Kopenhagen neu gedacht: Mandatory als Alternative zu den großen Messen?
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In einer Zeit, in der sich die Landschaft der Modemessen rasant wandelt und viele traditionelle Formate an Bedeutung verlieren, will sich Mandatory CPH als Antwort auf die veränderten Bedürfnisse der Branche etablieren. Die im Juni ins Leben gerufene Veranstaltung versteht sich als eine intimere, kosteneffizientere und zeiteffektivere Alternative zu den großen Messen. Als solche setzt sie auf Qualität statt Quantität – sowohl bei den Ausstellenden als auch bei den Besucher:innen.
„Der Markt war im vergangenen Jahr unglaublich bulimisch“, erklärt Messe-Veteranin und Mitbegründerin von Mandatory, Clara Leone, im Gespräch mit FashionUnited. Leone war zuvor als Direktorin der Modemesse Revolver tätig und leitete diese bis zu ihrer Übernahme durch die Konkurrenz-Messe CIFF im Januar 2023. Dort arbeitete sie noch anderthalb Jahre, erkannte aber, dass die Messe nicht die richtige Plattform für sie war. Gemeinsam mit dem ehemaligen CIFF-Co-Direktor Mads Petersen suchte sie daraufhin nach neuen Möglichkeiten, um die Messelandschaft zu gestalten.
„Es war an der Zeit, ein Projekt zu realisieren, das eine klare Vision verfolgt, auch wenn es nicht jeden anspricht. Einkäufer:innen, Einzelhändler:innen und Marken haben weder viel Zeit noch große Budgets. Wenn sie also den Weg zu einer Messe auf sich nehmen, dann sollten sie dort genau das vorfinden, was sie suchen.“
Concept-Store-Erlebnis statt klassischer Messe
Mit einer sorgfältig kuratierten Auswahl von 200 Marken, setzt Mandatory daher auf eine „Concept-Store“-Atmosphäre anstelle von üblicher Messe-Vielfalt – nur von den Organisator:innen ausgewählte und eingeladene Brands nehmen teil. Die Gestaltung der rund 5.000 Quadratmeter großen Halle mit Marken-Inseln, die sich natürlich ergänzen, schafft eine luftige, entspannte Umgebung – ähnlich der Anordnung in modernen Einzelhandelskonzepten. Anders als viele Branchenveranstaltungen, die auf kontinuierliches Wachstum setzen, bleibe Mandatory seiner Philosophie treu und konzentriert sich auf die Qualität der Kontakte statt auf reine Besucher:innenzahlen, die daher auch nicht bekannt gegeben werden, so Leone.
Leone selbst war es, die gemeinsam mit ihrem Team die Besucher:innen beim Betreten der ehemaligen Markthalle begrüßte. Namen, Eintrittskarte und Wristband wurden in aller Ruhe ausgetauscht. Anstatt direkt zu den ersten Brands zu gehen wurden die Gäste zunächst eingeladen, sich einen Kaffee zu holen und entspannt in den Tag zu starten. Die entspannte Stimmung war jedoch nur bedingt ein Indiz für das, was hinter den Kulissen geschah: Während die Gäste sich für ihren ersten Koffeinkick um 9 Uhr anstellten, liefen bei den Brands bereits die Vorbereitungen für ihre ersten Termine. Die bereits am Eingang etablierte Gelassenheit zog sich durch die gesamten Messetage. Hektik oder Stress kamen nie auf. Im Gegenteil: Je weiter der Tag fortschritt, desto einladender wirkte die Atmosphäre. Untermalt von jazzigen, treibenden Klängen, vermischten sich lebhafte Unterhaltungen mit dem subtilen Duft der Kerzen von Studio Teket – einem selbst ernannten „Niche Lifestyle Agency Concept“ mit skandinavischen Wurzeln, das direkt zwischen dem Eingang und der Lounge platziert war.
Die Premiere der Messe fand im vergangenen Sommer statt, eine erste Edition, die innerhalb weniger Wochen auf die Beine gestellt wurde. Schon damals war den Veranstaltenden bewusst, dass nicht alles perfekt sein würde – Fehler würden gemacht, Erkenntnisse gewonnen und Anpassungen vorgenommen werden. Die auffälligste Änderung seitdem betrifft das Timing. Ursprünglich hatte sich Mandatory vom traditionellen Modeterminkalender gelöst, der Einkäufer:innen Anfang August nach Kopenhagen führt. Statt den von der Copenhagen Fashion Week und CIFF vorgegebenen Zeitplan zu übernehmen, setzte Mandatory auf einen früheren Termin Ende Juni.
Die Idee dahinter: Einkäufer:innen sollten Budgets nutzen können, die bis August oft bereits ausgeschöpft sind. Für die Januarausgabe wurde dieser Ansatz jedoch revidiert. Die Messe fand parallel zur Copenhagen Fashion Week und CIFF statt. „Wir wollen die Copenhagen Fashion Week unterstützen“, begründet Leone die Entscheidung. „Solange es sinnvoll ist und Geschäftsmöglichkeiten für die Marken entstehen, werden wir uns daran orientieren, um deren Geschäftschancen zu maximieren.“
Ob die Messe im Sommer wieder auf den Juni-Termin setzen wird, bleibt abzuwarten. Einige bei der Mandatory angetroffenen Marken und Einkäuferinnen würden eine Angleichung an CIFF jedoch begrüßen, da dies Reisekosten und -zeiten optimieren würde. Für eine neue Messe wie Mandatory kann es zudem von Vorteil sein, parallel zu einem etablierten Event wie CIFF stattzufinden, um Besucher:innen anzuziehen und das Areal im Kopenhagener Meatpacking District zu beleben. Diese Meinung teilt auch Sebastian Ross, Head of Sales International bei Drykorn, der eine gesteigerte Besucher:innenfrequenz beobachtet hat. Viele Einkäufer:innen würden nach ihrem Besuch bei CIFF noch Zeit für einen Abstecher bei Mandatory finden.
Unterschiedliche Märkte, unterschiedliche Strategien
Hohe Besucher:innenzahlen und eine Menge Laufkundschaft scheinen letztlich jedoch nicht das Ziel von Mandatory CPH zu sein. Die Messe – die grob in Menswear und Womenswear unterteilt war, wobei jede Kategorie eine eigene Seite des Ausstellungsgeländes einnahm – basiert größtenteils auf vorher vereinbarten Terminen. Ein Aspekt der bereits auf ihrer Website ersichtlich ist, wo Einzelhändler:innen sich im Vorfeld mit den vertretenen Marken vernetzen können. Die meisten Marken nehmen jedoch weiterhin selbst Kontakt zu den Einkäufer:innen auf, mit denen sie auf der Messe Geschäfte machen möchten, wie Sofie Bertelsen Raven, Brand- und Marketingmanagerin bei Palmes, erklärte. „Wir haben unsere bestehenden dänischen Kund:innen und potenzielle neue kontaktiert und dann Termine mit ihnen vereinbart. Wir haben die Arbeit zu 100 Prozent geleistet.“
Das Menswear-Label war erst am Vortag aus Paris zurückgekehrt, wo die meisten ihrer internationalen Termine stattfinden. Mandatory CPH ist daher für sie ein Moment, um „neue Leute kennenzulernen, neue Kund:innen zu treffen und zu sehen, wohin es uns führt“, so Bertelsen Raven. Während die Messe entspannt oder, wie sie einen Moment später zugibt, ruhig war, kamen Einkäufer:innen vorbei, um eine erste Auswahl für die Order zu treffen. „Jetzt warten wir darauf, dass sie ihre Bestellungen finalisieren. Es ist ein wenig wie ein Geduldsspiel.“
Für die Marke ist es die zweite Teilnahme an Mandatory, nachdem sie im Sommer von der CIFF zur kleineren Alternative gewechselt ist. Und obwohl die Halle am Mittwochmorgen nicht gerade geschäftig wirkte, sieht Raven eine deutliche Verbesserung bei den Besucher:innenzahlen – und beim Geschäft – im Vergleich zur vorherigen Ausgabe. Mit konkreten Einschätzungen zum Geschäft hält sich die Sales Manager jedoch zurück, ein Trend der sich auf der ganzen Messe widerspiegelt. Der Gute-Laune-Faktor und der positive Austausch scheinen hier, zumindest vordergründig, einen höheren Stellenwert zu haben.
Bei Drykorn dient die Messe in erster Linie als Gelegenheit, um Präsenz zu zeigen. Die Marke, die mit einem großen Stand in der Womenswear situiert ist, aber sowohl die Damen- als auch Herrenkollektion im Gepäck hatte, nutzte die Messe als Grundlage zur „Problemlösung“, bevor die Einzelhändler:innen in den eigenen Showroom eingeladen werden. Dort werden die Geschäfte dann abgeschlossen. Eine ähnliche Ansicht teilt auch die dänische Marke Soulland, die sich nach einer Woche voller Order-Termine in Paris nun auf Mandatory präsentiert, bevor die Einkäuferinnen in der kommenden Woche in den Showroom der Marke kommen. Die Präsenz auf der Messe ermöglicht es der Marke, Einkäufer:innen auf ihre Order vorzubereiten, auch wenn einige bereits direkt vor Ort Bestellungen aufgeben – wenn auch selten.
Die niederländische Sportswear-Marke Pal Sporting Goods wiederum vertritt eine ähnliche Haltung wie Palmes. „Es ist unsere zweite Saison bei Mandatory, wir waren bereits bei der ersten Frühjahrs-/Sommerausgabe dabei, und es lief wirklich gut“, erzählt Yasmina Azhoum, Creative Producer Sales, gegenüber FashionUnited. Im direkten Umfeld des Sportswear-Labels auf der Messe präsentieren sich Zeitgenossen wie Dickies, Filson und Blundstone. Allesamt Brands, mit denen man das Label zumindest optisch auch in einem gut sortierten Department Store ohne Weiteres auf derselben Etage wiederfinden könnte. „Hier gibt es viele tolle Marken, die Auswahl passt sehr gut zu uns – genau so etwas haben wir gesucht“, so Azhoum. Ein Aspekt, der sich auf nahezu der gesamten Messe widerspiegelte – denn farblich bewegten sich viele Marken auf einer Wellenlänge. Neben neutralen Tönen prägten erdige Farben das Bild: von Rostrot über tiefes Karamell hin zu Waldgrün. Klassiker wie Weiß und Schwarz blieben jedoch selbstverständlich präsent, oft ergänzt durch gezielte Akzente in Rot und Kobaltblau.
Ursprünglich fand die Marke ihren Weg zur Messe durch eine langjährige Freundschaft zwischen ihrem Gründer und den Organisator:innen, doch die Rückkehr zur kleineren Messe scheint inzwischen aus Überzeugung zu geschehen. Dieses Mal liegt der Fokus von Pal Sporting Goods nicht unbedingt darauf, möglichst viele Ordern zu schreiben, sondern vielmehr darauf, sich mit ihren Partner:innen zu vernetzen, nachdem sie den Vertrieb für Skandinavien, Deutschland und Großbritannien wieder in eigene Hände genommen haben. „Wenn Einkäufer:innen hier eine Auswahl treffen möchten, ermutigen wir sie dazu und schicken ihnen dann ein Lookbook und ein Line Sheet. Unser Hauptaugenmerk liegt allerdings darauf, präsent zu sein, den skandinavischen Markt und Einzelhändler:innen besser kennenzulernen und hoffentlich langfristig weiter zu expandieren.“
Messen in der Heimat wie die Modefabriek in den Niederlanden oder sogar benachbarte Events in Deutschland würde nicht zur Marke passen, erklärt Azhoum, weshalb ein Showroom in Paris die einzige weitere Veranstaltung im Kalender der Marke bleibt. Eine Taktik, die sich bei vielen Marken auf Mandatory wiederfindet. Paris ist laut der Creative Producerin der Ort, an dem die Marke ihre internationalen Kund:innen trifft – von französischen über niederländische hin zu asiatischen und britischen –, während der Fokus bei Mandatory hauptsächlich auf dem skandinavischen Markt liegt. Etwas, dessen sich Leone nicht nur bewusst ist, sondern was sie aktiv fördert.
„Wir konzentrieren uns auf den lokalen Markt: Schweden, Norwegen, Dänemark“, sagt sie. „Wir hatten immer internationale Ambitionen und sind sehr gut darin, internationale Besucher:innen hier herzubringen. Aber im Kern ist und bleibt es eine lokale Messe.“ Dennoch wurden internationale Einkäufer:innen nicht nur zur Teilnahme ermutigt – für sie sind Registrierung und Eintritt kostenlos –, sondern einige ausgewählte, darunter Slam Jam, Rinascente und Printemps, gezielt eingeladen.
Rundum-sorglos-Paket und ‘Familientreffen’
Das Buyer:innen-Programm ist jedoch nicht das einzige Rundum-sorglos-Paket, das Mandatory bietet. „Wir wollten sicherstellen, dass sich alle auf den Grund ihres Hierseins konzentrieren können, daher haben wir beim Aufbau der Messe darauf geachtet, dass Essen, Getränke und Kaffee bereitgestellt werden. Wir möchten nicht, dass sich unsere Aussteller:innen oder Besucher:innen um irgendetwas sorgen müssen", sagt Leone.
Umgesetzt wurde dieser Gedanke in Form einer großen, ovalen zeltartigen Struktur in der Mitte des Messegeländes, die eine Omelette-Station, kostenlose Snacks, Getränke und Kaffee sowie einige Sofas und Tische zum Netzwerken beherbergte. Und genau das geschah, denn teilweise wirkten die Stände und Gänge auch nach dem morgendlichen Kaffee noch fast leer im Vergleich zur lebhaften und geselligen Atmosphäre am Verpflegungsbereich.
Networking mag nicht das Hauptziel von Mandatory sein, doch zwischen den Terminen gibt es zahlreiche Gelegenheiten für Einkäufer:innen und Markenvertretungen, sich auszutauschen – und diese werden rege genutzt. Dies unterstreicht eine Aussage, die Leone zuvor getroffen hatte. Eine Formulierung, die in der Mode- und Kreativbranche oft bemüht wird, aber in diesem Fall erstaunlich treffend erscheint: „Wir sind seit fast zwei Jahrzehnten in der Branche tätig und hatten schon immer eine enge persönliche Bindung zu den Marken, die wir fast alle als enge Freundinnen betrachten. Und genau diese starken persönlichen Beziehungen benötigen wir, besonders dann, wenn die wirtschaftliche Lage und Prognosen schwierig sind. Gerade dann sind Vertrauen und Loyalität alles.“