Sonnenschein über Ulm: Ausgelassene Stimmung beim Unitex Fashion Festival
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Traditionell heißt es, dass alle Ängste und Sorgen über den Wolken verborgen bleiben, doch in dieser Woche traf das auch auf das Unitex Fashion Festival im baden-württembergischen Ulm zu. Am Dienstag und Mittwoch lud die gleichnamige Verbundgruppe die Modebranche zum dritten Mal zur Messe ein und bot neben einem ausladenden Rahmenprogramm drei volle Messehallen mit insgesamt 120 Aussteller:innen und 180 Marken. Diese kamen in diesem Jahr mit rund 1.500 Händler:innen in Kontakt, womit die Messe abermals Wachstum verzeichnete. Im Vorjahr waren es noch rund 1.000 Besucher:innen, die sich von etwa 100 Aussteller:innen und 150 Marken inspirieren ließen.
Frühlingsgefühle und Geselligkeit in Ulm
Das Wachstum der Messe dürfte neben den auf dem Festival häufig zur Sprache gekommenen fehlenden Alternativen in Deutschland – ausschließlich die Markentage des ostwestfälischen Branchenverbunds Katag wurden in den vergangenen Tagen auch genannt – vor allem auch an ihrem steigendem Bekanntheitsgrad liegen.
Mund-zu-Mund-Propaganda, sowohl für Ulm als auch für das Festival und seinen Veranstalter, scheinen ihre Wirkung zu zeigen. Sowohl Händler:innen als auch Aussteller:innen gestanden teils, Ulm bis dato nicht auf dem Schirm gehabt zu haben. Sie hätten sich insbesondere durch Empfehlungen von Mitstreiter:innen dafür entschieden, an der Messe in diesem Jahr teilzunehmen. Die Erwartungen wurden dabei weit übertroffen, wobei diese bei manchen ‘Neulingen’ auch nicht besonders hoch waren. So rechnete ein Händler aus Nordrhein-Westfalen lediglich mit “drei Klappstühlen” und nicht mit drei vollen Messehallen .
Dass sich nicht nur Neulinge in Ulm wohlfühlen, sondern auch wiederkehrende Marken auf ein Neues von der Veranstaltung überzeugt sind, zeigt sich unter anderem am Stand des Bekleidungsanbieters Camel Active. „Das ist mal richtig eine schöne Plattform. Wer diese Möglichkeit nicht annimmt, ist selbst schuld“, lobten Area Manager Alexandra Gebhard und Marko Schröer, Head of Sales für Deutschland, Österreich und die Schweiz, die zweitägige Veranstaltung. Für das Unitex Fashion Festival sehen beide zudem noch Potenzial für mehr Wachstum, nicht zuletzt, da es sich vor Ort in Ulm noch „um guten und ehrlichen Austausch“ handele.
Dabei sind es nicht nur die Händler:innen, mit denen die Lieferant:innen ins Gespräch kommen, sondern, und gerade das wird an vielen Ständen betont, findet auf dem Unitex Fashion Festival auch ein gemeinsamer Austausch mit den Konkurrent:innen statt. Ein Gefühl, das auch bei der Herrenbekleidungsmarke Digel zu spüren ist, wo sich Vertreter auf den Weg zu Mitbewerbenden machten, um mit Digel-Logo bedruckte Fußbälle gegen ein Werbegeschenk der anderen Partei ein zu tauschen.
Marketingtool oder Orderveranstaltung?
Sicherlich waren die von Unitex-Geschäftsführer und Veranstalter Xaver Albrecht zuvor im Interview mit FashionUnited erwähnten Frühlingsgefühle der Stimmung und dem regen Austausch auf der Messe ebenfalls zuträglich. Genau wie die Lieferant:innen nutzten auch die Händler:innen, die nicht gerade die Stände der Lieferant:innen besuchten, die Gelegenheit, sich insbesondere am Dienstag bei strahlendem Sonnenschein und einem kalten Getränk zu vernetzen. Das sonnige Wetter, die Erfrischungen und das prall gefüllte Rahmenprogramm – von Speedtalks über Key-Note-Präsentationen bis hin zu einem Konzert am Abend war alles dabei – waren jedoch nicht die einzigen Gründe für die entspannte Stimmung, denn auch das Timing und die Mission der Messe, spielte hierbei eine große Rolle – sind allerdings zugleich die umstrittensten Aspekte.
„Man muss sich auf einer Messe wie dieser von dem Grundgedanken des Return on Invest im ersten Moment lösen, denn letztlich ist es ein Marketing-Tool“, so Fabian Funck, Director Sales DACH bei Mustang. Der vornehmlich für Denim bekannte Bekleidungshersteller nutzt die Unitex-Messe in erster Linie, um sein neues Konzept und das damit einhergehende Rebranding vorzustellen und an den auf der Messe vertretenen Mittelstand heranzutreten. Dabei geht es dem Sales Director zufolge primär darum, auf die Marke aufmerksam zu machen und im Anschluss, als „Add-on“, eventuell einen künftigen Order-Termin zu vereinbaren. Am Mustang-Stand hing dennoch vergleichsweise viel Ware, denn diese trat auf der Messe stark in den Hintergrund, nicht zuletzt auch, weil an den meisten Ständen noch Winterware zu sehen war, weil die SS25-Kollektion sich noch in der Entwicklung befindet.
Während an einigen Ständen, etwa beim Wäscheanbieter Triumph und dem zur S.Oliver Group gehörenden Label Q.S, primär der neue Ladenbau im Fokus stand, äußerten andere Lieferant:innen durchaus den Wunsch, die Messe in Zukunft um ein paar Wochen nach hinten zu verschieben. „Dabei muss es nicht um eine Order auf der Messe gehen, doch den Kund:innen bereits einen Vorgeschmack auf die kommende Frühjahr/Sommer 2025 Saison zu geben und diese anzuteasern wäre erfreulich“, so Nicole Jäger, Vertriebsleitung DACH und Jalel Guelmami, Sales Director der Bugatti Holding Brinkmann GmbH & Co. KG. Primär gehe es allerdings auch bei Bugatti darum, dass Kund:innen das neue Brandbuilding der Marke, die seit letztem Oktober von Florian Wortmann als Chief Brand Officer geleitet wird, erleben können – ganz egal ob Winter oder Sommerware auf dem Stand, trotz 29 Grad im Außenbereich.
Ware gerät kurzzeitig in Vergessenheit
Eine etwas drastischeren, und für eine Messe durchaus ungewöhnlichen Weg, ging wiederum die Betty Barclay Group. Diese war zwar mit all ihren Marken vor Ort vertreten, setzte an einem der größten Stände der Messe jedoch auf Greenhouse-Feeling dank Rollrasen. Ware war dort aber weit und breit nicht zu sehen. Darüber, so Luca Brinkmann, Vertriebsleitung der zur Gruppe gehörenden Marke Betty & Co, wundern sich vor allem die anderen Lieferant:innen.
Letztlich vertritt er zwar die Meinung, dass eine Messe mit einem späteren Zeitpunkt– um etwa sechs Wochen – sinnvoller wäre, doch die gute Stimmung schreibt auch er dem Fakt zu, dass die Messe von dem üblichen Order-Stress und dem damit aufkommenden Thema der Geschäftszahlen losgelöst ist. Nach einstimmiger Kritik muss man auf der Ulmer Messe schlussendlich lange suchen, denn auch wenn vereinzelte Stimmen – insbesondere Händler:innen, sich etwas mehr Ware auf den Flächen wünschen, stimmen andere Brinkmann zu, dass gerade der Fokus auf dem Unternehmen und nicht auf der Ware die positive Haltung vor Ort fördert.
Ausnahmen bestätigen allerdings die Regel, denn ganz vergessen wurde das Ordern auf dem Fashion Festival nicht. JJXX, das Young Fashion Label der Bestseller Gruppe, schrieb auf Nachfrage spontan eine Order, erklärte Anne-Kathrin Beyer, Sales Representative für das “Never Out Of Stock”-Programm der Marke, während Philip Krause, Mitbegründer und Geschäftsführer des Berliner Streetwear Labels Prohibited ganz klar betonte, dass sich ein Besuch, trotz sehr guten Netzwerkmöglichkeiten, für ihn ohne das Schreiben einer gewissen Anzahl an Ordern nicht lohnen würde. Nimmt man Krauses Stimmung als Barometer für den schlussendlichen Erfolg der Messe kann gemutmaßt werden, dass sich die Veranstaltung für sein Label am Ende gelohnt hat – auch wenn das Fashion Festival am zweiten Tag, vielleicht auch nach einer durchzechten Nacht mit Konzerten von Kamrad und The BossHoss spärlicher besucht war als noch am Vortag.
„Es war heute tatsächlich etwas weniger als gestern“, so der baden-württembergische Area-Manager von Digel, David Schallenberg, am zweiten Messetag. „Aber es war trotzdem bis 14 Uhr noch etwas los, jedoch kein Vergleich zu gestern. Unser bayerischer Vertreter meinte, er hat in den ganzen letzten Jahren auf Messen zusammen nicht so viele Kund:innen aus Bayern gesprochen, wie gestern an einem Tag.“
Damit spricht Schallenberg der Messe jedoch nicht nur ein Lob aus, sondern verdeutlicht auch eine geografische Auffälligkeit, denn ein gewisses „Nord-Süd-Gefälle“, ist durchaus spürbar, wie es am Stand von Tom Tailor hieß. Verwunderlich sei es bei der Lage der Messe nicht unbedingt, denn auf der Katag zeichnete sich das Gleiche ab, und dennoch wäre es natürlich wünschenswert, ganz Deutschland an einem Ort zu vereinen, so das Plädoyer der meisten Lieferant:innen.
Dennoch blieb die Stimmung auf dem Festival bis zur letzten Minute heiter und gesellig. Während nur noch spärlich besuchte Messehallen zum Ende einer Veranstaltung oftmals zu langen Gesichtern und einem spontanen Stimmungswechsel bei Aussteller:innen führen können, war davon auf dem Unitex Fashion Festival kaum etwas zu spüren. Gegen 16 Uhr begannen zwar einige Marken ihre Stände unauffällig auf den Abbau vorzubereiten und viele Händler:innen befanden sich bereits auf der Heimreise, doch das Fazit blieb bis auf wenige Mankos durchweg positiv.