Pitti Uomo 97: Streetwear, Nachhaltigkeit und traditionelle Herrenbekleidung
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Florenz - Die führende Herrenbekleidungsmesse Pitti Uomo fand in der vergangenen Woche wieder im italienischen Florenz statt. In den Mauern der ikonischen Fortezza da Basso kamen Modedesigner, Marken, Einkäufer und Liebhaber zusammen, um die neuesten Trends, Kollektionen und Innovationen der Herrenbekleidung für die kommende Saison zu präsentieren.
Über 1.200 Aussteller und rund 21.400 Einkäufer, davon mehr als 8.300 aus dem Ausland, besuchten die Messe mit Kultstatus, die vom 7. bis 10. Januar stattfand - das bedeutet einen Rückgang von rund 10 Prozent gegenüber der Ausgabe vom Januar 2019. Der Geschäftsführer von Pitti Immagine Raffaello Napoleone sagte, dass dies zum Teil darauf zurückzuführen sei, dass die Veranstaltung in diesem Jahr unmittelbar nach den Weihnachtsferien in die Verkaufsphase fiel. Nach Ländern aufgeschlüsselt waren die 20 wichtigsten Märkte von Pitti Uomo Deutschland, Japan, die Niederlande, Großbritannien, Spanien, die Türkei, Frankreich, die Schweiz, Belgien, die USA, Russland, Korea, China, Österreich, Griechenland, Portugal, Schweden, Dänemark, Kanada und China-Hongkong.
Alt trifft neu: Traditionelle Herrenmode und moderne Streetwear
Seit der ersten Messe 1972 ist Pitti ein Hot Spot für traditionelle Herrenbekleidung und Maßkonfektion - und hat diesen Reiz nicht verloren, denn viele dieser Marken nennen Pitti als die wichtigste, wenn nicht sogar die einzige Messe, die sie besucht haben. Das neapolitanische Hemdenlabel Finamore war eine dieser Marken. Es verzeichnete eine gute Ausgabe bei Pitti, wobei Paolo, einer von vier Brüdern, die das Unternehmen jetzt leiten, sagte, dass vor allem internationale Kunden seinen Stand besuchten - wenn auch deutlich weniger Italiener als in den vergangenen Jahren. "Wir sahen eine echte Mischung aus neuen und wiederkehrenden Kunden, vor allem aus Europa, den USA, China und Japan. Allerdings sehen wir weniger Italiener. Es ist im Moment keine gute Zeit für italienische Geschäfte." Das Familienunternehmen, das das Jahr 2018 mit einem Umsatz von 6 Millionen Euro abschloss und seit rund 25 Jahren bei der Pitti vertreten ist, erzielt rund 80 Prozent seines Umsatzes im Ausland, die restlichen 20 Prozent in Italien.
Die britische Luxus-Nachtwäsche- und Loungewear-Marke Derek Rose war ebenfalls anwesend und ist seit etwa 20 Jahren mit einem Stand auf der Pitti vertreten. "Wir hatten ein tolles Jahr", sagte Barny Edis, Leiter des Vertriebs. "Ich denke immer noch, dass es definitiv die wichtigste Herrenbekleidungsmesse ist, es gibt einfach nichts Vergleichbares." Die Marke sagte, dass sie in der Vergangenheit an einigen Messen im Heimatland Großbritannien teilgenommen habe, aber weniger Erfolg hatte, was angesichts der aktuellen wirtschaftlichen Lage des Landes vielleicht nicht überraschend ist. "Wir haben hier auch einen deutlichen Rückgang der britischen Kunden gesehen", sagte Edis, "doch dafür haben wir viel mehr Kunden aus dem Fernen Osten gesehen - viel mehr aus China, Japan, Russland und der Ukraine.”
Neben den traditionellen Herrenbekleidungsmarken spiegelt die Pitti, wie auch andere Fachmessen, das zunehmende Interesse der Branche an jüngeren Marken und Streetwear wider. Bricktown World ist eine Streetwear-Marke mit Sitz in Paris, die durch das Fernsehen der 90er Jahre, Videospiele und die Einführung des Internets, die Verwendung von 8-Bit-Videospielgrafiken und pixeligen Zeichnungen inspiriert wurde. "Es war eine wirklich gute Ausgabe von Pitti", sagte der Gründer Samuel David Benainous. "Jede Saison versuche ich, so viele Shows wie möglich zu machen. Ich liebe die Idee von Messen, weil ich möchte, dass meine Kunden das Produkt sehen und fühlen können. Ich möchte, dass die ganze Erfahrung echt ist - echte Treffen, echte Menschen, echtes Leben."
Bricktown wurde 2015 erstmals in das Sortiments eines Geschäft aufgenommen. Es war kein geringeres als Colette in Paris, seitdem wird es in bekannten Geschäften wie Selfridges in Großbritannien, De Bijenkorf in den Niederlanden und La Rinascente in Italien verkauft. Mit SS18 unterzeichnete die Marke auch ihre erste Zusammenarbeit mit Nintendo und verkaufte die Kollektion bei Bloomingdales in den USA. Benainous fügte hinzu, dass Pitti als erste Show der Saison eine besonders interessante Gelegenheit für seine junge Marke sei, sich frühzeitig ein Gefühl für die kommenden Trends zu verschaffen. "Bei Pitti kommen viele interessante Kunden, um die neuen Trends der Saison zu entdecken, und viele dieser Trends basieren auf Streetwear. Man hat wirklich das Gefühl, dass hier eine Menge Inspiration zu finden ist."
Nachhaltigkeit im Fokus
"Wenn man in der Branche sein will, muss man bei Pitti sein - viele Großkunden kommen hierher", sagte Marisa Selfa, Geschäftsführerin der spanischen nachhaltigen Modemarke Ecoalf, und stellte einen besonderen Anstieg der japanischen Besucher fest. "Sie sind hungrig nach Nachhaltigkeit in Japan, sie drängen wirklich darauf", sagte sie.
Die Messe eröffnete in diesem Jahr erstmals einen eigenen Nachhaltigkeitsbereich, wobei nachhaltige Marken das Lyceum übernahmen. Ein Bereich namens Reflections im Erdgeschoss beherbergte Ausstellungen, Installationen, Gespräche und Ideen zu Öko-Mode. Eine dieser Ausstellungen war Andrea Caputos 'Land Flag': From Waste to New Materials", ein Einblick in Konsum und Recycling, wobei die Installation die Menge an Kunststoffabfällen visualisierte, die in einer Woche von einem professionellen Studio von etwa sechshundert Quadratmetern, in dem sechzig Personen arbeiten, produziert wird.
"Ich finde es großartig, dass sie hier auf der Pitti einen stärkeren Fokus auf Nachhaltigkeit legen", sagte Selfa. "Nachhaltigkeit ist kein Trend, sie ist hier, um zu bleiben. Aber man sieht eine Menge Marken - vor allem größere - die nachhaltige Kapseln herstellen, aber dann ist ihr gesamtes Geschäftsmodell nicht nachhaltig. Ich denke, es ist wirklich wichtig, da wir sehen, dass Messen ihre nachhaltigen Bereiche erweitern und vergrößern, dass sie sicherstellen, dass sie Marken auswählen, die wirklich nachhaltig sind, und zwar über ihre gesamte Lieferkette hinweg."
Innerhalb des neuen Nachhaltigkeitsbereichs waren die Marken generell begeistert von der neuen, raffinierten Fokussierung und dem wachsenden Interesse der Einkäufer an ökologischer Mode, auch wenn einige den Rückgang der Besucher in Richtung des obersten Stockwerks des dreistöckigen Gebäudes bemerkten.
Ein Label, das in dieser Saison zum ersten Mal auf der Messe zu sehen war, was zum Teil auf Pittis verstärkten Fokus auf Nachhaltigkeit zurückzuführen ist, war die britische ethische Modemarke Bluebuck. "Wir sind zum ersten Mal bei der Pitti und es war großartig, wir haben hier einige unserer besten Kunden gesehen und auch einige neue Kunden", sagte Geschäftsführer Pierre David. "Diese Saison habe ich mich für Pitti entschieden, weil es von allen Messen wahrscheinlich die internationalste ist - man sieht hier Leute aus der ganzen Welt, nicht nur Italiener, sondern auch Japaner, Chinesen, Amerikaner, französische Einkäufer." Die Marke wurde 2011 gegründet und verkauft online und über den Großhandel in stationären Geschäften in Europa, den USA und Japan.
Sie präsentierte ihre nachhaltige Unterwäsche aus biologisch angebauter Baumwolle ohne den Einsatz von synthetischen Düngemitteln, die die Bodenqualität verschlechtern. Die Kleidungsstücke werden zu 100 Prozent in Europa hergestellt, und die Fabriken, die sich alle in Portugal befinden, arbeiten zu 100 Prozent mit erneuerbarer Energie. Im vergangenen Jahr hat die Marke auch begonnen, mit recycelten Fasern zu arbeiten, wobei sie sich mit Seaqual zusammenschloß, einer Organisation, die mit Fischern und kleinen Wohltätigkeitsorganisationen zusammenarbeitet, um Plastikabfälle aus den Ozeanen zu entfernen. Die Badebekleidung der Marke wird dann aus zertifizierten Seaquam-Abfällen aus dem Meer hergestellt.
Außerdem bemerkte David, dass Pitti zwar Schritte in die richtige Richtung unternommen hat, um sich nachhaltiger zu orientieren, aber immer noch nicht so aktuell ist wie konkurrierende Messen wie die Neonyt. "Neonyt ist mehr auf nachhaltige Mode spezialisiert, und man erkennt das wirklich an den Besuchern, die man dort trifft, an den Fragen, die dort gestellt werden, wie das Produkt hergestellt wird, die Liebe zum Detail ist sehr spezifisch - sie wollen über die Rückverfolgbarkeit und darüber informiert werden, ob die Kleidungsstücke zertifiziert sind.
Gender-fluide Laufstege und ein Winterwunderland
Die viertägige Veranstaltung gab den Besuchern auch die Möglichkeit, einige der mit Spannung erwarteten Modeschauen aus erster Hand zu sehen. Am Mittwoch betrat die Oberbekleidungsmarke K-Way zum ersten Mal den Laufsteg im Pitti Uomo, um ihren "konsolidierten Relaunch" im Palazzo della Camera di Commercio in Florenz zu feiern. Am Donnerstag präsentierte die Unisex-Marke Telfar, die das besondere Projekt dieser Show war, ihre Konzepte von fließender und 'simplex' (einfach + komplex) Mode im Palazzo Corsini. Am selben Abend enthüllte der italienische Modedesigner Stefano Pilati die lang erwartete Debüt-Kollektion seines ersten Soloprojekts, genannt 'Random Identities', in der teilweise renovierten Stazione Leopolda, einem der ältesten Bahnhöfe von Florenz.
Das US-Oberbekleidungsunternehmen Woolrich übernahm für zwei Tage das La Dogana in Florenz, um ein magisches Winterwunderland zu schaffen, das an die verschneiten Landschaften von Pennsylvania erinnert, wo die Marke vor 190 Jahren gegründet wurde, um die Kollektionen der Marke zu präsentieren. Außerdem stellte Dao-Yi Chow, Mitbegründer der New Yorker Modemarke Public School, seine Debüt-Kollektion als Kreativdirektor des italienischen Traditionslabels Sergio Tacchini vor, eine Kollektion von Tennisbekleidung mit einem zeitgenössischen Touch.
Haupt-Bild mit freundlicher Genehmigung von Pitti Immagine Uomo
Dieser übersetzte Beitrag erschien zuvor auf FashionUnited.uk.