. Da ist meine Faszination und meine Bewunderung gestiegen. Er versucht, in jeder Kooperation etwas anderes aus der Sache heraus zu kitzeln. Manchmal überträgt er etwas auf den Stoff, auf die Produktion des Stoffes, dann auf den Schnitt, dann auf die Art, wie er die Looks konzipiert. Es ist jedes Mal etwas ganz anderes.
Sie sagten gerade, dass die Art, wie Albert Kriemler mit den Künstler:innen arbeitete, war für Sie besonders, was macht die Zusammenarbeit so einzigartig?
Er hatte nicht nur Kontakt zu allen in der Ausstellung vertretenen Künstler:innen, sondern er pflegt mit jeder Person einen intensiven persönlichen Austausch. Er hat sich intensiv mit ihren Werken und mit den Anliegen der Künstlerinnen und Künstler auseinandergesetzt. In der Gegenüberstellung von Kunst und Mode versteht man am Ende auch die Akris-Looks erst richtig.
Sie haben sich entschieden, die Entwürfe in einem Dialog mit verschiedenen Kunstwerken, Skulpturen und Collagen zu präsentieren. Wie kam es dazu?
Das hat sich tatsächlich in der sehr engen Zusammenarbeit mit Kriemler so entwickelt. An einem gewissen Punkt des Konzipierens war es ganz klar, dass diese Ausstellung den Dialog abbilden soll, den er mit ausgewählten Künstler:innen und deren Werk pflegt. Und so gesehen, ist diese Ausstellung eigentlich auch eine Kunstausstellung. Wir werden sehr viele Originale zeigen – größere Werke, kleinere Werke, solche aus Museen und solche aus Privatsammlungen.
Die Künstler:innen, die neben Kriemlers Werken präsentiert wurden, inspirierten allesamt frühere Akris-Kollektionen, können Sie mehr über den Kollaborationsprozess enthüllen ?
Eine wichtige Figur, auch schon lange befreundet mit Kriemler, ist der deutsche Fotokünstler Thomas Ruff. Ruff ging beispielsweise von Aufnahmen vom Mars aus, die bereits existierten. Mit diesen hat er fotografisch weiter experimentiert und sie ins Dreidimensionale gebracht. Kriemler seinerseits hat sich nun dieses Motiv vorgenommen, um es auf sehr unterschiedliche Stoffe zu drucken. Die Resultate sind überwältigend: Die Stoffe sind eine Meisterleistung und in enger Zusammenarbeit und im Experimentieren zusammen mit Ruff entstanden. Ein solcher Austausch ist natürlich auch interessant für die Künstler:innen, eine solche Kollaboration ist sehr viel befriedigender, als wenn man einfach ein Motiv nimmt und das auf ein T-Shirt druckt. Oder gar nur den Namen eines Künstlers benutzt, um Aufmerksamkeit zu erhalten.
Es gibt in Kriemlers Mode aber auch Auseinandersetzungen mit Künstlerinnen, die noch nicht so bekannt waren. Das ist Geta Brătescu, eine rumänische Künstlerin, die Albert Kriemler noch persönlich kennenlernen durfte, inzwischen ist sie verstorben. Das fasziniert mich eben auch, dass er nicht nur auf die großen Namen geht, sondern dass er wirklich Leute entdeckt und einen ganz eigenwilligen Zugang zu ihnen sucht. Dazu gehört beispielsweise auch der deutscher Maler Reinhard Voigt. Eine spannende Figur, die es zu entdecken gibt. Man kann zu uns in die Ausstellung kommen und da auf Künstler und Künstlerinnen stoßen, von denen man zuvor kaum gehört hatte. Von der künstlerischen Auseinandersetzung her, hat sich Albert Kriemler, ganz unterschiedlichen Figuren und deren Werk zugewandt.
“Akris. Mode. selbstverständlich” – erklären Sie mir den Namen?
Das ganze Projekt zum 100-jährigen Jubiläum, hat Akris selbst unter dieses Motto gestellt. Akris selbst versteht seine Mode als selbstverständlich. Das ist das Ziel, dass Akris mit der Mode verfolgt, dass es an der Trägerin wie selbstverständlich wirkt.
Wird diese Selbstverständlichkeit der Mode auf die Besucher:innen der Ausstellung übertragen?
Ich wünsche mir, dass das Publikum die Kunst der Mode sieht, nicht die Bildende Kunst, sondern sieht, was da alles drin steckt, und das ist ja das alles andere als selbstverständlich.
Stichwort Publikum – einige Stücke werden zum Anfassen sein, richtig?
Ja, das wird genauso sein. Wir haben uns gewünscht, dass man gewisse Dinge anfassen kann. Man wird ganz nah an der Mode sein, wir werden möglichst wenig, praktisch nichts, hinter Glas zeigen. Das ist für uns als Museum eine Herausforderung, das macht man auch sonst bei Modeausstellungen eher nicht. Uns ist es wichtig, der Mode nicht mit Distanz, sondern auf Augenhöhe zu begegnen. Das war ein Anliegen von Albert Kriemler, dem wir sehr gerne gefolgt sind. Kriemler betrachtet seine Mode nicht als Kunst. Er ist zwar Kreativdirektor, es sind seine Kreationen, aber es ist keine Kunst. Es ist tragbare Mode.
Würden Sie ihm widersprechen, ist seine Mode Kunst?
Ich würde ihm nicht widersprechen, aber ich würde sagen, dass der Ansatz, den er pflegt, ein sehr künstlerischer ist. Er selber denkt und kreiert wie ein Künstler. Seine Mode ist es nicht. Dort kommt dieser Aspekt des Selbstverständlichen mit rein. Albert Kriemler arbeitet im Team mit vielen herausragenden Spezialisten. Aus künstlerischer Inspiration wird dadurch am Schluss tragbare Mode.
Gibt es etwas, auf das sie bei “Akris. Mode. selbstverständlich” besonders stolz sind?
Ich bin besonders stolz darauf, dass es uns gelungen ist, sehr großformatige Werke in sehr kurzer Zeit ins Haus zu bringen. Imi Knoebel ist eine spannende Figur. Da bin ich jetzt wahnsinnig gespannt. Wir werden fünf riesige Werke von ihm zeigen und ich bin gespannt, wie das funktioniert, mit den Looks, die wir daneben stellen. Das kann man sich, so gut man auch vorbereitet ist, nicht wirklich vorstellen, vor dem Auge hat man es nicht. Das muss man dann einfach vor Ort sehen!
Noch eine letzte Frage, Sie sprachen viel über die enge Zusammenarbeit zwischen Kriemler und den verschiedenen Künstler:innen. Wie intensiv war ihr persönlicher Austausch mit Herr Kriemler?
Sehr intensiv. Wir haben sämtliche Entscheidungen gemeinsam gefällt. Sie können sich vorstellen, das war auch für uns eine Herausforderung, da er ja gleichzeitig auch seine Show in Paris hatte. Doch immer wieder ist Albert Kriemler hier und wir feilen an Details. Es ist jeweils ein sehr intensiver fruchtbarer Austausch und eine gemeinsame Kuration.
Die Ausstellung “Akris. Mode. selbstverständlich” läuft vom 12. Mai bis zum 24. September 2023 im Museum für Gestaltung Zürich.