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Pitti-Chef Napoleone: Messekonzept ‘PittiTimes’ versinnbildlicht Veränderungen in Modebranche

Von Jule Scott

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Messen |Interview

“Pitti Times”: Das Motto der Pitti Uomo 105 Bild: AKAstudio-collective / Pitti Uomo

Unter dem Motto “Pitti Times” gibt Pitti Uomo in dieser Woche den Startschuss für die Saison Herbst/Winter 2024 und macht seine florentinische Heimat für ein paar Tage zum Epizentrum der Mode. Warum Florenz als Standort für die Herrenmodemesse essentiell ist, wie sich die Rolle der Pitti und die des Veranstalters Pitti Immagine mit dem Wandel der Zeit veränderte, erzählte Pitti-Chef Raffaello Napoleone zum Messebeginn.

Die 105. Pitti Uomo steht im Zeichen von ‘PittiTimes’. Wie kam dieses Leitthema zustande?

Nach den Ereignissen der letzten vier Jahre sind wir der festen Überzeugung, dass es jetzt an der Zeit ist, sich wirklich darum zu bemühen, zu verstehen, was vor sich geht, zu handeln und Entscheidungen zu treffen – das war der Ausgangspunkt des Mottos.

Die Zeiten haben sich geändert, die Mode und die Modewochen haben sich völlig verändert. Marken zeigen in Indien, Kuba, Hongkong oder Shanghai zu unterschiedlichen Terminen und mit unterschiedlichen Kollektionen. Wir haben es hier mit einem neuen Konzept zu tun, und damit stellt sich nicht nur die Frage der Zeit, sondern auch des Timings. ‘PittiTimes’ war der beste Weg, um eine Botschaft zu vermitteln, die sich quer durch das Modesystem zieht. Darüber hinaus ist es auch für die Modebranche an der Zeit, ihren Vertrieb zu überdenken.

Die Zeiten ändern sich, worin bestehen derzeit die größten Herausforderungen in der Branche?

Das große Problem ist die Veränderung des Distributionssystems und des E-Commerce. Der Online-Verkauf leidet, und das verändert die Distributionsstruktur. Niemand ist sicher, auf welche Kanäle man jetzt noch setzen soll.

Veränderungen gibt es nicht nur im E-Commerce, sondern auch in der Messelandschaft. Während viele Messekonzepte gerade überdacht oder gar eingestellt werden, scheint Pitti Uomo zu wachsen.

Wir haben nie über die Größe nachgedacht, sondern über die Schaffung von Räumen, in denen die Besucher:innen das Beste aus den Kollektionen sehen können. Die Einkaufenden suchen heute mehr denn je nicht nach Quantität, sondern nach Auswahl, Qualität und Identität, und sie wollen keine Zeit verlieren.

Was macht Pitti Uomo und Florenz so einzigartig?

Wenn man eine Metapher verwenden will, könnte man eine Formel-1-Rennstrecke verwenden. Wenn man im Formel-1-Geschäft tätig ist, muss man auf der richtigen Rennstrecke sein, und es gibt nur wenige, die wirklich relevant sind. Pitti ist, wenn man so will, die richtige Rennstrecke. Es ist der Grand Prix Formula di Monza der Mode, zu dem alle gehen, denn er ist geschichtsträchtig. Wir haben Geschichte. Pitti wurde 1951 geboren, wir sind der Vater und die Mutter der italienischen Mode.

Pitti-Chef Raffaello Napoleone Bild: Pitti Immagine

Außerdem ist Florenz sehr klein. Selbst wenn Sie die Fortezza [Anm. d. Red.: Fortezza da Basso, der Veranstaltungsort der Pitti Uomo] verlassen, besteht eine 90-prozentige Chance, dass Sie beim Essen gehen, einem Drink oder im Hotel jemanden treffen, der für Sie und Ihr Unternehmen interessant ist und von dem Sie profitieren könnten – sei es im Hinblick auf den Vertrieb, die Herstellung oder die Lieferant:innen. Es ist der einzige Ort, an dem sich die Herrenmode-Community wirklich treffen und zusammenkommen kann. Das kann man von New York, Paris, London oder Mailand nicht behaupten. Das ist unmöglich.

Gibt es dennoch Veränderungen, die Sie auf der Pitti Uomo und bei den Besuchenden beobachten?

In der Vergangenheit kamen die großen Kaufhäuser mit einem Konvoi von Einkäufer:innen zur Pitti Uomo, zehn, 20 Einkäufer:innen auf einmal. Denn das war auch eine Möglichkeit, zu lernen, das Personal zu unterrichten und zu verstehen, wie der Markt tickt. Jetzt kommen sie nur noch mit zwei Leuten hierher, dem General Merchandise Managenden und dem Verantwortlichen für die Herrenmode. Das Szenario hat sich also völlig verändert, denn jeder muss Kosten einsparen, und dennoch kommen sie zur Pitti, um zu vergleichen und zu verstehen, was die Herrenmode antreibt, und deshalb sind wir sehr vorsichtig und präzise mit dem Angebot und der Art und Weise, wie wir die Schau konzipieren.

Wie verstehen Sie Ihre Rolle als Messeveranstalter? Inwiefern kann die Pitti Einkaufende und Besucher:innen unterstützen

Wir sind Messeveranstalter, aber ich ziehe es vor, uns als Ausstellungsveranstalter zu sehen. Wenn man sich das Programm der Veranstaltungen ansieht, sind wir keine Modewoche, wir wollen auch keine Modewoche sein, aber wir wollen Stimmen mit einer bedeutenden Vision finden und hervorheben und Marken und Designer:innen präsentieren, die wirklich inspirieren können. Wir versuchen, unsere Antennen überall zu haben, in den Vereinigten Staaten, Deutschland, Japan, Korea, China, und wir verfolgen natürlich die Modewochen und die Veranstaltungen weltweit. Aber wir bemühen uns vor allem darum, zu verstehen, was die Branche antreibt.

Wir sind also nicht nur Organisatoren von Messeständen. Wir bieten viel mehr als nur eine Ware. Die Mode, vor allem in der heutigen Zeit, muss natürlich Informationen, Beziehungen, Kontakte und Geschäftsmöglichkeiten vermitteln, aber man darf auch die Bedeutung von Emotionen nicht unterschätzen. Für diejenigen, die kaufen, und für diejenigen, die verkaufen, ganz zu schweigen von den Menschen, die produzieren. Man braucht diese Art von Sensibilität, diese Art von Gefühl. Wenn man Mode nur als Ware betrachtet, wird es sehr schnell langweilig.

Gibt es etwas, auf das Sie bei dieser Ausgabe der Pitti besonders neugierig oder gespannt sind?

Ich bin sehr gespannt auf die Teilnehmer:innenzahlen in diesem Jahr, insbesondere auf die internationalen Teilnehmer:innen. Was das Angebot anbelangt, so wissen wir bereits, wo die Reise hingeht. Wir wissen genau, wie viele Aussteller:innen wir haben werden: 832. Aber was die Besucher:innen anbelangt, bleibt das abzuwarten. Wir wissen, wie viele Geschäfte im letzten Jahr geschlossen wurden, nicht nur in Italien, sondern auch in Deutschland, in Frankreich, in England, in den Vereinigten Staaten.

Dass die Top-Einkäufer:innen der großen Kaufhäuser kommen werden ist bestätigt, nicht zuletzt wegen unseres Hospitality-Programms, das wir der italienischen Handelskommission zu verdanken haben, aber ob der Rest kommen wird, bleibt offen. Ich bin sehr neugierig, die reale Handelswirtschaft zu verstehen, einschließlich der kleinen Einzelhändler:innen. Die Frage ist wirklich, ob sie teilnehmen werden, wie viele von ihnen und aus welchen Ländern sie kommen. Das ist die große Neugierde.

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