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Unitex-Geschäftsführer: Kritik an Modemessen hoch, aber Macher:innen-Mentalität fehlt

Von Jule Scott

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Messen|Interview
Unitex-Geschäftsführer Xaver Albrecht Credits: Unitex GmbH

Spätestens seit dem Ende der Berliner Modemesse Premium ist klar: die deutsche Messelandschaft – oder zumindest ihre vermeintlich großen Player – straucheln. Gänzlich ohne Messe geht es jedoch auch nicht und so stellt sich die allgegenwärtige Frage: sind die weiten Anreisen nach Kopenhagen oder Florenz die Alternative? Ganz so weit, muss es vielleicht doch nicht sein, denn auch das schwäbische Städtchen Ulm möchte mit dem Unitex Fashion Festival bei der Messelandschaft ein Wörtchen mitreden.

FashionUnited traf Xaver Albrecht, Geschäftsführer der Unitex vor dem Start des dritten Unitex Fashion Festivals, das am 14. und 15. Mai stattfindet, um über die bunte Vision der Verbundgruppe, die erwarteten Besucher:innen und die von anderen Messen gewonnen Erkenntnisse zu sprechen. Warum Negativität beim Unitex Fashion Festival vor den Messetüren bleibt und ob Ulm auch in Zukunft die Heimat der Veranstaltung sein wird, verrät Albrecht im Interview.

2018 und 2019 gab es den Unitex-Congress, der Ihren Mitgliedern vorbehalten war. Während der Pandemie entwickelten Sie das Konzept weiter und sie öffneten es auch für den Rest der Branche, warum?

Als Verbundgruppe hat Unitex schon immer Veranstaltungen in Deutschland ausgerichtet, doch während der Pandemie haben wir uns entschieden, das Thema „Event“ neu zu denken. Wenn wir zurückdenken, dann haben wir im ersten Jahr mit den größten Herausforderungen gestartet, die man sich überhaupt hätte denken können. Nicht nur die Pandemie, sondern kurz vor dem Event dann der Angriffskrieg von Russland auf die Ukraine und die Folgen: Logistik, Lieferkette, Personal, Insolvenzen – die gibt es alle immer noch. In den vergangenen fünf Jahren ist die Branche durchgeschüttelt worden, wie lange schon nicht mehr.

Deshalb haben wir entschieden, alles auf null zu setzen und darüber nachgedacht, worauf es uns bei einem Event ankommt: gemeinsamer Austausch, eine gute Zeit und ein gegenseitiges Kennenlernen ohne Stress. Wir der Meinung, dass es jetzt besonders wichtig ist, dass die Menschen zusammenkommen und wir eine Atmosphäre über ein solches Event stülpen, die auch diese Negativität etwas abschirmt. Aus diesen Gedanken heraus entstand letztlich das Unitex Fashion Festival.

Das Unitex Fashion Festival findet außerordentlich früh, noch vor der Menswear Messe Pitti Uomo statt, die die Ordersaison traditionell eröffnet. Wieso der Mai?

Wir möchten uns von diesen Order-Zeiträumen lösen. Letztendlich entschieden wir uns für den Mai, Frühlingsgefühle, mal ganz andere Vibes. Die Stimmung im Handel steigt, nachdem Januar, Februar, auch März teilweise Monate sind, in denen die Stimmen allgemein aufgrund der Umsätze sehr schwierig sind, und ab Mai geht es dann aufwärts.

Austausch und auch ein breit gefächertes Angebot, inklusive Vorträge, Masterclasses und sogar ein Konzert, stehen auf dem Programm des Festivals. Wie viel Messecharakter bleibt da im Endeffekt?

Es war uns sehr wichtig, dass die Veranstaltung eben nicht Unitex Order Messe oder ähnlich heißt, sondern wir bereits mit dem Namen – Unitex Fashion Festival – ein Zeichen setzen. Wir wollten einen Festival-Charakter um die Messe, die es im Kern ist, legen. Eine Messe im Kern muss sein, denn wir wollten eine Grundlage bilden, um ein Austausch-Netzwerk zu ermöglichen, doch drumherum gibt es ein Festival, um eine geile Atmosphäre zu schaffen. Und das machen wir eben über die Location, über den Beach Club, über “Food and Drinks”, über Konzerte, über alle kleinen Gimmicks, die nachher stattfinden.

Besucher:innen des Festivals sollen nicht wie auf vielen Ordermessen üblich im Halbstundentakt von A nach B hetzen, ohne nach links und rechts zu schauen. Wir wünschen dazu beizutragen, dass unsere Partner:innen – einerseits Händler:innen und andererseits die Industrie – untereinander bessere Geschäfte aufbauen. Wenn man sich grundsympathisch ist und genetzwerkt hat, in einer ganz entspannten Atmosphäre, ohne dass jetzt die kompletten Hallen voller Ware hängen, dann hat man da eine ganz andere Basis. Deshalb ist das Unitex Fashion Festival ein Hub als zentraler Punkt, um sich kennenzulernen und seine bestehenden Geschäftspartner:innen zu treffen, ohne dass Zahlen oder Business im Vordergrund stehen.

Spielt die Order in Ulm dennoch eine Rolle?

Auf Produkte kann man natürlich nicht verzichten, allerdings geht es dabei darum, ein paar Key-Pieces richtig zu präsentieren, so wie sie auch im Handel gezeigt werden sollten. Schließlich sind wir in der Fashion-Branche, und da ist natürlich das Produkt ein essenzieller Bestandteil. Allerdings soll der Fokus von der Ware mehr auf die Menschen des Unternehmens bezogen und gezogen werden. Daraufhin kommt die Order-Aktivität, aber das findet einfach auch jetzt schon zu 95 Prozent in den Order-Rooms und Showrooms statt.

Wen dürfen Sie in diesem Jahr in Ulm begrüßen?

Das ist nun die dritte Ausgabe und inzwischen lautet die Frage: „Wer kommt nicht aufs Unitex Fashion Festival?“. Wir merken es an dem Feedback, das an uns herangetragen wird, aber schließlich auch an den Buchungen; das ‘Who’s Who’ der Branche nimmt am Festival teil.

Es kommen Unitex-Mitglieder, aber auch freie mittelständische Modehändler:innen, immer mehr größere Unternehmen und auch jene mit Konzernstrukturen wie Tom Tailor, S. Oliver, Betty Barclay und Bestseller sowie kleinere Schmuckstücke, die Ulm als Treffpunkt und Netzwerkmöglichkeit nutzen, da es sonst keine Alternative mehr gibt.

Als Sie 2022 mit dem Fashion Festival starteten, sah die Messelandschaft noch ganz anders aus und sie waren von deutlich mehr „Konkurrenz“ umgeben. Was macht Unitex als Veranstalter und das Fashion Festival besonders?

Unsere große Stärke ist, dass wir kein Messeveranstalter sind und uns die Entwicklung recht gegeben, dass wir mit dem richtigen Ansatz an ein solches Event rangehen. Letztlich gehen wir das Thema „Messe“ und alle daran angrenzenden Fragen neu an, ohne dabei ein neues Business in die Welt setzen zu wollen oder müssen. Da ist kein Geschäftsmodell dahinter und wir müssen daher auch keinen entsprechenden Return on Invest machen.

Haben Sie aus dem „Scheitern“ anderer Messen gelernt?

Alle Besucher:innen einer Messe oder einer Veranstaltung, sei es im beruflichen wie im privaten Umfeld, haben immer Anmerkungen, was gut und was weniger gut war. Ich habe das Gefühl, dass insbesondere die Modebranche sehr kritisch mit Veranstaltungen umgeht und dennoch gibt es wenige, die es dann nachher umsetzen und sagen, sie wollen es besser machen. Die Kritik ist teilweise sehr hoch; nimmt man Berlin als Beispiel, aber die Macher:innen-Mentalität fehlt dann teilweise. Wir haben uns also weniger die Frage gestellt, was wir besser machen können, sondern eher überlegt, was wir anders machen können.

Wie viele der vertretenen Aussteller:innen sind Teil des Unitex-Netzwerkes?

Wenn wir von unserer Unitex Fashion Community sprechen, dann sprechen wir wirklich von allen, die Berührungspunkte mit uns haben, also auch die Händler:innen oder Aussteller:innen, die keine Unitex-Mitglieder sind, aber gerne zum Unitex Fashion Festival kommen. Dann haben wir natürlich auch unsere Mitglieder und unsere Partner:innen auf Lieferant:innen- und Dienstleister:innenseite. Bei den Aussteller:innen sind etwa 90 Prozent der Aussteller:innen Unitex-Partner:innen und 10 Prozent sind extern.

Steigt die Anzahl der ausstellenden Nicht-Mitglieder?

Die Gesamtanzahl der Aussteller:innen ist gestiegen und die Entwicklung geht dahin, dass noch mehr Nicht-Partner:innen dazu kommen. Diese Anzahl war in den vergangenen Jahren noch relativ gering, dieses Jahr sind es bereits mehr als nur eine Handvoll. Auf der Handelsseite nimmt die Anzahl ebenfalls zu und damit auch der Anteil der Händler:innen, die bis dato nicht mit uns zusammengearbeitet haben. Unitex hat rund 800 Mitglieder, doch daneben gibt es im Modehandel in Deutschland noch so einige Unternehmen.

Standmieten sind ein häufig beklagtes Thema, was kostet die Ausstellenden ein Stand auf dem Unitex Fashion Festival?

Das war definitiv ein Learning und unsere Lösung mag richtig sein oder falsch, vielleicht unternehmerisch nicht die ideale Entscheidung, aber für die Gemeinschaft ist es definitiv die richtige Entscheidung. Wir haben uns entschieden, ein einheitliches und faires System zu fahren. Es gibt grundsätzlich drei Pakete, drei Preise, und die sind fix.

Gibt es Unterschiede zwischen jenen Ausstellenden aus ihrem Netzwerk und „normalen“ Mieter:innen?

Ja, es gibt den Unitex-Partner:innenpreis, denn die Nicht-Partner:innen zahlen mehr, allerdings einen transparenten Preis. Das ist einer der Gründe dafür, dass viele Industriepartner:innen sich jedes Jahr dafür entscheiden, wieder mitzumachen. Zudem ist im Vergleich zur Vergangenheit das Invest, das man als Aussteller:in tätigt, überschaubarer geworden. Dabei spielt sicherlich auch die Location unserer Messe eine Rolle, da wir uns nicht in einer der Großstädte befinden und sehr faire Standkonzepte für die Industrie entwickelt haben.

Wird die gesamte deutsche Modebranche künftig nach Ulm pilgern? Oder könnten Sie sich in Zukunft einen Umzug in eine Metropole wie Berlin für die Messe vorstellen?

Die Entscheidung für Ulm wurde nicht getroffen, weil Ulm als Fashion-Metropole bekannt ist, sondern einfach, weil wir als Unitex in Neu-Ulm sitzen und wir wiederum auch dieses Unitex Fashion Festival aus einem recht kleinen Team heraus stemmen. Wir sind jetzt inzwischen 17 Menschen, insofern ist diese Nähe zur Location einfach besonders wichtig für uns gewesen. Natürlich muss man sich als Verantwortlicher, der im letzten Jahr und auch in diesem Jahr das größte Branchen-Event des Jahres veranstaltet, dann schon die Frage stellen, ob man den Besucher:innen und den Aussteller:innen in Ulm noch gerecht werden kann, oder ob es in Zukunft doch eine andere Location sein muss. In diesem Jahr wird es Ulm sein, im nächsten Jahr vielleicht auch, vielleicht nicht. Möglicherweise müssen wir, um weiter wachsen zu können, uns weiter entfalten.

Worauf freuen Sie sich bei dieser Ausstellung besonders und mit welchen Erwartungen und Hoffnungen blicken Sie auf die kommenden Tage?

Am allermeisten freue ich mich darauf, alle Menschen wiederzusehen. Aus jedem Gespräch aus den letzten beiden Jahren weiß ich, dass ich immer was mitnehmen konnte, immer etwas Positives. Sei es ein kleines Learning, sei es ein nettes Lächeln, sei es ein netter Mensch, ein toller Austausch, das ist das Allerwichtigste. Dieses Jahr gibt es außerdem einige tolle Keynotes, Speed Talks, ein neues Konzept mit Kurzvorträgen von drei Branchenexpert:innen und dann natürlich die Aussteller:innen, die sich tolle Stände überlegt haben. Und schlussendlich natürlich auch die ganzen Nebenaktivitäten neben der Messe: Sportaktivität, Dinner, Konzert, Afterparty, Food, Drinks.

Wir möchten Menschen weiterhin zusammenbringen und dazu beitragen, dass Handel und die Industrie untereinander gute Geschäfte machen. Zudem freuen wir uns, wenn jeder nachher mit einem Lächeln heimgeht.

Unitex
Unitex Fashion Festival
Xaver Albrecht